Immer wieder wechseln Politiker nach ihrer Amtszeit in die Wirtschaft.

Reicht die Karenzzeit von derzeit ein bis maximal anderthalb Jahren aus, die die Regierung verhängen kann, wenn Politiker nicht in den öffentlichen Dienst treten, sondern in die Privatwirtschaft wechseln und dort möglicherweise gegen öffentliche Interessen verstoßen?

Die Transparenzaktivisten Abgeordnetenwatch.de und LobbyControl fordern eine Verdoppelung der gesetzlichen Karenzzeit zwischen Amt und Privatwirtschaft.

Eine vom SPIEGEL durchgeführte Auswertung von Lebensläufen ehemaliger Kanzler und Bundesminister ergab, dass immer mehr Politiker kurz nach Ende ihrer Amtszeit in die Wirtschaft wechseln und sich damit möglichen Interessenkonflikten aussetzen.

Jüngstes prominentes Beispiel: Sigmar Gabriel – Karenzzeit 16 Monate

Lobbyierte 2020 bereits anderthalb Jahre nach seinem Kabinettausscheiden bei seiner alten Chefin für die Deutsche Bank: Ex-Bundeswirtschaftsminister (2013-2017) und Ex-Bundesaußenminister sowie Ex-Bundesvizekanzler (2017-2018) Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 23. Januar 2014 zum Abschluss einer Kabinetts-Klausurtagung auf Schloss Meseberg, 60 Kilometer nördlich von Berlin ©  Bundesregierung/Denzel
Lobbyierte 2020 bereits fast anderthalb Jahre nach seinem Kabinettausscheiden bei seiner alten Chefin für die Deutsche Bank: Ex-Bundeswirtschaftsminister (2013-2017) und Ex-Bundesaußenminister sowie Ex-Bundesvizekanzler (beides 2017-2018) Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 23. Januar 2014 zum Abschluss einer Kabinetts-Klausurtagung auf Schloss Meseberg, 60 Kilometer nördlich von Berlin ©  Bundesregierung/Denzel

Der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel (62) aus Goslar im niedersächsischen Harz war zuletzt bis November 2018 Vizekanzler und Bundesaußenminister, wechselte im März 2020 nach nur 16 Monaten in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank.

Interne Regierungsdokumente, die abgeordnetenwatch.de und ZEIT ONLINE über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten haben, belegen nun erstmals, dass der ehemalige Vizekanzler im April 2020 im Interesse der Deutschen Bank bei Angela Merkel (67, CDU, seit 2005 deutsche Bundeskanzlerin) lobbyierte. Um der Kreditwirtschaft in der Corona-Pandemie zu helfen, sollte Merkel sich auf EU-Ebene für die Aussetzung der Bankenabgabe engagieren. „Die heutige Eurogruppen-Sitzung könnte ein guter Anlass sein, diesen Weg zu prüfen“, empfahl Gabriel in seiner Mail vom 9. April. Als Argumentationshilfe für die Kanzlerin hatte er ein Ideenpapier der Deutschen Bank beigefügt. „Ich finde die Idee verantwortbar und hilfreich“, so Gabriel.

Erstaunlich ist Gabriels Einsatz für die Deutsche Bank auch deshalb, weil er eine Tätigkeit als Lobbyist in der Vergangenheit ausgeschlossen hatte. Kurz nach seinem Ausscheiden als Außenminister und Vizekanzler im März 2018 hatte er gegenüber „Bild“ erklärt: „Man soll nicht an Türen klopfen, hinter denen man selbst mal gesessen hat.“

Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de aus Hamburg fordert eine Karenzzeit von drei Jahren und warf dem ehemaligen Vizekanzler vor, nun werde „sein Adressbuch an die Deutsche Bank versilbert, das er nur als Vertreter des Volkes so prall füllen konnte“.

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, sagte dem Tagesspiegel, der Wechsel sei „das falsche Signal zur falschen Zeit“.

