Putins Goldschatz liegt in ihren Händen. Die Finanz-Hoffnung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin (69) liegt voll und ganz auf seiner langjährigen Präsidentenberaterin, der Tatarin Elvira Nabiullina (58).

Im März 2022, mitten in den Sanktionen gegen Russland wegen seines Ukraine-Krieges, der am 24. Februar 2022 begann, ernannte  Putin die aus Ufa in der Republik Baschkortosan stammende Nabiullina für eine dritte Amtszeit als Notenbankchefin der russischen Zentralbank (Bank of Russia) in Moskau.

Elvira Nabiullina (58), Notenbankchefin der russischen Zentralbank in Russland © Pressefoto Kremlin.ru

Elvira Nabiullina (58), Notenbankchefin der russischen Zentralbank in Russland © Pressefoto Kremlin.ru

Rund die Hälfte der insgesamt etwa 600 Milliarden Dollar schweren Devisenreserven sind für Russlands Zentralbank aufgrund der westlichen Sanktionen nicht mehr zugänglich. Dagegen ist die Goldreserve in den eigenen Tresoren im Wert von 140 Milliarden Dollar (129,26 Milliarden Euro) vor ausländischem Zugriff geschützt – und dennoch ist Putins Goldschatz weitgehend nutzlos.

Russlands Präsident Wladimir Putin (69) ernannte im März 2022 die seit 2013 amtierende Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina (58) erneut für eine weiter Amtszeit von 4 Jahren © Pressefoto Kremlin.ru

Russlands Präsident Wladimir Putin (69) ernannte im März 2022 die seit 2013 amtierende Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina (58) erneut für eine weiter Amtszeit von 4 Jahren und damit zur Herrscherin über Putins Goldschatz © Pressefoto Kremlin.ru

Putins drängendstes Problem: Wie verwandelt man den russischen Goldschatz in Devisen, um zum Beispiel den Ukraine-Krieg zu bezahlen?

Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin (Lomonossow Universität Moskau) sitzt in Moskau auf einem Goldschatz, der inzwischen auf 2.298,5 Tonnen angewachsen ist. Zum Vergleich: Deutschlands Goldreserven bei der Bundesbank betragen laut der Londoner Branchenvereinigung World Gold Council zur selben Zeit (Stand Januar 2022) 3.359,1 Tonnen Gold. Die US-Notenbank Fed verfügt über den mit Abstand größten Goldschatz der Welt in Höhe von 8.133,5 Tonnen.

Putins Goldschatz – fünfmal so groß wie von Zar Nikolaus II.

Hatte weniger Gold als Putin: Zar Nikolaus II. (1868-1918), letzter Zar des Russischen Reiches © redbubble.com

Hatte weniger Gold als Putin: Zar Nikolaus II. (1868-1918), letzter Zar des Russischen Reiches © redbubble.com

Putins Goldschatz ist damit fast fünfmal so groß wie das sagenumwobene Zarengold von Nikolaus II., dem letzten Zaren des Russischen Reiches, geboren 1868 im Alexanderpalast in Putins Geburtsstadt Sankt Petersburg, ermordet 1918 in Jekaterinburg im Ural. Die Spur des Zarengoldes verlor sich 1919 irgendwo am Baikalsee.

Die heutigen russischen riesigen Goldreserven wurden in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut und sollten eine Art wirtschaftliche Versicherungspolice für das Land darstellen. Noch 2007 verfügte die russische Zentralbank nur über rund 400 Tonnen Gold.

Rechnerisch kaufte der Kreml also jeden Monat etwa 10 Tonnen Gold, allein seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 waren es 1.000 Tonnen, die jetzt in Hochsicherheitstresoren in Sankt Petersburg und Moskau lagern. Ähnlich wie in China (Goldreserven von aktuell 1.948,3 Tonnen, noch vor der Schweiz mit 1.040 Tonnen Gold) wurde als Grund genannt, dass man sich von Devisenreserven in Dollar unabhängiger machen wolle – eine Vorbereitung also genau für Fälle wie diesen.

Doch wie beim Öl machen es die Sanktionen Russland unglaublich schwer, den Wert seiner Bestände nun zu realisieren. Dabei war genau das der Plan.

Russlands Goldschatz gilt als weitgehend unverkäuflich

Durch die Sanktionen ist Russland von den wichtigsten Goldhandelsplätzen ausgeschlossen. Die Londoner Edelmetallbörse Bullion Market hat russisches Gold aus dem Handel verbannt, und auch Amerika setzte es unter Embargo.

Der Londoner Goldmarktplatz ist in der Branche das wichtigste Handelszentrum. Dort sind seit Mitte März 2022 jegliche Barren russischer Herkunft verboten. Und auch der US-Senat hat ein Gesetz entworfen, welches den amerikanischen Bürgern alle Transaktionen mit russischem Gold verbietet.

Britische, EU- und US-Institutionen dürfen laut Sanktionsbeschlüssen überhaupt keine Geschäfte mit der russischen Notenbank machen.

Wie Bloomberg berichtet, lassen allerdings auch Goldhändler und Banken in anderen Ländern lieber die Finger von russischem Gold, zum einem, da dies auf westlichen Märkten kaum noch weiterverkäuflich ist und zum anderen aus Angst vor sogenannten Sekundärsanktionen.

