„Über zu viele Jahre haben wir vielen Menschen einen schlechten Dienst erwiesen, indem wir nichts von ihnen verlangt haben“, sagte Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen (Mitglied der Sozialdemokratischen Partei) auf einer Regierungspressekonferenz am 7. September 2021 in Kopenhagen. Gemeint sind vor allem nicht westliche Frauen.

Gerade Frauen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und der Türkei seien noch zu selten erwerbstätig.

Arbeitsdienst für nicht westliche Frauen: Dänemarks Regierungspressekonferenz am 7. September 2021 in Kopenhagen von links nach rechts: Finanzminister Nicolai Wammen, Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und Arbeitsminister Peter Hummelgaard – alle drei gehören der Sozialdemokratischen Partei an © Twitter.com/Peter Hummelgaard
Arbeitsdienst für nicht westliche Frauen: Dänemarks Regierungspressekonferenz am 7. September 2021 in Kopenhagen von links nach rechts: Finanzminister Nicolai Wammen, Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und Arbeitsminister Peter Hummelgaard – alle drei gehören der Sozialdemokratischen Partei an © Twitter.com/Peter Hummelgaard

Frederiksen: „Wir wollen eine neue Arbeitslogik einführen, bei der die Menschen die Pflicht haben, einen Beitrag zu leisten und sich nützlich zu machen. Und wenn sie keine reguläre Arbeit finden, müssen sie für ihre Zuwendungen arbeiten.“

Nach der Zwangsumsiedlung soll nun ein Arbeitsdienst für rund 20.000 betroffene arbeitslose „nicht westliche Frauen“ kommen, wie die Sozialdemokratin Frederiksen die Migrantinnen nennt. Die Spanne der Arbeiten reicht vom Aufsammeln von Zigaretten und Plastikabfällen am Strand bis zum Aushelfen in Unternehmen. Aber auch Dänisch-Sprachkurse zählen mit.

Die sozialdemokratische Regierung in Dänemark hatte Anfang des Jahres 2021 das Haupt-Ziel ausgerufen: Null Asylbewerber.

Der erste Paukenschlag auf dem Weg zu diesem Ziel war im Juli 2021 der Abriss von 1.000 sogenannten Ghetto-Wohnungen in Gellerup und die Einführung einer Obergrenze von  30 Prozent Anteil von Bewohnern „nicht westlicher Herkunft“  in allen Stadtteilen Dänemarks, wie Business Leaders berichtete.

Jetzt folgte der nächste Paukenschlag: die Einführung eines Arbeitsdienstes für arbeitslose nicht westliche Frauen

Eine für die Gesellschaft „nützliche Arbeit“ soll es sein, die gleichzeitig aber natürlich keine regulären Jobs ersetzen soll, konkretisierte Arbeitsminister Peter Hummelgaard das Programm auf der Pressekonferenz am 7. September 2021.

Zunächst sollen MigrantInnen (nicht westliche Einwanderfrauen) aus dem Mittleren Osten, Nordafrika, Afghanistan und Pakistan an die Reihe kommen, die entweder neu ins Land gekommen sind oder in einem Zeitraum von vier Jahren drei Jahre im Arbeitslosengeldsystem waren, ohne eine feste Arbeit bekommen zu haben. Die Arbeitspflicht soll 37 Wochenstunden umfassen, eineinhalb Stunden davon sind für Dänisch-Unterricht vorgesehen.

Ohne Jobben kein Arbeitslosengeld

Die Erfüllung dieser Arbeitspflicht wird Voraussetzung für den weiteren Bezug von Arbeitslosenleistungen sein. „Wenn man an einem Tag nicht kommt, gibt es für den auch kein Geld“, so Hummelgard. „Es geht darum, eine Arbeitslogik anstelle der Versorgungslogik zu schaffen.“

Hummelgaard: „Das kann ein Job am Strand sein, bei dem man Zigarettenstummel oder Plastik aufsammelt (oder) Hilfe bei der Lösung verschiedener Aufgaben in einem Unternehmen.“

Er fügte hinzu: »Das Wichtigste für uns ist, dass die Menschen aus der Tür kommen. Viele nicht-westliche Frauen erleben, dass sie aufgrund der sozialen Kontrolle durch Ehepartner und Söhne nicht vor die Tür gehen dürfen.«

Boulevardblatt BT spottet: „Gibt es überhaupt genug Kippen?“

Während die Boulevardzeitung BT (Blattzeitung) fragte: „Gibt es überhaupt genug Kippen auf den Bürgersteigen?“, kritisieren viele Kommunen, die diese Arbeitseinsätze organisieren sollen, man hindere die Gemeinden damit nur daran, sinnvollere Integrationsarbeit zu leisten.

Der Vorsitzende des Nationalen Gemeindeverbandes, Jacob Bundsgaard, sagte einem Bericht des Dänischen Rundfunks zufolge, er bezweifle, dass gemeinnützige Arbeit für arbeitslose Einwanderer der richtige Weg sei. „Nach unseren Erfahrungen führt das die Bürger nicht näher an einen Arbeitsplatz.“

Sollte der Vorschlag eine Mehrheit im Parlament finden, ist es an den Kommunen, entsprechende Jobs zu finden. „Das ist eine sehr, sehr schwierige und große Aufgabe“, meint Jacob Bundsgaard. „Das sind Jobs, die normalen Arbeitnehmern nicht die Arbeit wegnehmen dürfen. Das sind also Jobs, die erfunden werden müssen.“

Rasmus Jarlov von den Konservativen befürchtet, die Maßnahme werde sehr teuer werden und keinen großen Effekt haben.