Gabriel wurde 16 Monate nach seinem Kabinettaustritt am 1. März 2020 Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG in Frankfurt am Main

Alt-Vize-Bundeskanzler Sigmar Gabriel (44, SPD) © Pressefoto Sigmar Gabriel, Fotograf Maurice Weiss
Alt-Vize-Bundeskanzler Sigmar Gabriel (44, SPD) © Pressefoto Sigmar Gabriel, Fotograf Maurice Weiss

Im Integrationsausschuss der Deutschen Bank AG nickt Gabriel nun die Vorstandsgehälter des DAX-Konzerns ab. Er selbst erhielt für das Dreivierteljahr Mitarbeit im Jahr 2020 von der Deutschen Bank AG 167.000 Euro plus 3.681 virtuelle Aktien. Als Bundesminister hatte Gabriel rund 180.423 Euro im ganzen Jahr verdient.

Die Moral bleibt wohl auf der Strecke

Der Sozialdemokrat Gabriel, der über die sozialistische Jugendorganisation „Die Falken“ zur SPD kam, trägt nun als Aufsichtsrat auch einen gigantischen Stellenabbau mit.

Um die Rendite für die Aktionäre zu verbessern, plant die Deutsche Bank laut ihrem Faktenblatt für Journalisten bis 2022 einen Stellenabbau um rund 18.000 auf etwa 74.000 Vollzeitstellen.

Die Öffentlichkeit wolle, verteidigte sich Gabriel im Januar 2020 in der BILD am Sonntag, dass Spitzenpolitiker weder vorzeitige Pensionen beziehen, noch zu Lobbyisten werden. „Was denn dann?“, gibt er zu bedenken.

Auch LobbyControl fordert: Karenzzeit auf 3 Jahre ausweiten
Timo Lange vom Verein LobbyControl in Berlin © Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn
Timo Lange vom Verein LobbyControl in Berlin © Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn

Der Politikwissenschaftler Timo Lange, Campaigner bei der Initiative LobbyControl in Berlin, sagte im Leipziger Podcast detektor.fm:  „Herrn Gabriel muss bewusst sein, dass der Wechsel für die SPD, aber auch für die Politik insgesamt, problematisch ist.“

Lange zur Karenzzeit: „Also wir sagen, 3 Jahre wären da eigentlich angemessen. Das ist so ein Zeitraum, wo man sagen kann, das ist deutlich unattraktiver, die Leute schon im Amt anzuwerben und anzusprechen. Wenn nach 3 Jahren einige Zeit vergangen ist, kann man auch davon ausgehen, dass die Kontakte, das Netzwerk und auch das Insiderwissen tatsächlich abgekühlt sind.“

„Ein Stück weit bleibt immer noch die persönliche politische Verantwortung“

Lange zu Gabriel: „Bei Herrn Gabriel liegen 2 Jahre dazwischen. Nichtsdestotrotz ist er in der SPD als so langjähriger Minister und SPD-Vorsitzender natürlich noch immer extrem gut vernetzt. Und da zeigt sich die Problematik, dass man mit einer Karenzzeit von 3 Jahren auch nicht alle Problematik entnehmen wird können. Ein Stück weit bleibt immer noch die persönliche politische Verantwortung unserer Politiker hier im Fokus. Wo man auch sagen kann: Hier hat man einen Anspruch von Integrität und auch eine politische Wirkung. Hier muss man sich dann fragen: Wie wirkt das denn, wenn ein so langjähriger SPD-Vorsitzender und langjähriger hochrangiger Minister zur Deutschen Bank wechselt?“

Gabriel fiel auch als Berater von Fleischproduzent Tönnies auf

Anfang des vergangenen Jahres sorgte Gabriel für Aufsehen, als bekannt wurde, dass er für den umstrittenen Fleischproduzenten Tönnies als Berater tätig war.

Während Gabriel im Amt war, hatte er die schlechten Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft selbst noch kritisiert. Zusammen mit Tönnies und weiteren Fleischkonzernen hatte er eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Einhaltung sozialer Standards eingeführt, die sich als Papiertiger herausstellte. Von Tönnies wurde er im März 2020 mit einem lukrativen Beraterjob belohnt.

