Deutschlands dreimonatiges Experiment mit dem preisgünstigem 9-Euro-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel wurde über 52 Millionen mal genutzt und hat über 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart – in etwa der Stromverbrauch von 350.000 Haushalten für ein Jahr.

Einsparung von 1,8 Millionen Tonnen CO2-Emissionen

Das 9-Euro-Ticket, mit dem man bundesweit mit Regionalzügen, U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen für einen Monat fahren kann, hat nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für den öffentlichen Nahverkehr 1,8 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden, weil die Pendler weniger mit dem Auto unterwegs waren. Das entspricht in etwa dem Stromverbrauch von 350.000 deutschen Haushalten für ein Jahr. Die Zahlen stehen aber in der Kritik, da nicht klar ist, ob sich der Verkehr tatsächlich verlagert hat oder die öffentlichen Verkehrsmittel nur mehr genutzt wurden.

Der VDV die Ergebnisse einer Umfrage bekannt, wonach 98 Prozent der Befragten von dem 9-Euro-Ticket gehört hatten und zwei Drittel sagten, sie seien damit sehr vertraut. Im Juli besaßen mehr als 30 Millionen Menschen das 9-Euro-Ticket, einschließlich derjenigen, die bereits eine Art Monats- oder Jahreskarte hatten.

Das Ticket, das im Juni in Kraft getreten ist und seit heute nicht mehr gültig ist, hat dazu beitragen, die Inflation in der größten europäischen Volkswirtschaft abzumildern, die durch den Anstieg der Energie- und Kraftstoffpreise infolge des Krieges in der Ukraine ausgelöst wurde. Obwohl es Bedenken hinsichtlich der Finanzierung des Tickets und der Belastung des Verkehrsnetzes gibt, wollen mehrere deutsche Politiker die Subvention in irgendeiner Form verlängern.

Die Bilanz von dem 9-Euro-Ticket

Rund 52 Millionen der 9-Euro-Tickets wurden insgesamt verkauft, wobei jeder zehnte Käufer mindestens eine seiner täglichen Autofahrten aufgibt, so der VDV. Im August sind sogar 17 Prozent auf den ÖPNV umgestiegen und jeder fünfte Käufer zum ersten Mal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Die Gruppe zitierte die Ergebnisse einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Umfrage unter 78.000 Personen, die sie mit der Deutschen Bahn AG und den Meinungsforschungsinstituten Forsa und RC Research durchgeführt hat.

„Aus den bisherigen Studien lässt sich nur eine leichte Verlagerung von der Straße auf den ÖPNV von bestenfalls 2 bis 3 Prozent ablesen“, sagte Christian Böttger, Bahnexperte an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), dem Spiegel. Eine andere Studie aus München ergab, dass 35 Prozent der Testteilnehmer mit dem 9-Euro-Ticket häufiger mit Bus und Bahn fuhren, aber nur 3 Prozent das eigene Auto seltener nutzten. Gleichzeitig stellten die Forscher aber auch fest, dass die Staus in der Region um rund 3 Prozent abnahmen.

Nach Ansicht von Philipp Kosok, Projektleiter ÖPNV bei der Interessengemeinschaft Agora Verkehrswende, deuten die ersten Daten darauf hin, dass das 9-Euro-Ticket lediglich mehr Verkehr erzeugt, aber nicht verlagert. Das könnte bedeuten, dass das Ticket tatsächlich einen negativen Klimaeffekt hatte. „Es gibt Hinweise darauf, dass wir mit dieser Aktion keinen klaren Klimavorteil haben.“ Die Einsparungen durch die Verlagerung von Autofahrern zu den ÖPNV könnte durch die allgemein, größere Nutzung durch das 9-Euro-Ticket wieder ausgeglichen werden oder sogar das Gegenteil bewirkt haben.

