Deutschland stellt ein 65 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket zur Energiekostenerleichterungen vor und verspricht Preisobergrenzen. Bundeskanzler Scholz erklärt, dass das Paket auch Pläne zur Abschöpfung überschüssiger Gewinne bei einigen Energieerzeugern enthält.
Entlastungspaket für Privatpersonen und Unternehmen
Die deutsche Regierung kündigte ein 65 Milliarden Euro Entlastungspaket an, um Bürger und Unternehmen vor den explodierenden Energiekosten zu bewahren, und versprach gleichzeitig, den Energiemarkt zu reformieren, um überschüssige Gewinne abzuschöpfen und die Preise zu deckeln. Die Energiepreise an den europäischen Strombörsen haben kurzzeitig Rekorde erreicht, besonders Frankreich war davon betroffen.
„Wir werden diesen Winter überstehen„, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz, auf der er verschiedene Unterstützungsmaßnahmen sowie eine Verlängerung des in Deutschland sehr beliebten staatlich subventionierten 9-Euro-Tickets ankündigte. Vor allem aber kündigte Scholz an, dass seine Regierung hart gegen Energieversorger vorgehen werde, die angesichts der hohen Energiepreise, die vor allem durch Russlands Krieg gegen die Ukraine und Moskaus Kürzung der Gasexporte nach Europa verursacht wurden, übermäßige Gewinne machen.
Die jüngste Vereinbarung, mit der sich die Gesamthilfe seit Beginn des Ukraine-Krieges auf fast 100 Milliarden Euro erhöht, wurde in der Nacht zum Sonntag von der deutschen Ampelkoalition aus Scholz‘ Sozialdemokraten, den Grünen und der liberalen FDP ausgehandelt. Zu den wichtigsten Maßnahmen des neuen Entlastungspakets gehören einmalige Zahlungen an Millionen von sozial schwachen Rentnern und ein Plan zur Abschöpfung von unerwarteten Gewinnen der Energieunternehmen.
Nord Stream 1 Pipeline stoppt Gaslieferungen
Das jüngste Hilfspaket der Regierung kam zwei Tage, nachdem der russische Energieriese Gazprom bekannt gegeben hatte, dass er die Gaslieferungen über die Nord Stream 1-Pipeline am Samstag nach einer dreitägigen Wartung nicht wie geplant wieder aufnehmen werde. Die Regierung habe „rechtzeitig Entscheidungen“ getroffen, um eine Winterkrise zu vermeiden, sagte Scholz, darunter das Auffüllen von Gasspeichern und die Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken. In einigen Punkten fehlt aber immernoch eine klare Aussage, so gibt es keine Entscheidung zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, keine Entscheidung zur Reduzierung der Gaspreise, keine Entscheidung zum Stopp der Gasumlage, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Die Präventivmaßnahmen, einschließlich der Bemühungen um eine Reduzierung des Verbrauchs, haben jedoch kaum dazu beigetragen, den starken Anstieg der Haushaltsrechnungen zu bremsen. Die Inflation stieg im August wieder auf 7,9 Prozent, nachdem sie dank früherer staatlicher Entlastungsmaßnahmen zwei Monate in Folge gesunken war. Es wird erwartet, dass der Anstieg der Energiepreise die Inflation in Deutschland bis zum Jahresende auf etwa 10 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten treiben wird.
In Großbritannien übersteigt die Inflation schon die 10 Prozent Marke. Die jüngste Ankündigung folgt auf zwei frühere Entlastungspakete im Gesamtwert von 30 Milliarden Euro, die eine Senkung der Benzinsteuer und ein beliebtes, stark subventioniertes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr umfassten. Da viele dieser Maßnahmen Ende August ausliefen und die Verbraucherpreise in die Höhe schnellten, stand die Regierung unter Druck, neue Hilfen bereitzustellen.
Übermäßige Gewinne sollen auch in Deutschland abgeschöpft werden
Scholz sagte jedoch, dass nicht jeder unter den hohen Verbraucherpreisen leide. Einige Energieunternehmen, die vielleicht kein Gas zur Stromerzeugung verwenden, „nutzen einfach die Tatsache, dass der hohe Gaspreis den Strompreis bestimmt, und verdienen damit sehr viel Geld„, sagte er. „Wir haben uns deshalb vorgenommen, die Marktordnung so zu ändern, dass diese Zufallsgewinne nicht mehr vorkommen oder abgeschöpft werden.“ Eine klare Regelung, ab welchen Beträgen, wie viel abgeschöpft werden soll, ist noch unbekannt.
Die Beschneidung der Zufallsgewinne würde „finanziellen Spielraum schaffen, der gezielt zur Entlastung der Verbraucher in Europa eingesetzt werden sollte“, so die Regierung in ihrem Strategiepapier. Der Schritt könnte eine Entlastung in „zweistelliger Milliardenhöhe“ bringen, schätzte Finanzminister Christian Lindner auf der Pressekonferenz.
Die Regierung sagte, sie werde darauf drängen, dass der Schritt in der gesamten Europäischen Union umgesetzt wird, bevor sie die Maßnahme alleine durchführt. Brüssel hatte am Montag erklärt, es werde „Sofortmaßnahmen“ vorbereiten, um den Strommarkt zu reformieren und die Preise unter Kontrolle zu bringen.

Das beliebte 9-Euro-Ticket soll einen Nachfolger bekommen
Einmalzahlung und 9-Euro-Ticket Nachfolger
Der Bundeskanzler wiederholte sein Mantra, dass die Deutschen „niemals allein“ durch die Energiekrise gehen werden, und stellte eine Reihe von Maßnahmen vor, darunter eine einmalige Zahlung von 300 Euro an Millionen von Rentnern, um sie bei der Deckung der steigenden Stromrechnungen zu unterstützen.
Außerdem will die Regierung Studenten mit einer kleineren Einmalzahlung von 200 Euro und einer Heizkostenzahlung für Wohngeldempfänger unterstützen. Dazu stellt Berlin 1,5 Milliarden Euro für ein Nachfolgemodell der beliebten 9-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr bereit. Das gesamte Entlastungspaket solle ohne weitere Schuldenaufnahme finanziert werden, sagte Lindner.
(TB)