Ab 2015 gibt es in Deutschland die Karenzzeit

Für den Wechsel von Politik in die Privatwirtschaft gibt es seit 2015 Karenzzeit-Regeln (Bundesministergesetz § 6a und b, Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre § 7) , die bei Interessenkonflikten den Wechsel von lediglich einem bis maximal anderthalb Jahren untersagen können – wobei den Politikern in dem Untersagungsfall auch noch ein Ausfallgeld zu zahlen ist.

Die Wechsel sind immer wieder umstritten. Was dürfen Politikerinnen und Politiker nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn?

Gabriel wollte eigentlich bei einer polnischen Oligarchen-Familie unterkommen

Sigmar Gabriel wollte nach dem Ende seiner Regierungs-Amtszeit im März 2018 nicht in ein öffentliches Lehramt, was er studiert hat.

Er wollte – wie so viele andere Politiker vor ihm auch – schnellstens in die lukrative Privatwirtschaft wechseln.

Dabei wollte es Gabriel so machen wie sein SPD-Parteigenosse Alt-Bundeskanzler und Angela-Merkel-Vorgänger  Gerhard Schröder (77, Berlin, Hannover, Seoul), der in Russland gut unterkam.

Gabriel wollte bei der polnischen Oligarchen-Familie Kulczyk anheuern. Schröder zeigte im September 2018, also ein halbes Jahr nach seiner Amtszeit, dem Kanzleramt in Berlin an, dass er in den Aufsichtsrat der Kulczyk Holding SA mit Steuersitz in Luxemburg wechseln möchte.

 Jan Kulczyk (1950 Bydgoszcz – 2015 Wien) gründete 2007 in Luxemburg seine Kulczyk Holding SA, bei der Sigmar Gabriel im September 2018 als Aufsichtsrat anheuern wollte, was ihm die Bundesregierung für 12 Monate untersagte ©  Kulczyk Oel Ventures

Jan Kulczyk (1950 Bydgoszcz – 2015 Wien) gründete 2007 in Luxemburg seine Kulczyk Holding SA, bei der Sigmar Gabriel im September 2018 als Aufsichtsrat anheuern wollte, was ihm die Bundesregierung für 12 Monate untersagte ©  Kulczyk Oel Ventures

Der Gründer und Leiter des Ölerkundungs- und Atomstromhandelskonzerns Jan Kulczik, der 2015 bei einer Herz-OP in Wien im Alter von 65 Jahren starb, galt mit einem Privatvermögen von 3,64 Milliarden Euro als reichster Pole.

Doch diesen Wechsel aus der Politik in den Konzern untersagte die Bundesregierung dem Ex-Amtsträger Gabriel für den Zeitraum von 12 Monaten. Begründung: Es würden durch diese Tätigkeiten „öffentliche Interessen“ im Sinne des Bundesministergesetzes § 6b beeinträchtigt.

„Schamlos“ nannte der Kieler Linken-Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin (43, Historiker) die Pläne von Gabriel.

Noch in seiner Amtszeit als Bundesumweltminister (November 2005 bis Oktober 2009) habe sich Gabriel vor abschmelzenden Arktisgletschern als Klimaretter inszeniert – nach Ausscheiden aus der Bundesregierung im März 2018 habe er für ein Unternehmen arbeiten wollen, das „seinen Reichtum mit Investitionen in Kohleförderung und Kohlekraftwerke macht“, sagte Beutin.

Gabriel: Gespräche mit Kulczyk Holding selbst abgebrochen

Der Kulczyk-Konzern sei die Firma eines Multi-Milliardärs, erklärte Beutin dem Berliner Tagesspiegel  – „eine Firma in Familienbesitz, die durch den Ausverkauf polnischen Staatseigentums zu Geld gekommen ist, und ihre Milliarden an Fiskus und Allgemeinheit vorbei schummelt, weil sie ihren Firmensitz im Steuerschlupfloch Luxemburg hat“. Der Linken-Politiker meint, Gabriel gebe so „ein Bild der Käuflichkeit ab“ und schade dem Ansehen der Demokratie und ihrer Vertreter.