ADAC befürwortet das 9-Euro-Ticket gegenüber dem Tankrabatt

Die Subventionen für Benzin und Diesel sind dagegen weniger erfolgreich gewesen. Die Gewinne der Ölkonzerne sind auf ein Rekordniveau angestiegen und die Verbraucher haben während der Subvention kaum eine Entlastung festgestellt. Mit dem Auslaufen des Benzinrabatts sind die Preise für Diesel direkt um 10 Cent gestiegen und für Benzin und E10 sogar um 23 Cent. Zu Beginn der Subventionen wurde argumentiert, dass der Preis sich langsam anpasst, da das Benzin in den Tanks noch teuer eingekauft wurde – das Ende der Subventionen scheint deutschlandweit so gut geplant, dass der neue, unsubventionierte Preis direkt weitergegeben werden kann.

„Wir müssen eine überzeugende Nachfolgelösung für ein flächendeckendes Nahverkehrsticket finden, um die darauf angewiesenen Bürgerinnen und Bürger in Zeiten steigender Preise und Kosten weiter zu entlasten“, so Petra Berg, Umwelt- und Mobilitätsministerin im westlichen Saarland, in einer Stellungnahme. Die größte Entlastung haben die regulären Pendler des öffentlichen Nahverkehrs gespürt. Normalerweise zahlen sie 60-100 Euro für ein Monatsticket in ihrer Region und eine Einzelfahrt kostet meistens schon mehr als das 9-Euro-Ticket für einen ganzen Monat.

Weil der Preisvorteil nach Untersuchungen des ADAC ohnehin nie vollständig bis zu den Verbrauchern durchgereicht worden sei, fordert er den Tankrabatt nicht fortzusetzen. Mögliche künftige Entlastungen sollten stattdessen gezielt Betroffene bevorzugen, etwa Berufspendler durch eine Stärkung der Entfernungspauschale. Gezielte Steuerentlastungen für Privatpersonen sind eine sinnvollere Umsetzung, als ein Tankrabatt mit großen Unternehmen dazwischen.

Regionalzüge waren auf viele Strecken durch das 9-Euro-Ticket überlastet

Regionalzüge waren auf viele Strecken durch das 9-Euro-Ticket überlastet

Mögliche Nachfolger für öffentliche Verkehrsmittel

Einige Politiker sind schon länger in Verhandlungen für einen Nachfolger zu dem 9-Euro-Ticket. Wenn es einen Nachfolger für das Ticket geben wird, dann wird es teurer werden. Es existieren einige Vorschläge, die preislich zwischen 29 und 69 Euro im Monat liegen. Zur Finanzierung gibt es unterschiedliche Vorschläge. Während die Länder die Verantwortung eher beim Bund liegen sieht, sieht letzterer vor allem die Länder in der Pflicht. Die meisten Pendler zahlen bereits 60-100 Euro für ein Monatsticket, daher würde eine Solche Summe akzeptiert werden und verschafft vor allem den Berufspendlern einen netten Vorteil um in ganz Deutschland zu reisen. Bundesfinanzminister Christian Lindner zufolge würde es jährlich etwa 14 Milliarden Euro kosten, das 9-Euro-Ticket dauerhaft, bundesweit umzusetzen.

Allerdings ist viel mehr nötig als ein günstiges Ticket um eine langfristige Lösung zu schaffen. Beim ÖPNV existiert ein beachtlicher Investitionsstau, was sich auch in geringer Zufriedenheit der Menschen mit dem Angebot äußert. Mittelfristig muss vor allem auch dieses verbessert werden, um die Verkehrswende zu stützen und anzukurbeln. Ansonsten wird es schwierig, mehr Menschen dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen. Die Autoren einer Studie aus München weisen darauf hin, dass die Daten in den größten deutschen Städten ganz anders aussehen als in weniger dicht besiedelten Gebieten. Die Ergebnisse der Universität Kassel zeigen, dass in den Großstädten ein höherer Anteil der Menschen das 9-Euro-Ticket kaufte als außerhalb der großen Ballungsräume.

(TB)