Blockchain ist eine neue Technik, die auch den Ärmsten ermöglicht, Geld in alle Welt zu schicken. Auch ohne ein Bankkonto.

In Ungarn wurde dem Blockchain-Erfinder, von dem man bis heute nur seinen Künstlernamen Satoshi Nakamoto kennt, vor wenigen Tagen ein Denkmal gesetzt © Statueofsatoshi.com
In Ungarn wurde dem Erfinder der Blockchain, von dem man bis heute nur seinen Künstlernamen Satoshi Nakamoto kennt, vor wenigen Tagen ein Denkmal gesetzt © Statueofsatoshi.com

Diese Technik wurde zunächst für die digitale Währung Bitcoin entwickelt.

Beides war eine Antwort auf die geplatzte US-Immobilienblase und deren Höhepunkt – die Pleite der US-Großbank Lehman Brothers am 15. September 2008. Die erschütterte die globale Finanzwelt. Ziel von Blockchain und Bitcoin war ein Währungssystem ohne die Zentralbanken.

Das Ergebnis fällt heute nach 13 Jahre sehr unterschiedlich aus: Ehrung in Budapest. Zerstörung in El Salvador.

Am 15. September 2021 zündeten wütende Bewohner in der Altstadt von San Salvador in El Salvador Bitcoin-Automaten an, weil sie ihren Lohn oder Rente nicht in Bitcoins ausgezahlt haben wollen © Twitter/Nayib Bukele, Präsident von El Salvador
Am 15. September 2021 zündeten wütende Bewohner in der Altstadt von San Salvador in El Salvador Bitcoin-Automaten an, weil sie ihren Lohn oder Rente nicht in Bitcoins ausgezahlt haben wollen © Twitter/Nayib Bukele, Präsident von El Salvador

Büste für Erfinder

Am 16. September 2021 weihten vier ungarische IT-Unternehmer für den Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto im Technologiepark Graphiesoft in Budapest gleich neben Apple-Erfinder Steve Jobs ein Denkmal ein. © Statueofsatoshi.com
Am 16. September 2021 weihten vier ungarische IT-Unternehmer für den Erfinder der Blockchain Satoshi Nakamoto im Technologiepark Graphiesoft in Budapest gleich neben Apple-Erfinder Steve Jobs ein Denkmal ein © Statueofsatoshi.com

Die Grundidee für eine Satoshi-Statue stammt von András Györfi, dem Herausgeber von Kripto Akadémia, der führenden ungarischen Krypto-Nachrichtenseite. Er sagt: „Blockchain, ist eine Antwort auf viele unserer Probleme.“

„Die Blockchain-Technologie wird die Finanzbranche umkrempeln wie der Elektroantrieb die Autoindustrie“, glaubt etwa Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance and Management.

Der tschechische Publizist Vít Jedlička geht noch weiter. Er hat auf einer menschenleeren Donau-Sandbank an der kroatisch-serbischen Grenze einen eigenen Staat ausgerufen. Als Präsident der „Freien Republik Liberland“ will er das erste Land auf Blockchain-Basis schaffen.

Was kann die Blockchain?

Blockchain überträgt Werte wie Geld, Aktien, Waren oder Gold im Vergleich zu herkömmlichen Transaktionen zu einem Spottpreis im Cent-Bereich. Und das rund um die Uhr und in die ganze Welt. Ganz ohne Banken, Staaten oder Aufsichtsbehörden. Jeder Teilnehmer in der Übertragungs-Kette (Chain), der aus einem der aufgereihten Blöcke etwas entnimmt oder hinzufügt, bekommt darüber ein buchhalterisches Protokoll. Eine Fälschung geht nicht, sie würde sofort auffallen, weil ja alle von dem Original eine Kopie erhalten haben.

Doch Bitcoin als Währung bedroht die Ärmsten

Wütende Frauen und Männer zerstörten am 15. September 2021 in El Salvador die neuen Bitcoin-Automaten © Twitter/Nayib Bukele, Präsident von El Salvador
Wütende Frauen und Männer zerstörten am 15. September 2021 in El Salvador die neuen Bitcoin-Automaten © Twitter/Nayib Bukele, Präsident von El Salvador

Bitcoin dagegen ist nur eine leere Währung, die vor allem Spekulanten dient. Niemand reguliert die Preisschwankungen. Es gibt an keinem Tag einen verlässlichen Preis. Das reißt Menschen, die ihren Lohn oder ihre Rente in Bitcoin erhalten, den Boden unter den Füßen weg. In El Salvador brennen bereits die ersten Bitcoin-Automaten.

In El Salvador, das als erstes Land der Welt, am 7. September 2021 den Bitcoin neben dem US-Dollar als offizielle Landeswährung einführte, zündeten Bürger schon eine Woche später aus Angst und Protest Bitcoin-Automaten an.

Ein Gehalt für eine Villa oder fünf Brötchen

Eine Währung sollte sich zur Wert­über­tragung eignen – was angesichts der heftigen Kurs­schwankungen beim Bitcoin kaum möglich ist. Man stelle sich vor, das Gehalt käme in Bitcoins. In einem Monat könnte man damit die Miete bezahlen, im nächsten Monat eine Villa kaufen – und im über­nächsten womöglich nur ein paar Brötchen. Niemand würde sich auf dieses Spiel einlassen, wenn es um seine Existenz ginge. Dann doch lieber US-Dollar oder Euro.

Drei Parlamentarierinnen von El Salvador protestieren mit ihren T-Shirts gegen den Bitcoin als Landeswährung © Twitter/Teleprensa
Drei Parlamentarierinnen von El Salvador protestieren mit ihren T-Shirts gegen den Bitcoin als Landeswährung © Twitter/Teleprensa

Am Tag der Bitcoin-Einführung in El Salvador hatten Großanleger (sogenannte Bitcoin-Wale) dafür gesorgt, dass der Preis von Bitcoins weltweit um 15 Prozent einbrach, wie Business Leaders berichtete.

