Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg kann nun seit dem 9. Dezember 2021 als neuer Bundesfinanzminister die Milliardengeschenke umsetzen, die die FDP im Ampelvertrag für die Vermögenden durchgesetzt hat, weshalb der Koalitionsvertrag mancherorts auch als gelbe Seiten verspottet wird.

Übergabe des Bundesfinanzministeriums in Berlin am 9. Dezember 2021 von Bundeskanzler und Ex-Bundesfinanzminister Olaf Scholz (63, SPD, Rechtsanwalt) aus Potsdam an Bundesfinanzminister Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg © BMF
Übergabe des Bundesfinanzministeriums in Berlin am 9. Dezember 2021 von Bundeskanzler und Ex-Bundesfinanzminister Olaf Scholz (rechts, 63, SPD, Rechtsanwalt) aus Potsdam an Bundesfinanzminister Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg © BMF

 Es geht für Christian Lindner im Finanzbereich vor allem um diese drei FDP-Projekte im Ampelvertrag:

  1. eine von 2 auf 3 Prozent erhöhte Abschreibung auf Neubauten,
  2. eine Aktienrente und
  3. eine Superabschreibung für Unternehmen für Klima und Digitales.

Zumindest die auf 3 Prozent erhöhte Abschreibung für Neubeuten sollte zeitlich begrenzt werden, fordert die aus einer Hamburger Mittelschicht stammende Ökonomin und Sachbuchautorin („Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“, Westendverlag) Ulrike Herrmann (57) am 17. Dezember 2021 in einer Kolumne in der Berliner Tageszeitung taz.

Die aus Hamburg stammende Ulrike Herrmann (57) ist taz-Wirtschaftsredakteurin und Sachbuchautorin. Sie ist ausgebildete Bankkauffrau und hat an der FU Berlin Geschichte und Philosophie studiert. Ihr neuestes Buch: "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Westendverlag). Von ihr stammen auch die Bücher „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012) sowie „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015) und "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) © Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Die aus Hamburg stammende Ulrike Herrmann (57) ist taz-Wirtschaftsredakteurin und Sachbuchautorin. Sie ist ausgebildete Bankkauffrau und hat an der FU Berlin Geschichte und Philosophie studiert. Ihr neuestes Buch: „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind“ (Westendverlag). Von ihr stammen auch die Bücher „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012) sowie „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015) und „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie – oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können“ (Piper 2018) © Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Immobilienbesitzer dürfen sich freuen

Der Ampelvertrag sieht vor, dass die lineare Abschreibung bei neugebauten Mietwohnungen von 2 auf 3 Prozent ansteigt. Das klingt wenig, ist aber ein gigantisches Steuergeschenk. Man nehme an, ein neues Mietshaus ist 4 Millionen Euro teuer – dann lassen sich jährlich 120.000 Euro mit den Mieteinnahmen verrechnen.

Die Hanseatin Ulrike Herrmann hält das Projekt allerdings für „gefährlich“, weil faktisch doppelt abgeschrieben werde

Die ausgebildete Bankerin warnt: „Der Verdacht drängt sich auf, dass die rot-grünen Verhandler in der Arbeitsgruppe ‚Wohnen/Bauen‘ gar nicht verstanden haben, was ihre Zusagen finanziell bedeuten.“

Herrmann rechnet vor: „Nun ließe sich argumentieren, dass ein Haus an Wert verliert, wenn nicht Fenster, Dächer, Heizungen und Fassaden regelmäßig erneuert werden. Nur: Diesen ‚Erhaltungsaufwand‘ dürfen Vermieter sowieso von der Steuer absetzen. Faktisch wird also doppelt abgeschrieben. Man macht einen Wertverlust geltend, den es gar nicht gibt, weil man ja Reparaturen durchgeführt hat – ebenfalls steuerbefreit.“

Hinzu kommt: „Wird das Haus nach mehr als zehn Jahren verkauft, bleibt der Erlös komplett steuerfrei. Diese Schlupflöcher werden noch vergrößert, indem künftig bei Neubauten sogar mit 3 Prozent abgeschrieben werden darf.“

Ihre Forderung: „Die erhöhte Abschreibung auf Neubauten muss dringend befristet werden. Sonst hat es die FDP doch noch geschafft, für ihre Klientel erhebliche Gelder abzuzweigen.“

Steht die erhöhte Abschreibung erst mal im Gesetz, wird sie ewig gelten

Herrmann: „Tückisch ist auch: Wenn die erhöhte Abschreibung erst einmal im Gesetz steht, wird sie ewig gelten. Keine Regierung wird sie wieder kippen können. Denn der Bundesrat muss fast allen Steuergesetzen zustimmen – und dort haben FDP und Union faktisch eine Vetomacht. Die erhöhte Abschreibung wäre also fatal, wenn sie nicht zeitlich begrenzt wird.“

Kritik auch an der Aktienrente:  ein „Irrweg“?

