Claudio Oliveira (51), der selbsternannte Bitcoin King von Brasilien und Inhaber der Grupo Bitcoin Banco, sitzt in Untersuchungshaft. Ebenso seine Frau, Lucinara da Oliveira.

Die brasilianische Bundespolizei in Curitiba beschlagnahmte am 5. Juli 2021 auch diese beiden Luxusautos bei der Verhaftung des selbsternannten Bitcoin Kings Claudio Oliveira, Inhaber und Präsident der Grupo Bitcoin Banco mit derzeit mehr als 7.000 geschädigten Kunden @ Bundespolizei des Bundeslandes Parana in der Landeshauptstadt Curitiba
Die brasilianische Bundespolizei in Curitiba beschlagnahmte am 5. Juli 2021 auch diese beiden Luxusautos bei der Verhaftung des selbsternannten Bitcoin Kings Claudio Oliveira, Inhaber und Präsident der Grupo Bitcoin Banco mit derzeit mehr als 7.000 geschädigten Kunden @ Bundespolizei des Bundeslandes Parana in der Landeshauptstadt Curitiba

Er wurde am 5. Juli 2021 wegen mutmaßlicher Veruntreuung von 6.110 Bitcoins im Wert von 240 Millionen Euro verhaftet.

In den letzten zwei Jahren hat Claudio Oliveira scheinbar aus dem Nichts ein pompöses Netzwerk aufgebaut, das ihm Zugang zu den gesellschaftlichen, unternehmerischen und politischen Eliten Brasiliens verschafft.

Claudio Oliveiras Lieblingsmarken sind Louis Vuitton, Louboutin und Hermès. Ein Luxus? Sein Privatjet. Ein Ritual vor dem Schlafengehen? Das Küssen von Chanel (einem Chihuahua) und Smalltalk mit seiner Frau, Lucinara da Silva Oliveira.

Angeblich bereits einschlägig im Jahr 2000 in der Schweiz verurteilt, aktuell noch in den USA gesucht und nun in Brasilien verhaftet: der selbsternannte Bitcoin King Claudio Oliveira (51, hier mit seiner ebenfalls verhafteten Frau Lucinara da Silva Oliveira) aus Curitiba am Südatlantik. Er soll Gelder von seiner brasilianischen Bitcoin-Investment-Gesellschaft Grupo Bitcoin Banco auf seine Privatkonten umgeleitet haben @twitter.com/BlockchainNotc2/
Angeblich bereits einschlägig im Jahr 2000 in der Schweiz verurteilt, aktuell noch in den USA gesucht und nun in Brasilien verhaftet: der selbsternannte Bitcoin King Claudio Oliveira (51, hier mit seiner ebenfalls verhafteten Frau Lucinara da Silva Oliveira) aus Curitiba am Südatlantik. Er soll Gelder von seiner brasilianischen Bitcoin-Investment-Gesellschaft Grupo Bitcoin Banco auf seine Privatkonten umgeleitet haben @twitter.com/BlockchainNotc2/

Der 51jährige Brasilianer ist ein bescheidener, sanftmütiger Anführer, wie er selbst sagt. Ein Typ, der in der breiteren Tech-Szene nie bekannt werden würde, wenn es nicht eine schlagzeilenträchtige Statistik von angeblich veruntreuten Bitcoins gäbe.

Claudio Oliveira behauptete, die Bitcoins seien bei einem Bitcoin-Hack gestohlen worden.

Die Behörden halten das für eine List, um ein Abzweigen von Investmentgeldern auf seine Privatkonten zu kaschieren. Der jüngste vorgeworfene Betrug betrifft mehr als 7.000 Opfer.

Darunter sind auch Mitarbeiter und Dienstleister der Gruppe Bitcoin Banco selbst. Dies ist jedoch nicht das erste Mal, dass Oliveira mit der Justiz in Konflikt geraten sein soll.