Nicht mehr als „ganz dicke Symbolpolitik“ vermutet Andreas Steenberg, finanzpolitischer Sprecher der linksliberalen Radikalen Venstre, hinter dem Vorstoß. „Man sollte ihnen eine Ausbildung ermöglichen, damit sie bessere Arbeitsmarktkompetenz bekommen können“, fordert er.

„Ich habe Angst, dass das zu staatlich gesponsertem Sozialdumping führt“, kritisierte Dänemarks Linken-Sprecherin Mai Villadsen. Die Fraktionsvorsitzende der linken Einheitsliste, Mai Villadsen, spricht von einem „wahnwitzigem Vorschlag“.

Kein sinnvoller Weg in den Arbeitsmarkt?

Ilham Khalif Mohamed, Koordinatorin der Organisation Bydelsmødre, die mit Migrantinnen arbeitet und sie zu ehrenamtlichen Stadtteilmüttern ausbildet, meint: „Die Regierung unterstelle eingewanderten Frauen aus nicht-westlichen Ländern ganz offensichtlich, dass sie nicht arbeiten wollten.“

Ilham Khalif Mohamed ist selbst eine Stadtteilmutter, die isolierten Ausländerinnen hilft: „In Wirklichkeit finden sie schlicht keine Arbeit. Keine von ihnen sitzt freiwillig zu Hause und würde Nein zu einer Arbeit sagen.“

Die Arbeitspflicht, die die Regierung nun einführen wolle, drohe die Situation der Frauen sogar zu verschlechtern. Sie würden sich diskriminiert, gestresst und bestraft fühlen.

Mads Bilstrup, Vorsitzender der Sozialarbeiter-Gewerkschaft, kritisiert: Eine solche Arbeitspflicht bringe für den Weg in den Arbeitsmarkt gar nichts. Das Programm werde teuer und zeitaufwändig, aber ohne Effekt bleiben. Mit einem wesentlichen Beschäftigungseffekt rechnet auch das Arbeitsministerium selbst nicht. Hier geht man davon aus, dass von rund 20.000 Personen, die man dieser Arbeitspflicht unterwerfen will, etwa 250 eine Arbeit finden könnten – etwas mehr als ein Prozent also.

In Dänemark sind von den 5,84 Millionen Einwohnern fünf Prozent „nicht westlicher Herkunft“. Zum Vergleich: Von den 83,2 Millionen Einwohnern Deutschlands sind 12,7 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund.

Das Gesetz muss noch vom dänischen Parlament beschlossen werden.

Friedrich Merz unterstützt Idee, will auch in Deutschland Langzeitarbeitslose zur Arbeit verpflichten
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet stellte am 3. September 2021 auf Facebook auch CDU-Politiker Friedrich Merz mit den Worten vor: „Kluge Köpfe und innovative Ideen für unser Land. Heute habe ich mein Zukunftsteam vorgestellt - gemeinsam setzen wir auf die richtigen Themen für das Modernisierungsjahrzehnt. Zusammenführen und zusammen führen - das ist meine Idee für Deutschland. 23 Tage vor der Bundestagswahl stehen wir vor einer Richtungsentscheidung für unser Land. Die Union hat die besten Konzepte für unser Land.“ © Facebook.com/ArminLaschet/Photos am 3. September 2021
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet (rechts) stellte am 3. September 2021 auf Facebook auch CDU-Politiker Friedrich Merz mit den Worten vor: „Kluge Köpfe und innovative Ideen für unser Land. Heute habe ich mein Zukunftsteam vorgestellt – gemeinsam setzen wir auf die richtigen Themen für das Modernisierungsjahrzehnt. Zusammenführen und zusammen führen – das ist meine Idee für Deutschland. 23 Tage vor der Bundestagswahl stehen wir vor einer Richtungsentscheidung für unser Land. Die Union hat die besten Konzepte für unser Land.“ © Facebook.com/ArminLaschet/Photos am 3. September 2021

CDU-Politiker Friedrich Merz unterstützt die Idee der sozialdemokratischen Regierung in Dänemark, Arbeitslose zur Arbeit zu verpflichten. In Deutschland habe man sich in letzter Zeit vielleicht zu sehr auf das Fördern und nicht auf das Fordern konzentriert, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen: „Da kann das ein geeignetes Mittel sein, sie einfach nicht allein zu lassen, sondern sie wirklich auch mal ein bisschen an der Krawatte zu ziehen und zu sagen, ihr müsst euch auch mal um euch selber kümmern”, sagte Merz der WELT am 11. September 2021.

Merz gehört zum Kanzler-Kandidatenteam von Armin Laschet. Die CDU, CSU und AFD finden die Idee von Merz gut. Alle anderen Parteien lehnen sie ab. (FM)