Solange Palmöl mehr Geld einbringt als die Schutz-Zahlungen gegen Entwaldung aus Deutschland und anderen Industriestaaten, ist der Regenwald wohl nicht zu retten. Und damit auch nicht die Klimaziele.

Im Süden Sumatras, wo der Naturschutzbund NABU das Projekt „Hutan Harapan“ (indonesisch: „Wald der Hoffnung“) zum Schutz tropischer Regenwälder umsetzt, kämpfte im Herbst 2019 eine 40-köpfige Waldschutzeinheit seit Wochen gegen illegal immer wieder neu gelegte Brände – allein von Januar bis September 2019 waren es über 75 © Forest Protection Team Hutan Harapan
Im Süden Sumatras, wo der Naturschutzbund NABU das Projekt „Hutan Harapan“ (indonesisch: „Wald der Hoffnung“) zum Schutz tropischer Regenwälder umsetzt, kämpfte im Herbst 2019 eine 40-köpfige Waldschutzeinheit viele Wochen gegen illegal immer wieder neu gelegte Brände – allein von Januar bis September 2019 waren es über 75, um Palmöl anbauen zu können © Forest Protection Team Hutan Harapan

 

Auf der Klimakonferenz in Glasgow im November 2021 haben sich 105 Staaten verpflichtet, die Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen und umzukehren.

Palmölfabrik in den Tropen © OroVerde – Die Tropenstiftung, Bonn
Palmöl-Fabrik in den Tropen © OroVerde – Die Tropenstiftung, Bonn

Palmöl: Es geht vor allem um die Tropen, wo Regenwälder große Mengen an Kohlendioxid speichern

Die Vernichtung von Wäldern, vor allem durch Brände, und ihre Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen tragen fast zu einem Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen bei.

Ein verbindliches internationales Regelwerk allerdings, wonach für die Speicherung von x Tonnen Kohlenstoff eine Summe y zu zahlen ist und der entsprechende Erhalt der Waldflächen überwacht und Verstöße bestraft werden, gibt es bislang nicht. Daran ändert auch Glasgow nichts.

Milliarden für den Walderhalt im Kampf gegen die Erderwärmung

Deshalb engagieren sich einzelne Industriestaaten weiterhin nur nach eigenem Ermessen auf diesem Gebiet. Deutschland etwa ist mit Ländern wie Norwegen, Großbritannien und den USA ganz vorne dabei.

Mehrere Milliarden Euro hat die Bundesregierung in den vergangenen 15 Jahren für Programme ausgegeben, die Wälder im Kampf gegen die Erderwärmung erhalten sollen. „Internationale Klimainitiative“ (IKI) oder „Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation“ (REDD, deutsch: Minderung des Treibhausgasausstoßes, der durch Entwaldung und Beschädigung von Wäldern verursacht wird) heißen die bislang unverbindlichen Programme.

Das ARD-Politmagazin PANORAMA ist der Sache nachgegangen, hat einzelne von Deutschland geförderte Projektgebiete besucht und mit Experten gesprochen.

Ergebnis: Die Schutzprojekte haben bislang nicht das Ziel erreicht, die Freisetzung von CO2 zu verhindern.

Beispiel Sumatra

Auf der indonesischen Insel Sumatra soll der Wald aus dem REDD-Programm geschützt werden. Doch das heutige Bild im Schutzgebiet Hutan Harapan ist traurig. Ein Anwohner berichtet, dass der Wald großflächig vernichtet wurde: „Hier war ein Flammenmeer.“

Was entsteht stattessen? Palmölplantagen. Und die speichern viel weniger CO2 als Regenwald. Bringen aber mehr Geld, als die von Deutschland in Aussicht gestellte Entschädigung. Viele Tropenstaaten verzichten lieber auf das Geld und den Deal mit Deutschland, hat Dr. Axel Michaelowa von Perspectives Climate Group aus Freiburg im Breisgau in Baden-Württemberg festgestellt.

Dr. Axel Michaelowa, Gründer der Beratungsagentur Perspectives Climate Group aus Freiburg im Breisgau in Baden-Württemberg © climateteams.org
Dr. Axel Michaelowa, Gründer der Beratungsagentur Perspectives Climate Group aus Freiburg im Breisgau in Baden-Württemberg © climateteams.org

Der Experte für internationale Klimapolitik hat eine gründliche Studie für die Bundesregierung erstellt. Darin hat er deutsche Waldschutzprojekte in Indonesien und weltweit untersucht.

