Reflation gewünscht – Chancen für Anleger – An den Märkten ist das Inflationsgespenst zurückgekehrt. Oder sollte man eher von Reflation sprechen? Darüber scheiden sich gerade die Geister. Tatsache ist: Seit über einem Jahrzehnt ist in weiten Teilen der Welt Inflation so gut wie nicht mehr vorhanden. Vielmehr sind es aus Sicht von Huber, Reuss & Kollegen Reflationstrades, die zu beobachten sind. Doch wo genau liegt der Unterschied?

Obwohl es sich bei beiden um einen Anstieg des Preisniveaus handelt, ist Reflation nicht mit Inflation gleichzusetzen. Von Letzterer spricht man, wenn aus einer »Normalsituation« heraus sich der Preisanstieg breit und dauerhaft beschleunigt. Es handelt sich um einen Preisanstieg über einen langfristigen Trend hinaus, der in dieser Form nicht gewünscht ist. Bildlich ausgedrückt kann man auch von einem »bösen« Preisdruck sprechen.

Reflation gewünscht – Chancen für Anleger
Reflation gewünscht – Chancen für Anleger

Reflation ist dagegen, wenn sich die Preise nach einer deflationären Phase (Preise unter ihrem langfristigen Trend) erholen, zum Beispiel nach einer Krise wie der COVID-19-Pandemie. Es geht dabei also um eine gewünschte Rückkehr zum Trend. Oder anders ausgedrückt: Reflation ist die Medizin gegen die von der Wirtschaftstheorie und den Zentralbanken als »schlecht« angesehene Deflation.

Reflation – Preisanstieg

Reflation hat somit auch wenig mit den in jüngster Zeit viel diskutierten Inflationserwartungen zu tun, da es sich bei diesen um längerfristig erwartete Preissteigerungen über den Trend hinaus handelt (quasi nach Abschluss einer Reflation). Zwar gibt es an den Märkten die Sorge, dass die massive expansive Fiskal- und Geldpolitik die Volkswirtschaften in einem seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen Ausmaß auf Inflationskurs gebracht hat. Doch dies ist aus unserer Sicht zu kurz gedacht. Die Pandemie hat die Trends der vergangenen Jahre, in denen aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums, der Demografie und der technologischen Beschleunigung keine Preiserhöhungen zu verzeichnen waren, nochmals verschärft. Daher ist davon auszugehen, dass nach der Reflation wieder der »Normalzustand« niedriger Inflationsraten eintreten wird.

Sind Aktien in einem Reflationsszenario attraktiv?

Grundsätzlich sollten in einem Reflationsszenario jene Vermögenswerte gekauft werden, die von einem schnelleren Wirtschaftswachstum, Preisdruck und höheren Renditen profitieren – also in erster Linie Aktien, Rohstoffe und inflationsgeschützte (Unternehmens-)Anleihen. Bei der Aktienselektion sind zyklische Sektoren wie Banken, Energieerzeuger und zyklische Konsumgüterproduzenten, zu denen auch Gesellschaften aus der Freizeitindustrie wie Kreuzfahrtunternehmen, Airlines oder Reisekonzerne gehören, zu bevorzugen. Auf der Anleiheseite sollten jene Strategien profitieren, die von einer Versteilung der Zinskurve profitieren, also einem wachsenden Spread zwischen kurz- und langfristigen Anleihen.

Verlierer eines solchen Szenarios sind neben Anleihen guter Qualität (insbesondere Staatsanleihen mit langer Laufzeit) auch hoch bewertete Wachstumsunternehmen wie zum Beispiel Technologiewerte. Zum einen bekommen sie »Konkurrenz« durch die jetzt stärker wachsenden zyklischen Unternehmen. Zum anderen leidet ihre Bewertung, weil zukünftige Gewinne mit einem höheren Zinssatz ab diskontiert werden und nun zum aktuellen Zeitpunkt weniger wert sind.

Wann funktionieren Reflationstrades?

Grundsätzlich funktionieren sie besonders gut in einer frühen Aufschwungphase nach einer Rezession, wenn also Wirtschaftswachstum und Preise deutlich und beschleunigt anziehen. Risiken für Reflationstrades bestehen vor allem in der unsicheren kurzfristigen Corona- Situation. So könnten die Virusmutationen aufgrund beschleunigter Neuinfektionen oder einer geringeren Wirksamkeit von Impfungen dazu führen, dass eine Rückkehr zum »normalen Leben« länger dauert als erwartet – und das damit verbundene kräftige Wirtschaftswachstum ebenfalls auf sich warten lässt. Auch Verzögerungen bei den Impfkampagnen stellen ein entsprechendes Risiko dar. Ein weiterer Faktor ist die Frage nach den Reaktionen der Politik. Schließlich könnte eine kräftige Wirtschaftserholung darin münden, dass viele Regierungen ihre expansive Fiskalpolitik überraschend schnell und stark zurückdrehen, sodass eine Erholung des Preisniveaus und somit ein wirtschaftlicher Aufschwung über die Maßen gebremst werden.

Aus Sicht von Huber, Reuss & Kollegen ist es unwahrscheinlich, dass die genannten Risiken den Aufschwung bremsen werden. Die Coronarisiken dürften sich dauerhaft nicht verfestigen und Diskussionen über ein (stärkeres) Zurückdrehen der expansiven Politikimpulse werden wohl erst später in der zweiten Jahreshälfte einsetzen.