In der Rentenversicherung will die Koalition das Niveau von 48 Prozent halten und – jedenfalls „in dieser Legislaturperiode“ – den Rentenbeitrag auf 20 Prozent begrenzen. Ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro aus Steuermitteln soll aufgebaut werden.

Nächstes Jahr sollen dort einmalig 10 Milliarden Euro eingezahlt und „global“ auf den Finanzmärkten angelegt werden.

Die FDP ist überzeugt, dass Aktien mehr bringen als normale Renten und dass die weite Welt lukrativer ist als Deutschland.

Vor der voraussichtlich letzten G7-Finanzministerkonferenz unter britischer Präsidentschaft telefonierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg am 10. Dezember 2021 mit seinem mit seinem britischen Amtskollegen Rishi Sunak (41, Hedgefondsmanager mit indischen Wurzeln, Konservative Partei) aus Kirby Sigston in North  Yorkshire und Haus in Kensington in London und Wohnung in Santa Monica in Kalifornien), Zum 1. Januar 2022 übernimmt Deutschland den Staffelstab in der G7 © Twitter.com/BMF
Vor der voraussichtlich letzten G7-Finanzministerkonferenz unter britischer Präsidentschaft telefonierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg am 10. Dezember 2021 mit seinem britischen Amtskollegen Rishi Sunak (41, Hedgefondsmanager mit indischen Wurzeln, Konservative Partei) aus Kirby Sigston in North  Yorkshire und Haus in Kensington in London und Wohnung in Santa Monica in Kalifornien). Zum 1. Januar 2022 übernimmt Deutschland den Staffelstab in der G7 © Twitter.com/BMF

SPD und Grüne sprechen gern von „Spielgeld“ für die Liberalen. Denn die Zuschüsse der Bundesregierung zur gesetzlichen Rente betragen in Wirklichkeit aktuell zirka 100 Milliarden Euro jährlich.

„Aber eigentlich sind auch 10 Milliarden zu viel“, kritisiert Herrmann die Aktienrente.

Argument Nr. 1 gegen die Aktienrente: „Vor allem werden Betriebs- und Volkswirtschaft verwechselt“

Herrmann: „Das Konzept hat viele Schwächen, aber vor allem werden Betriebs- und Volkswirtschaft verwechselt. Die FDP tut so, als wäre der Gesamtstaat das Gleiche wie ein Einzelanleger. Wenn ein Investor Aktien kaufen will, ist das kein Problem. Er findet bestimmt jemanden, der Aktien besitzt und loswerden möchte.

Wenn aber der Staat auftritt und Milliarden in die Finanzmärkte pumpt, dann reichen die Aktien bald nicht mehr. Denn die Unternehmen geben ja keine neuen Papiere aus, nur weil die Regierung Aktien kaufen will. Also werden die Papiere knapp, was die Kurse treibt – so dass der Staat eine Finanzblase erzeugt.“

Dies sei keine abstrakte Überlegung, sondern tägliche Beobachtung

Herrmann: „Viele Länder, vorweg die USA, setzen bereits auf Pensionsfonds, die riesige Kapitalmengen auf den Finanzmärkten anlegen. Das Ergebnis sind ständig steigende Ak­tien­kurse, die mit den Erträgen der Unternehmen nichts mehr zu tun haben.“

Argument Nr. 2 gegen die Aktienrente: Nicht die kleinen Angestellten, sondern die Vermögenden profitieren

Herrmann: „Die FDP tut so, als würden kleine Angestellte profitieren, wenn Rentenkassen auf den Finanzmärkten anlegen. Nach dem Motto: Endlich besitzen Arbeiter ein paar Aktien! In Wahrheit profitieren vor allem Vermögende. Die meisten Papiere ballen sich in wenigen Händen, und wenn die Kurse steigen, weil der Staat auf den Finanzmarkt drängt, gewinnen jene, die die Aktien bereits besitzen – die Wohlhabenden.“

Mögliche Alternativen zur Aktienrente

Wollte man diese Finanzierungslücke schließen, kämen auch andere Maßnahmen infrage, die aber im Gegensatz zur Aktienrente einen stärkeren Umverteilungscharakter hätten, meint taz-Redakteur Jörg Wimalasena, zuständig für Gesundheits- und Sozialpolitik.