Die Bundespolizei aus Curitiba beschlagnahmte bei der Verhaftung von Claudio Oliveira auch Uhren, Schmuck und Bargeld @ Bundespolizei des Bundeslandes Parana in der Landeshauptstadt Curitiba
Die Bundespolizei aus Curitiba beschlagnahmte bei der Verhaftung von Claudio Oliveira auch Uhren, Schmuck und Bargeld @ Bundespolizei des Bundeslandes Parana in der Landeshauptstadt Curitiba

Laut brasilianischen Ermittlern soll der Bitcoin-König in den USA Straftaten gleicher Art begangen haben. Außerdem soll Oliveira im Jahr 2000 in der Schweiz Veruntreuung und Urkundenfälschung verübt haben. Claudio Oliveira erzählte einmal, er habe einen Abschluss in Elektrotechnik, Finanzen und Grafikdesign in der Schweiz, wo er vor 23 Jahren bei großen internationalen Banken arbeitete. Im brasilianischen Fernsehen gestand Oliveira, dass er „die Alpen vermisst, aber die Einfachheit des brasilianischen Landlebens genießt“.

Einem Youtuber erzählte Oliveira:

„Wir haben 3 Unternehmen in unserer Gruppe. TemBTC, Negocie Coins, Bat Exchange, unseren Marktplatz Get4Bit, unsere Marketingfirma Fork Content und eine Supermarktkette“.

Tatsächlich ist Claudio Aktionär von nicht weniger als 54 privaten Unternehmen. 11 von ihnen scheinen einen direkten Bezug zu Kryptowährungen zu haben. Zu den anderen gehören eine Bar, eine Rentengenossenschaft, eine Tennisakademie und eine Kirche.

Oliveira muss sich nun in Brasilien neben der Veruntreuung auch wegen Geldwäsche, krimineller Vereinigung und Verbrechen gegen das nationale Finanzsystem verantworten.

Seine im Jahr 2017 gegründete Grupo Bitcoin Banco am Südatlantik war die erste brasilianische Kryptowährungs-Investmentgesellschaft mit physischen Agenturen. Hauptsitz: Curitiba, im Stadtzentrum, im Edifício World Trade Center Curitiba. Die Filiale befindet sich in Sao Paulo, in einer der besten Lagen der Stadt, im Stadtviertel Itaim Bibi.

Grupo Bitcoin Banco lockte Kunden mit dem Versprechen garantierter Renditen.

Doch die Arbitragegewinne (Ausnutzen von Preisunterschieden der gleichen Ware auf verschiedenen Märkten), die den Anlegern auf der Internetseite www.btc-banco.com in einer eigenen Blockchain angezeigt wurde, waren nach Erkenntnissen der brasilianischen Polizei eher mystisch und offenbar nur eine inszenierte Show.

Die Ein- und Ausgaben der Bitcoin Banco glichen daher mehr einem Schneeballsystem als einem realen Kryptowährungs-Makler.

Als das System 2019 zu kollabieren drohte (erste Auszahlungskonten waren gesperrt), soll Claudio Oliveira zu einer List gegriffen haben, die aber aufflog. Oliveira soll 2019 einen Hacker-Diebstahl erfunden haben, bei dem angeblich das Bitcoin-Vermögen von 7.000 seiner Kunden im Wert von 1,5 Milliarden Brasilianischer Real (240 Millionen Euro) gestohlen worden sein soll.

Claudio stellte deswegen sogar einen Antrag auf gerichtliche Reorganisation seiner Grupo Bitcoin Banco, der positiv beschieden wurde.