PANORAMA: „Wenn man die Reduktion von CO2 als Maßstab des Erfolges nimmt, haben dann diese Projekte Erfolg gehabt?“

Dr. Axel Michaelowa: „Wie wir in dem Gutachten geschrieben haben, haben sie nur in sehr geringem Maße diesen Erfolg gehabt.“

Trotz des Engagements Deutschlands und anderer Industriestaaten: Von 2000 bis 2020 ist der Regenwald genau wie zuvor geschrumpft. Der Regenwald-Verlust betrug laut science.org in diesen 10 Jahren: 2,19 Millionen Quadratkilometer. Rund sechs Mal die Fläche Deutschlands.

Die Bestandsaufnahme ist erschreckend

Von mehreren Seiten wird der Tropenwald, in dem noch einige OrangUtans und Tiger leben, buchstäblich angefressen. Auf abgebrannten Flächen werden kleine Ölpalmen gepflanzt. Palmölplantagen, die billiges Öl für die Lebensmittelindustrie und „nachhaltigen Sprit“ für den Tank produzieren, bestimmen inzwischen das Landschaftsbild auf Sumatra und Borneo.

Ölpalmen-Plantage, Sabah, Borneo © WWF
Ölpalmen-Plantage, Sabah, Borneo © WWF

Der Ertrag der Plantagen geht weitgehend in den Export – nach China, Indien und natürlich nach Europa.

Durch Palmöl im Diesel sollte CO2 eingespart und so die Klimabilanz aufgebessert werden. Doch weil immer mehr Regenwald den Palmölplantagen weichen muss, entsteht ein gegenteiliger Effekt.

Als Treibstoffbeimischung für den Diesel soll die Einfuhr nach Deutschland zwar ab 2023 gestoppt werden, aber die Lebensmittelindustrie wird den billigen Grundstoff weiter beziehen.

Weiterer Schwerpunkt der deutschen Waldschutzpolitik: Brasilien

Im stark bewaldeten Bundesstaat Acre im Amazonas-Becken hat die Bundesregierung jahrelang beim Waldschutz geholfen. Von 2012 bis 2017. Weil es bis dahin erfolgreich war, hat die Bundesregierung 25 Millionen Euro Erfolgsprämie ausbezahlt an Brasilien. Aber wie sieht es in Acre seitdem aus? Vier Jahre sind seit Auslaufen des deutschen Projekts vergangen.

Angela Mendes, Umweltaktivistin in Brasilien, berichtet aktuell: „Die Waldzerstörung nahm zu. Und die Zahl der Viehweiden auch. Die Abholzung hat hier vor allem das Ziel, die Viehwirtschaft auszuweiten.“

Das deutsche Projekt ist ausgelaufen. Die Befristung der Hilfe hat vielleicht Geld erstmal gespart, aber wenn der Wald danach gerodet wird, war alles umsonst.

Auf Anfrage teilte die Brasilianische Botschaft in Berlin mit, dass Brasilien den Kampf gegen die Entwaldung im Amazonas verstärken wolle. Bis 2025 wolle man den Umfang der Abholzung „halbieren“. Der Holzeinschlag gehe teils auf „illegale Aktivitäten“ zurück.

Das Problem sei die fehlende „Dauerhaftigkeit“ eines Erfolgs, kommentierte Experte Michaelowa. Gegen einen Klimaleugner wie Machthaber Jair Bolsonaro ist eben, solange es kein verbindliches internationales Vertragswerk für den Waldschutz gibt, kein Kraut gewachsen.

Dr. Axel Michaelowa: „Ja, das ist eben genau das Problem bei allen Projekten und Aktivitäten, die einen CO2-Speicher schützen. Es ist eben entscheidend, diese Langzeitstabilität sicherzustellen. Wenn das nicht gelingt, dann ist es ein Strohfeuer.“

Michael Krake, zuständiger Abteilungsleiter beim Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ): „Na ja, wir haben ja kein positives Fazit beim internationalen Waldschutz insgesamt. Denn die Entwaldung schreitet ja voran. Da sind nach wie vor enorme Herausforderungen, die nicht gelöst sind.“

Schutzprogramme sind Palmölindustrie nicht ebenbürtig

Als Hauptursache für den bisherigen Misserfolg nennt Dr. Michaelowa die Tatsache, dass die Schutzprogramme den wirtschaftlichen Interessen etwa der Palmöl- und Kohleindustrie in Südostasien oder der Vieh- und Futtermittelwirtschaft in Südamerika nichts Ebenbürtiges entgegengesetzt haben. „Diese Treiber der Entwaldung, also die landwirtschaftlichen Interessen, die Bergbauinteressen, die werden natürlich nicht durch die Zahlung von einigen Euro pro Tonne CO2 daran gehindert, den Wald abzuholzen,“ sagt der Experte.