So könnte man die Beitragsbemessungsgrenze anheben, also den Punkt, ab dem für höhere Einkommen der Rentenbeitrag nicht mehr mit dem Einkommen steigt (ab 2022 84.600 Euro Jahresgehalt). Denkbar wäre auch die Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung.

Die Rentendebatte bezieht sich zudem seit einigen Jahren hauptsächlich auf die Frage der Generationengerechtigkeit: Wegen der zunehmenden Zahl an Rentnern müssten immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Rentner aufkommen. Allerdings verschiebt sich das Verhältnis zwischen Menschen im Erwerbsalter und Senioren bereits seit Jahrzehnten – und dennoch ist die gesetzliche Rente bisher nicht kollabiert, weil der Alterung die steigende Produktivität der Arbeitnehmer und höhere Löhne gegenüberstehen. Mit moderaten Produktivitätssteigerungen könnte – etwa laut den Berechnungen des emeritierten Statistik-Professors Gerd Bosbach (68) an der Hochschule Koblenz – die gesetzliche Rente auch in den kommenden Jahrzehnten stabil bleiben.

Höhere Einnahmen für die Rentenkasse wären außerdem möglich: Wenn vor allem Geringverdiener besser bezahlt würden, gäbe es auch höhere Einnahmen für die Rente und Arbeitnehmer hätten selbst im Falle von steigenden Rentenbeiträgen mehr Geld zur Verfügung. Eine alternative Strategie wäre zudem, die Erwerbstätigkeit bei Frauen und Älteren zu erhöhen.

Diese Vorschläge fanden sich übrigens auch teilweise im Ampel-Sondierungspapier.

Wimalasena: „Würden sie umgesetzt, müsste eine Aktienrente also gar nicht unbedingt sein.“

Auf BILD-TV regte sich Ulrike Herrmann über die geplante Super-Abschreibung für Unternehmen auf

„Ich muss wirklich sagen, ich bin entsetzt“, sagte Herrmann im BILD-TV-Talk Viertel nach Acht, „dass es 2022 und 2023 eine sogenannte ‚Superabschreibung‘ für die Unternehmen geben soll.“

Herrmann erklärte, was aus ihrer Sicht dahintersteckt: „Die ist relativ unspezifisch. Man muss nur irgendwie in Klimaschutz investieren und irgendwie ins Digitale.“ Aber: „Das kann jedes Unternehmen immer sagen.“

Was daraus folgt: „Die müssen ja nur irgendwie ein bisschen ihre Energieeffizienz steigern, dann haben sie ja schon in den Klimaschutz investiert. Das heißt, sie könnten eigentlich dann alle ihre Anschaffungen abschreiben.“

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. DIW aus Berlin habe schon kalkuliert, dass das insgesamt 40 Milliarden Euro kosten wird. „Das Geld ist dann aber weg“, regt sich Herrmann auf. „Das ist geschenkt worden an Unternehmen, die das nicht brauchen!“  

Zur Finanzierung muss Christian Lindner wohl in die Trick-Kiste greifen

Da die FDP Steuererhöhungen verhindert hat und es mit der „Schuldenbremse“ sogar ein Gesetz gibt, dass die Politik dazu zwingt, ab 2023 wieder sparsamer zu sein, muss Christian Lindner wohl notgedrunen in die Trick-Kiste greifen. Er könnte die Rückzahlung von Corona-Schulden in die nächste Regierungsperiode schieben oder statt über den Staat Kredite über staatliche Firmen aufnehmen lassen und so die Schuldenbremse aushebeln. Eine genaue Gegenfinanzierung der drei FDP-Finanzgroßprojekte aus dem Ampelvertrag hat Lindner aber noch nicht vorgestellt. (FM)