Deutschland ist äußerst beliebt bei internationalen Geldwäschern.

Geldwäsche-Paradies Deutschland
Keine Bargeldobergrenze, ein überwiegend leeres Transparenzregister für Immobilien und eine nicht funktionierende Verdachtsfälle-Bearbeitungsbehörde machen es Geldwäschern in Deutschland leicht © Pressefoto ZDF, Karolin Schnepper

Rund 100 Milliarden schmutzige Euro werden schätzungsweise jedes Jahr hierzulande gewaschen. „ZDFzoom“ ging der Frage nach, warum Deutschland nach wie vor ein idealer Standort ist, um die Herkunft illegaler Vermögen zu verschleiern.

In Deutschland gibt es keine Bargeld-Obergrenze. Alles kann cash bezahlt werden – eine Ausweispflicht besteht erst ab 10.000 Euro. Das deutsche System der Geldwäschebekämpfung hat viele Schwachstellen. Vor allem die Zentralstelle für Transaktionsuntersuchungen, die sogenannte Financial Intelligence Unit (FIU), wird ihrem gesetzlichen Auftrag nicht gerecht – so ein geheimer Prüfbericht des Bundesrechnungshofes.

Der Vorwurf: Der Behörde fehlten entscheidende Zugriffsrechte auf Polizei- und Steuerdaten, und die Analyseberichte, die sie an die Strafverfolgungsbehörden weiterleite, kämen oft verspätet an oder seien unzureichend.

„ZDFzoom“-Reporter Robert Grantner recherchierte – teils mit verdeckter Kamera -, welche Schwachstellen Geldwäscher gezielt ausnutzen. Er sprach mit Experten, Politikern und einem Insider der FIU.

Der Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand, Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, schätzte zur aktuellen Lage ein:„Die Gangster lachen sich kaputt darüber, was sie hier in Deutschland machen können. Es kann ja nicht sein. Uns als Rechtsstaat kann es ja nicht egal sein, dass inkriminierte Gelder wieder in den Geldkreislauf geraten.“

Das geht natürlich auch andernorts auf der Welt. Aber Deutschland hat noch
einen zweiten entscheidenden Vorteil.

Kriminalhauptkommissar Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutcher Kriminalbeamter weiß: „Auch Geldwäscher wollen eigentlich wissen, wenn sie hier eine Immobilie erwerben, dass sie ihnen in vielen Jahren auch noch gehört. Und das der Staat nicht irgendwie so marode ist, dass sie Sorge haben müssen, dass sie auch ihr kriminelles Vermögen wieder los sind. Also sie können hier rechtssicher Geld waschen und anlegen.“

Geldwäsche-Paradies: Nur selten kommt es zu einer Razzia.

Köln Mühlheim. Alle paar Meter sind hier Juweliere und Goldhändler. Hier fand eine großangelegte Razzia gegen Geldwäsche anfang des Jahres statt. Einsatzkräfte des Zolls durchsuchten mehrere Juweliere und Schmuckläden. Eine international operierende Organisation soll hier in großem Stil Geld gewaschen haben. Im Morgengrauen wird eine der Hauptverdächtigen abgeführt. Die Fahnder entdeckten Sporttaschen voller Goldbarren und professionelle Geldzählmaschinen.

Kriminalhauptkommissar Sebastian Fiedler ist ein gefragter Experte für Geldwäsche. Die Bundesregierung und das Europäische Parlament suchen regelmäßig seinen Rat. Er sagt zur Razzia, dass hier mit schmutzigem Geld vor allem Goldbarren gekauft worden sein sollen.

Das Problem: Alles wurde bar bezahlt.

Fiedler: „Es ist tatsächlich so, dass die Bargeldobergrenze, die wir nicht haben in Deutschland, ganz relevant dafür gewesen ist. Weil ansonsten die Einzahlungen für den Goldhändler eigentlich nicht so erklärbar gewesen sind. Er hätte ansonsten eine Vielzahl von unterschiedlichen Transaktionen erklären müssen.

Dadurch, dass es aber problemlos möglich ist, Hunderttausende in bar auf ein Konto zu übergeben, kann so etwas natürlich auch nicht auffallen.“

Dass geht in Deutschland deshalb so gut, weil man hier alles bar bezahlen kann. Egal, wie hoch der Betrag ist. In anderen EU-Ländern ist das längst anders. In Spanien liegt die Obergrenze bei 2.500 Euro. In Italien bei 1.000 Euro. Und in Griechenland bei nur 500 Euro.

Fiedler: „ Ein sehr erfahrener Kollege von mir sagte vor einiger Zeit etwas humorvoll. ‚Gib mir mal 1 Million Euro in Bargeld und setz mich an irgendeiner Straße‘ – er nannte als Beispiel die Kö in Düssledorf – ‚raus. Und ich brauche einen Vormittag, um das Geld zumzusetzen in zum Beispiel Schmuck, ohne dass es irgendwo auffällt oder eine Meldung entsteht.‘“

Ist es wirklich so einfach? Mit versteckter Kamera machte sich Zoom auf den Weg zu Gebrauchtwagenhändlern. Barzahlung ist beim Autokauf völlig legal. Nur über 10.000 Euro muss ich mich als Käufer laut Gesetz ausweisen.

Halten sich die Händler auch daran?

Die Wahl des Zoom-Reporters fällt auf einen weißen Sportwagen Audi V6T. Schnell kommt der Reporter mit dem Händler ins Gespräch. 330 PS. Ledersitze 18.900 Euro.  Das Gedächtnisprotokoll:

„Kann ich bei euch bar bezahlen?“

Der Händler: „Ja, bar, überweisen, wie du willst.“

„Meinen Ausweis braucht ihr aber nicht, oder?“

Wenn er jetzt darauf eingeht, dann verstößt er gegen das Geldwäschegesetz.