Die gerichtliche Wiedereinsetzungsanordnung bedeutete, dass das Unternehmen seine Finanzen und seine Unternehmensführung reorganisieren würde, um die Investoren bezahlen zu können und einen Konkurs zu vermeiden. Das schien eine gute Gesetzeslücke zu sein, die ihnen Zeit verschaffen konnte. Also führte das Unternehmen seine Geschäfte wie gewohnt weiter, während es seine Plattform aktualisierte und den Kunden versicherte, dass die Bitcoins wieder da seien. Alles lief gut, bis ein Anwalt der Kunden Unstimmigkeiten zwischen den Zahlen des Unternehmens und den geprüften Daten feststellte. Mehrere Anwälte forderten für ihre Klienten die Walletdaten an, um Fehlinformationen auszuräumen, doch die Banco-Gruppe kam dem nicht nach.

Und schließlich stellte der Gerichtsverwalter Anfang 2020 fest, dass die Gruppe die zum Zeitpunkt des gerichtlichen Sanierungsbeschlusses festgelegten Verpflichtungen nicht einhielt.

Um ihre Aktivitäten zu fördern und neue Kunden zu gewinnen, bot sie laut Polizei der Öffentlichkeit weiterhin kollektive Anlageverträge an, ohne bei der brasilianischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (CVM) registriert zu sein.

Die Ermittlungen wurden schließlich dem Bundesgericht übertragen, woraufhin die Bundespolizei auch noch Ermittlungen wegen möglicher Straftaten gegen das nationale Finanzsystem und anderer damit zusammenhängender Delikte einleitete.

Die Bundespolizei in Curitiba hatte bereits 2019 nach den ersten Anzeigen von Anlegern eine Sonderermittlung begonnen:

Operation Daemon.

Die polizeilichen Ermittlungen erhielten den Namen Operation Daemon, weil sich der Name  in der griechischen Mythologie auf ein übernatürliches Wesen bezieht, das im Hintergrund arbeitet, und in der Computerwelt auf ein Programm, das einen Prozess im Hintergrund ausführt, der nicht unter der rechtmäßigen Kontrolle des interaktiven Benutzers steht.

Die Operation Daemon fand nämlich heraus, dass die Bitcoin Bank eine private Blockchain betrieb. Wenn Kunden Geld einzahlten, zeigte ein System den Kunden angeblich gefälschte Informationen an, dass sie Gewinne erzielten. Die Ermittler stellten jedoch Ungereimtheiten bei den Transaktionen fest.

Die Bundespolizei stellte fest, dass die Beträge, die über den vom IT-Bereich des Maklerunternehmens geschaffenen Mechanismus bewegt wurden, nicht der Realität entsprachen. Im Hintergrund wurden nach Polizeiangaben die von den Kunden an die Gruppe überwiesenen Mittel entsprechend den Interessen des mutmaßlichen Anführers der mutmaßlich kriminellen Organisation abgezweigt.

Da die Kunden also davon ausgingen, dass sie mit dem Broker Geschäfte tätigen und tägliche und garantierte Gewinne erzielen würden, gab es keinen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten, die erst Anfang 2019 mit der Sperrung von Abhebungen auftraten.

Die Bundespolizei stellte später fest, dass die von der Bitcoin Bank verwalteten Kryptowährungskonten (28 Millionen Euro) nicht ausreichten, um alle Gläubiger zu bezahlen. Nach einer Schätzung des Gerichtsverwalters des gerichtlichen Sanierungsverfahrens belaufen sich die Schulden der Wirtschaftsgruppe auf rund 1,5 Milliarden Brasilianische Real (240 Millionen Euro) und betreffen mehr als siebentausend Gläubiger.

Die Operation Daemon fand Berichten zufolge auch heraus, dass Gelder von Kunden der Bitcoin Banco Group unregelmäßig auf die persönlichen Konten von Oliveira umgeleitet worden waren.

Nach drei Jahren Ermittlungen schlug die Bundespolizei am 5. Juli 2021 zu.

Bei einer Razzia mit 90 Beamten vollstreckte die Bundespolizei einen Untersuchungshaftbefehl gegen Claudio Oliveira und vorläufige Haftbefehle gegen vier Mitarbeiter der Grupo Bitcoin Banco, darunter auch seine Ehefrau. Die Polizei beschlagnahmte bei den Verhaftungen mehr als 33 Millionen US-Dollar (28 Millionen Euro), acht Luxusautos, Juwelen und Luxusuhren, einige Taschen mit brasilianischem Bargeld und Kryptowährungs-Hardwallets. Das Trading-Maklerportal ist nicht mehr erreichbar.