Gabriel sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe die Gespräche über einen Einstieg bei der Kulczyk Holding von sich aus nach dem Erstkontakt abgebrochen, weil ihm deren Vertreter „unseriös“ vorgekommen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei das Prüfverfahren der Bundesregierung aber bereits angelaufen – denn er habe sich „strikt“ an die Regelung gehalten und der Regierung bereits bei Beginn der Gespräche mit dem Unternehmen Meldung erstattet. Das Prüfverfahren sei dann weitergegangen, obwohl der „ursprüngliche Anlass“ entfallen sei.

Schröder hingegen musste 2005 noch nicht das Kanzleramt um Erlaubnis fragen
Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (links) und der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Juni 2003 bei bilateralen Gesprächen in Russland ©  Kremlin.ru/events/president/news vom 1. Juni 2003
Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (links) und der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Juni 2003 bei bilateralen Gesprächen in Russland ©  Kremlin.ru/events/president/news vom 1. Juni 2003

Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wechselte 2005, also noch im selben Jahr seines Politiker-Abgangs, zu Gazprom und wurde Aufsichtsrat von deren Tochter Nord Stream AG in der Schweiz, obwohl er als Kanzler mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69, Russische Förderation) die Ostsee-Pipeline vorbereitet hatte.

Bei Schröder galt noch nicht die erst 2015 eingeführte Karenzzeit von 18 Monaten, in der Politiker beim Wechsel in die Privatwirtschaft die Bundesregierung um Erlaubnis bitten müssen.

Schröder konnte 2005 sofort schamlos in den Aufsichtsrat der Nord Stream AG in der Schweiz wechseln, einer mehrheitlichen Tochter von Gazprom aus Sankt Petersburg, die letztlich von Staatspräsident Wladimir Putin kontrolliert wird. Ebenso in den Aufsichtsrat von Rosneft in Moskau. Geschäftsführer des Ölkonzerns ist Igor Setschin, ehemaliger stellvertretender Leiter der Präsidialadministration unter Wladimir Putin.

Sein Wechsel kurz nach dem Ende seiner Kanzlerschaft hatte dem SPD-Politiker viel Kritik eingebracht, zumal er, wie bereits erwähnt, gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zuvor den Weg für den Bau der Ostsee-Pipeline frei gemacht hatte.

Der vergiftete russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat in einem Interview mit „Bild“ im Oktober 2020 den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder scharf kritisiert. Er nannte den Altkanzler „Laufbursche Putins“ und glaubt an verdeckte Zahlungen.

Der Fälle Gabriel und Schröder reihen sich ein in die Liste der „Drehtüren“ zwischen politischem Betrieb und Privatwirtschaft

Die Liste der Spitzenpolitiker– und Politikerinnen, die nach ihrer politischen Karriere zu großen Konzernen gewechselt sind, ist lang.

Hier noch ein paar Beispiele.

Hannelore Kraft (60, SPD) wechselte von der NRW-Ministerpräsidentin nach nur 1 Jahr zum Steinkohlekonzern RAG © SPD NRW
Hannelore Kraft (60, SPD) wechselte von der NRW-Ministerpräsidentin nach nur 1 Jahr Karenzzeit zum Steinkohlekonzern RAG © SPD NRW

Hannelore Kraft (60, SPD) war bis Mitte 2017 Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Ein halbes Jahr später wurde die SPD-Politikerin Mitglied im Aufsichtsrat des Steinkohlekonzerns RAG.

Ronald Pofalla (62) verabschiedete sich 2013 als Kanzleramtsminister. Anfang 2015 wurde der CDU-Mann in der Chefetage der Deutschen Bahn AG zuständig für politische und internationale Beziehungen und ab 2017 Vorstand für Infrastruktur.

► Ende 2013 endete die Amtszeit des FDP-Politikers Daniel Bahr (45) als Gesundheitsminister. Im Jahr darauf dockte er beim Allianz-Konzern in hervorgehobener Position an, er kümmert sich um den Bereich „Private Krankenversicherung“.