Im politischen Prozess von Staaten wie Indonesien oder Brasilien sei die Rolle von Akteuren, die den Wald schützen wollen, „eher gering“. Der europäischen und deutschen Politik fehle es an Konsequenz.

„Es stimmt, dass es die Projekte bisher allein nicht geschafft haben, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren in dem Maße wie wir uns das wünschen,“ räumt Abteilungsleiter Krake aus dem Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit ein.

Die bisherigen Programme seien nicht ausreichend, aber man befinde sich „auf dem richtigen Weg“. Der Grundgedanke, dem Wald einen Wert zu geben und andere Länder für das Nicht-Antasten der Kohlenstoffspeicher zu entschädigen, sei richtig.

Deutschland messe dem Erhalt gerade der tropischen Wälder eine große Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel bei, so Krake. Allein seit 2015 habe das BMZ mehr als zwei Milliarden Euro in Programme zum Schutz und zur Wiederherstellung von Wäldern fließen lassen. Aktuell habe das Ministerium sein Engagement im Kongo-Regenwald verstärkt, ergänzt das BMZ.

Das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit hat aber nun auch andere Sorgen. Ob es unter der neuen Regierung weiterbestehen oder einem anderen, etwa dem Umwelt- oder Wirtschaftsministerium oder dem Auswärtigen Amt eingegliedert wird, ist gerade Gegenstand erregter Diskussionen vor und hinter den Kulissen.

Experten-Lösungsvorschlag: CO2-Abgabe auf Rindfleisch, Sojafutter und Palmöl

Auf Produkte, die aus der Entwaldung gewonnen werden, wie Rindfleisch, Sojafutter und Palmöl, müsste eine CO2-Abgabe erhoben werden, meint Michaelowa, der die Beratungsagentur „Perspectives Climate Group“ gegründet hat. Aber dazu seien die europäischen Regierungen bislang nicht bereit gewesen. Die Handelsverträge mit den Tropenstaaten seien diesbezüglich zahnlos.

Oder Importverbote, schlug PANORAMA-Zuschauer Spunk am 12. November 2021 in seinem Kommentar vor: „Das Ganze ist doch rausgeschmissenes Geld. Was helfen würde sind Importverbote für Palmöl, Soja Rindfleisch und andere Produkte aus den entsprechenden Ländern.“

Palmöl-Check: Die Bilanz des WWF ist ernüchternd
Palmnüsse © Karine Aigner  / WWF USA
Palmnüsse © Karine Aigner  / WWF USA

Für die Palmöl-Scorecard 2021 wurden durch gemeinnützige Welt-Naturstiftung WWF aus Gland in der Schweiz (die WWF Deutschland sitzt in Berlin Mitte) weltweit 227 große Einzelhändler, Hersteller und Unternehmen des Gastgewerbes aus 24 Ländern befragt. Die Bilanz ist ernüchternd: Trotz zahlreicher Zusagen der großen Markenhersteller und Supermarktketten, bis 2020 Naturzerstörung aus ihren Palmöl-Lieferketten zu beseitigen, hält sich die große Mehrheit nicht an ihre Versprechungen.

Die Hälfte aller Befragten nutzt außerdem immer noch nicht zu 100 Prozent RSPO-zertifiziertes Palmöl, obwohl es seit Jahren verfügbar ist. Der im Jahr 2004 auf Initiative des WWF gegründete Roundtable on Sustainable Palm Oil in Zürich in der Schweiz (RSPO; englisch für ‚Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl‘) verbietet die Abholzung von Primär- und Wäldern mit besonderem Schutzwert (sogenanntem High Conservation Value Forest).

Die Scorecard 2021 zeigt auch, dass sich eine große Zahl von Unternehmen weiterhin jeglicher Verantwortung und Rechenschaftspflicht entzieht: Mehr als ein Drittel (85) der 227 vom WWF angesprochenen Unternehmen hat keinerlei Informationen über ihre Palmöl-Nutzung und ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zur Verfügung gestellt.

Den europäischen Urwald nicht vergessen

Aber auch den europäischen Urwald muss man schützen, mahnt Jürgen Uhlig-Schoenian am 11. November 2021 in seinem Zuschauerkommentar an: „Vielleicht sollten die Millionen besser in den europäischen Urwald investiert werden, der ebenfalls seit Jahren in Gefahr ist: Wie die Holzmafia in Rumänien wütet und dabei Millionen verdient. Oder: Ikea-Möbel mit Holz aus schützenswerten Wäldern in Rumänien und der Ukraine.“ (FM)