Zum Portfolio der Bitcoin Banco gehören auch die umsatzstärksten Börsen Brasiliens Negocie Coins und TemBTC.  „Wir widersetzen uns dem digitalen Trend und setzen auf das Materielle, weil wir wollen, dass die Leute uns als echte Bank wahrnehmen“, wurde Claudio Oliveira noch vor drei Jahren auf Medium.com zitiert.

Bitcoin Banco bot ein Produkt an, das einem Sparkonto ähnelte.

Je länger Sie Ihre BTC in die Obhut der Bank geben, desto mehr Rendite können Sie erhalten. Durchgesickerte Dokumente deuten darauf hin, dass die Angebote zwischen 1 und 5 % pro Monat lagen. Natürlich konnten die Kunden auch die Börsen der Gruppe für den Handel nutzen.

Doch da fiel eine Kuriosität ins Auge: Ein nie endender Spread.

Sobald NegocieCoins und TemBTC ins Rampenlicht traten, war es unmöglich, den Spread zwischen ihnen zu übersehen.

Er schwankte zwischen 1,5 % und 8 % und schloss sich nie.

Das Unternehmen hat dies immer so behandelt, als sei es ein normales Nebenprodukt eines unreifen Marktes. Es hat sogar Anleitungen erstellt, wie man optimal zwischen den beiden Börsen wechselt, um von der Spanne zu profitieren.

Die anhaltenden Spreads zwischen den Hauptbörsen zogen Arbitrageure an.

Bitcoin Banco förderte die Migration des Geldes seiner Kunden (Bitcoins BTC und Brasilianische Reals R$) zu einem proprietären, geschlossenen Ledger-System (FortKnox).

Die Gewinne aus den Arbitrageur-Aktivitäten zwischen den Börsen der Gruppe blähten die Salden in diesem Ledger in einer sich selbst verstärkenden Schleife auf.

Die so erzielten Arbitragegewinne waren somit lediglich künstlich im eigenen Haus erzeugt.

2019 hatte das Bitcoin-Volumen in Brasilien auf mehreren Krypto-Plattformen auf der ganzen Welt Schlagzeilen gemacht. Journalisten haben alles Mögliche, von der Rekordinflation bis zur politischen Krise, als Ursache für dieses Wachstum ausgemacht. Dabei ist die Ursache eigentlich viel einfacher.

Wie jedes andere Unternehmen, das Anreize hat, stille Rücklagen zu bilden, würde das Perpetuum Mobile der Bitcoin Banco erst dann zum Stillstand kommen, wenn die Kunden ihr Geld massenhaft zurückfordern.

Am 21. Mai 2019 stellte die Banco Plural, ein altes Finanzunternehmen, das den Großteil seiner Fiat-Aktivitäten über die Bitcoin Banco abwickelte, die Geschäftsbeziehungen zu Claudio Oliveiras Gruppe ein. Ein schwerer Schlag.

Im Sommer meldete Bitcoin Banco dann den Hacker-Diebstahl von Bitcoins, einen Douple-Spend, der laut Bundespolizei aber nur ein Trick gewesen sein soll.

Brasilien galt bislang als kryptofreundlich.

Kürzlich hat sogar die Zentralbank Brasiliens eine neue, eigene Kryptowährung angekündigt: den Digital-Real.

Andernorts geraten Bitcoin-Plattformen hingegen unter Druck. So warnt die britische Finanzmarktaufsicht vor der weltweit führenden Krypto-Handelsbörse Binance und möglichen Verlusten. Die Aufsichtsbehörde weist auf fehlende Berechtigungen und mangelnde Absicherung hin. (FM)