Im US-Senat ist bereits ein Antrag auf eine solche Strafmaßnahme gegen alle Käufer und Verkäufer russischen Goldes, in welchem Land auch immer, anhängig.

Der internationale Markt kann große Mengen kaum aufnehmen

Theoretisch bleiben der Zentralbank noch Auswege, ihr Gold einzusetzen. So könnte sie versuchen, es an andere Notenbanken zu verkaufen. Wie Russland haben auch andere Länder in den vergangenen Jahren den Goldanteil ihrer Reserven aufgestockt und könnten Interesse an weiteren Zukäufen haben.

Indien etwa oder China werden in Medienberichten immer wieder genannt. Größere Mengen Gold würden sie Russland derzeit aber wohl nur mit einem erheblichen Preisnachlass abnehmen.

Darauf, dass es selbst ohne Sanktionen schwierig wäre, einen Goldschatz wie den russischen zur Stabilisierung der Währung einzusetzen, weist Währungsexperte Florian Kern vom Münchener Thinktank Dezernat Zukunft hin. Der globale Goldmarkt sei nicht liquide genug, um einen signifikanten Teil der fast 2.300 Tonnen russischen Goldes aufzunehmen, schreibt Kern bei Twitter. Ein Preissturz wäre wohl die Folge. Es würde sich herausstellen, dass der Wert dieses Schatzes von 140 Milliarden Dollar auf dem Papier zusammenschmilzt, wenn er tatsächlich gebraucht würde.

Auch das Gold aus russischen Goldminen ist auf dem Weltmarkt weitgehend unverkäuflich
Gold von der börsennotierten Polyus, Russlands größtem Goldminen-Betreiber © Pressefoto auf twitter.com/PAO_Polyus_int am 18. Juni 2021

Gold von der börsennotierten Polyus, Russlands größtem Goldminen-Betreiber, aus Moskau © Pressefoto auf twitter.com/PAO_Polyus_int am 18. Juni 2021

Russland gehört nach China und Australien zu den größten Goldförderländern der Welt. In der Vergangenheit musste die russische Zentralbank deshalb zur Aufstockung ihrer Vorräte nicht unbedingt am Weltmarkt zu den dortigen Preisen kaufen.

Die Bank of Russia kaufte sehr viel Gold für ihre Währungsreserven von den Goldminen des Landes. Laut den jüngsten Schätzungen des U.S. Geological Survey (USGS) haben russische Bergbaubetriebe im vergangenen Jahr 311 Tonnen Gold produziert. Die Goldreserven Russlands sind im gleichen Zeitraum um 158 Tonnen angestiegen.

Jetzt taucht die Schwierigkeit auf, wohin die russischen Minen noch verkaufen sollen, wie Frank Schallenberger, Rohstoff-Fachmann der Bank LBBW, am 9. April 2022 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte.

Kein Goldstandard im Inland: Preis der Notenbank für den Goldankauf – aber kein Verkaufspreis

Am 25. März 2022 veröffentlichte die russische Zentralbank, dass sie für den Zeitraum vom 28. März bis 30. Juni Gold gegen Rubel kaufe, und zwar zu einem Festpreis von 5.000 Rubel (57,02 Euro) je Gramm Gold. Seit dem 8. April 2022 kauft die Zentralbank von den russischen Banken Gold zu einem Verhandlungspreis, wie sie am 7. April 2022 veröffentlichte.

Daraufhin machte in den sozialen Netzwerken die Spekulation die Runde, Russland binde seine Währung ans Gold und schaffe damit einen Goldstandard wie einst die Vereinigten Staaten im Währungssystem von Bretton Woods.

Das stellte sich aber als Gerücht heraus:

Die Notenbank kauft zwar Gold zu einem festen Preis und nun zu einem Verhandlungspreis in Rubel – sie bietet aber umgekehrt nicht die Möglichkeit, Gold zu einem festen Preis beziehungsweise Verhandlungspreis in Rubel zu erwerben. Das wäre für einen Goldstandard notwendig.

Die russische Notenbank begründete den Schritt damit, den „inländischen Edelmetallhandel ausgleichen“ und ein „Funktionieren der Goldproduktion ermöglichen“ zu wollen.

In Russland hatte mit dem Angriff auf die Ukraine und den Sanktionen ein regelrechter Ansturm von Privatleuten auf Goldbarren und -münzen eingesetzt, weil diese um die Zukunft des Rubels fürchteten. Der Wechselkurs des Rubels war zunächst eingebrochen, hatte sich dann aber, auch aufgrund unterschiedlicher Eingriffe, wieder etwas erholt. Mehr dazu lesen Sie auf Business Leaders hier.

Für einige Experten zeigt das russische Dilemma, dass Gold als Reservewährung für Zentralbanken stark überschätzt wurde, insbesondere in Russland. Die Zeit des „Gold-Fetischismus“ sei wohl vorüber, schreiben die Wirtschaftswissenschaftler Harold James und Brendan Greeley von der Uni Princeton in der „Financial Times“. Gold sei letztlich kein wertvoller Rohstoff, sondern ein Zahlungsmittel, dessen Wert allein von der Bereitschaft aller, es als solches zu akzeptieren, abhänge. Diese Bereitschaft ist im Falle der russischen Reserven eine politische Frage und ist damit beispielsweise auch von Sanktionen abhängig. (FM)