► Zwar kein Bundesminister, aber immerhin Bayerischer Verkehrs- und Wirtschaftsminister war Otto Wiesheu (77, CSU) bis 2005, im Januar 2006 wurde er Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn.

► Im Fall des früheren Bundesinnenministers (1998-2005) Rechtsanwalt Otto Schily (89, SPD) aus Bochum gibt es Belege, die zeigen, wie problematisch auch in diesem Fall der Übergang von Politik zu Wirtschaft war.

Otto Schily (89, SPD), Bundesinnenminister von 1998-2005 © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn
Otto Schily (89, SPD), Bundesinnenminister von 1998-2005 © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn

Schily hatte sich 2006 an der inzwischen insolventen Sicherheitsfirma Safe ID Solutions AG aus Unterhaching beteiligt und war zuletzt deren Aufsichtsratsvorsitzender. Der Geschäftszweck des Unternehmens war unter anderem die Herstellung von elektronischen Pass-Systemen – also genau jener Bereich, den Schily als Innenminister vorangetrieben hatte.

Nach Angaben von Ex-Chef Karsten Neugebauer war der Sozialdemokrat als „Türöffner“ tätig. Schily selbst sagte, eine seiner Firmen habe bei der „Herstellung von Kontakten“ und der „Anbahnung von Verträgen“ geholfen. Für einen Millionenauftrag im Irak wurde der Schily-Firma eine Provision von der Safe ID zugesagt. Davon wurden nach Schilys eigenen Angaben 89.000 Euro tatsächlich ausgezahlt.

Inzwischen ermittelte die Staatsanwaltschaft München I gegen den früheren Firmenchef Neugebauer wegen des Verdachts auf Betrug. Dabei ging es auch um die Frage, ob in einem Fall ein noch unsicherer Auftrag gegenüber möglichen Anlegern als sicher dargestellt wurde, um neue Gelder einzuwerben.

Brandenburgs Ex-Wirtschaftsminister und die Odersun AG
Wahlplakat zur Landtagswahl 2004 in Brandenburg © CDU Frankfurt/Oder
Wahlplakat zur Landtagswahl 2004 in Brandenburg © CDU Frankfurt/Oder

► In Brandenburg gründete Ex-Vize-Ministerpräsident (2007-2008) und Ex-Wirtschaftsminister (2002-2009) Ulrich Junghanns (65, CDU, Diplom-Staatswissenschaftler) aus Frankfurt an der Oder wenige Monate nach seinem Ausscheiden aus dem rot-schwarzen Kabinett im Januar 2010 eine private Consulting- Firma.

Bald darauf schloss der Politiker einen Beratervertrag mit dem Solarunternehmen Odersun AG aus Frankfurt (Oder) ab, das in seiner Amtszeit von 2002 bis 2009 mit insgesamt 13,4 Millionen Euro gefördert worden war. Wie Junghanns gegenüber dem SPIEGEL einräumte, beriet er Odersun bis Anfang 2012 zu „Rahmenbedingungen des Solarmarktes und zur Firmenfinanzierung“.

Wiederholt habe er dabei auch sein altes Ministerium aufgesucht und mit seinem Nachfolger Ralf Christoffers (Die Linke) über die Probleme des Unternehmens gesprochen. Nach eigenen Angaben half Junghanns Odersun unter anderem bei der erfolgreichen Beantragung von Landesbürgschaften zur Absicherung von Krediten in Höhe von zehn Millionen Euro sowie einer „Rettungsbeihilfe“ in Höhe von drei Millionen Euro, die im Februar an Odersun gezahlt wurde. Gleichwohl ging das Solarunternehmen im März in die Insolvenz. Einen Interessenkonflikt zwischen seinem Ministeramt und dem später abgeschlossenen Beratervertrag wollte Junghanns auf Anfrage nicht erkennen.

Keine Sanktionen

Da es in Deutschland keine Berufspolitiker gibt, ist ein neuer Job unumgänglich, nachdem die politische Karriere beendet ist. Für den Wechsel gibt es zwar bestimmte Regeln, allerdings keine Sanktionen, wenn diese nicht eingehalten werden. (FM)