Zweitrangige Kryptowährungen wie Ether, Cardano, Binance Coin und Ripple fielen ebenfalls im zweistelligen Bereich. In der Spitze fiel die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen um 400 Milliarden Dollar (minus 17 Prozent).

„Wir wissen, dass Bitcoin drastischen Schwankungen unterliegt. Sein Wert ändert sich von einer Sekunde auf die andere, und wir haben keine Kontrolle darüber“, sagte etwa Dante Mossi, geschäftsführender Präsident der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (CABEI), am 13. September 2021 gegenüber Reuters.

Eigentlich sollen, so die Grundidee, alle Teilnehmer den Preis mitbestimmen, was den kapitalistischen Geldmarkt demokratisieren sollte.

Wer die meisten Bitcoins hat, bestimmt den Preis

Bei der Blockchain übernimmt ein Abstimmungsmechanismus die Rolle des Buchhalters. Mit seiner Hilfe entscheiden alle Teilnehmer darüber, welche Datenblöcke als ungültig aussortiert und welche als gültig akzeptiert werden. Wie genau Einigkeit unter den Teilnehmern hergestellt wird, unterscheidet sich je nach Blockchain-Anwendung.

Beim Bitcoin entscheiden etwa diejenigen, die die größte Rechenleistung besitzen und so die Datenbank am Laufen halten.

In Wirklichkeit bestimmen also die Bitcoin-Wale den Preis

Diese Wale sind Großanleger, wie kurzzeitig Elon Musk (Tesla) einer war. Andere Wale sind die Marktmaker, die immer für einen Preis zu sorgen haben, wie die Schweizer Vontobel-Bank, die auch in Deutschland Bitcoins in Form von Zertifikaten in großem Stil anbietet. Am 4. Januar 2021 schockte die Bank ihre Bitcoin-Kunden beispielsweise mit einem Preis, der satte 3.000 Dollar (rund 2.600 Euro) unter dem tatsächlichen Marktpreis lag.

Bitcoin-Aristokraten kontrollieren die Gesellschaft

Jon Danielsson, Direktor des „Systemic Risk Centre“ an der London School of Economics sagt: „Diese Leute, die in Bitcoin investieren, diese Multi-Milliardäre und Trillionäre, werden schließlich das ganze Geld besitzen. Sie sind die Aristokraten des 21. Jahrhunderts. Diese Leute werden nahezu alles besitzen, und sie werden damit machen können, was sie möchten. Ich nenne sie also die Bitcoin-Aristokraten. Sie haben nichts geleistet, außer sehr früh zu kaufen und zu spekulieren. Sie haben keinen Beitrag zur Gesellschaft in irgendeiner Form geleistet. Also genauso wie die Aristokraten in den alten Zeiten.“

Danielsson weiter: „Wenn sich Bitcoin schließlich durchsetzt, würde eine Handvoll Menschen das ganze Geld besitzen. Wir würden Ungerechtigkeit in einem Ausmaß sehen wie nie zuvor. Es wäre eine furchtbare Welt, in der wir dann leben würden, weil die extrem reichen Bitcoin-Aristokraten die gesamte Gesellschaft kontrollieren würden. Und das wäre keine Welt, in der ich leben wollte.“

Bitcoin ohne realen Gegenwert

Das Digitalgeld besitzt im Gegensatz zum althergebrachten Bargeld oder Gold gar keinen realen Gegenwert. Niemand steht für sie ein. Niemand muss sie weltweit akzeptieren. Es gibt keine Einlagensicherung.

Bitcoin gibt es weder als Münzen noch in Papierform. Sie bestehen lediglich aus kryptischen Zahlenreihen, die man mit einem Computer erschürfen kann. Jeder Bitcoin ist dann ein erschürfter Block, der auf eine Kette aufgereiht wird. Bei 21 Millionen Bitcoins ist die Kette voll. Im Augenblick gibt es nach Angaben der Internetseite Coinmarketcap schon 18,8 Millionen Bitcoins.

Die digitale Geldmenge hält damit auf Dauer nicht mit dem Wirtschaftswachstum Schritt. Der Bitcoin wird seltener und damit tendenziell wertvoller.

Die wichtigste Folge der Zwangsverknappung: Das Wesen des Bitcoins verändert sich über die Zeit. Die Kryptowährung wird von Jahr zu Jahr immer mehr zum Rohstoff, statt zu echtem Geld.

„Der Bitcoin wird daher weder die Finanzinstitute überflüssig machen, noch die Macht der Notenbanken brechen. Euro, Dollar und Yuan wird er so lange nicht ablösen, wie die Zentralbanken ihre Hauptaufgabe, für halbwegs stabile Preise zu sorgen, erfüllen“, meint Autor Felix Holtermann vom Handelsblatt.

Bundes­bank und Bafin warnen auch davor, Bitcoins als Wert­aufbewahrungs­mittel anzu­sehen. Anleger könnten das einge­setzte Geld komplett verlieren. „Sein erwarteter Wert ist nicht höher als null“, sagt der Finanzmathematiker Nassim Taleb. Der Grund dafür ist, dass digitale Währungen ein dauerhaftes Interesse erfordern. Dies sei nicht gegeben. Gold hingegen benötigt langfristig keine Pflege oder Wartung. Nichtmal als Krisenabsicherung dient Bitcoin. Der Experte verweist auf die Ereignisse im März 2020. Als die Kurse massiv an Wert verloren haben büßte Bitcoin sogar noch deutlicher an Wert ein. (FM)