Der Händler: „Nein, einen Ausweis brauche ich nicht. Schreib einfach einen Namen rein und dann passt das.“

Hier könnte der Reporter also völlig anonym knapp 19.000 Euro bar investieren.

Beim nächsten Händler. Ein weißer Porsche Panamera für 37.900 Euro.

„Kann ich bar bezahlen?“

Der Händler: „Bar oder überweisen. Alles.“

„Brauchen Sie einen Perso für den Kauf, meinen Ausweis?“

Kann der Reporter auch hier sein Geld loswerden, ohne sich ausweisen zu müssen?

Der Händler: „Ach, keine Ahnung. Du gibst mir deinen Namen, einen anderen Namen, den Namen von irgendeinem Kollegen. Und eine Adresse. Für uns ist das Wichtigste, das Geld muss korrekt sein. Das wars.“

Kontrolle Fehlanzeige. Hauptsache, das Geld fließt.

Kriminalhauptkommissar Sebastian Fiedler: „Sie finden unterschiedliche Güterhändler, bei denen es an der Tagesordnung ist, bar zu bezahlen. Denken Sie an Gebrauchtwagenhandel. Sie können auch Schmuck kaufen, Kunstgegenstände erwerben. Wir haben mal über Pferdeautionen diskutiert. Es gibt viele Bereiche, wo durchaus mit fünfstelligen Summen an der Tagesordnung operiert wird in Deutschland. Und das ist ein triviales Beispiel dafür, dass es immer noch leicht ist, irgendwie schmutziges Geld unterzubringen, um es dann weiter zu waschen.“

Und genauso funktioniert die einfachste Geldwäsche in Deutschland.

Geldwäscher schmuggeln ihr Bargeld aus illegalen Machenschaften nach Deutschland. Mit diesem Geld kaufen sie kostspielige Waren wie zum Beispiel Goldbarren, Kunstgegenstände, Autos oder teure Uhren.

Durch den Weiterverkauf dieser Waren wird aus dem schmutzigen Geld sauberes.

Das ist möglich, weil es in Deutschland keine sogenannte Bargeldobergrenze gibt. Das heißt: Alles, egal wie teuer, kann cash bezahlt werden.

Erst ab 10.000 Euro muss man sich ausweisen. Doch wer kontrolliert das eigentlich?

Besonders lukrativ für Geldwäscher sind Immobilien.

Das Bundesfinanzministerium stuft das Risiko als hoch ein. Allein den Wert Berliner Wohnimmobilien schätzt das Netzwerk Steuergerechtigkeit auf ungefähr 350 Milliarden Euro. Doch wem gehören diese Häuser eigentlich?

Genau das recherchiert Christoph Trautvetter für das Netzwerk Steuergerechtigkeit und wurde dazu bereits als Sachverständiger im Bundestag gehört.

Vor einer Immobilie, gemietet vom Finanzamt Berlin Mitte/Tiergarten in der Neuen Jakobstraße 6/7 in Mitte erklärte Trautwetter, dass diese Immobilie bis Ende letzten Jahres im Besitz einer libanesischen Vermögensverwaltungsgesellschaft war.

Trautvetter: „Wenn man sich die Eigentumsstrukturen dieser Vermögensverwaltung im Libanon anguckt, landet man  bei Gesellschaften aus Panama, aus den British Virgin Islands, verwaltet von einer Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die 2016 in den Panama Papers dafür berühmt geworden ist, dass sie reichen Leuten aus der ganzen Welt hilft, anonym illegale Gelder um den Globus zu verschieben.“

Der Vertrag zwischen der libanesischen Vermögensverwaltung Real Germany 1 Ltd. und Mossack Fonseca & Co. (B.V.I.) Ltd. liegt dem ZDF vor. Das Finanzamt Berlin Mitte /Tiergarten zahlt 13.000 Euro Miete pro Monat.

Seit Anfang diesen Jahres fließen diese Steuergelder nach Luxemburg. Eine dort angesiedelte Fondskonstruktion hat die Immobilie gekauft. Wer sich dahinter verbirgt und tatsächlich die Mieteinnahmen kassiert, bleibt im Verborgenen.

Die Suche nach anonymen Immobilieneigentümern führt Christoph Trautvetter immer wieder ins Berliner Grundbuchamt. Eigentlich sollten hier die Eigentümer verzeichnet sein.

Seit 2017 gibt es in Deutschland ein sogenanntes Transparenzregister.

Das soll dazu dienen, dass man den Wirtschaftlich Berechtigten, also den tatsächlichen Eigentümer einer Immobilie feststellen kann.

Doch bei seinen Untersuchungen wurde Christoph Trautvetter häufig enttäuscht. Das Transparenzregister ist leer.

Trautvetter: „Das Transparenzregister ist tatsächlich in diesem Fall und in vielen Fällen, das haben wir auch recherchiert, in knapp 80 von 100 Fällen, leer und deswegen wirkungslos.“

Eingetragen wird nur, wer mehr als 25 Prozent an einer Immobilie besitzt. Sind also 4 Personen oder mehr beteiligt, wird keiner eingetragen. Und das Transparenzregister bleibt leer. Schlupflöcher für anonyme Immobiliengeschäfte.

Fest steht: Jeder, der in Deutschland eine Immobilie erwerben oder verkaufen möchte,
egal, ob legal oder illegal, muss den Vertrag von einem Notar beglaubigen lassen.

Müsste nicht spätestens hier Verdacht geschöpft werden, wenn Geldwäsche im Spiel ist?

Die Berliner Notarin Dörte Zimmermann von der Kanzlei ZNP Zimmermann / Nötzold / Partner am Kurfürstendamm 58 in Charlottenburg antwortete auf die Frage, ob bei ihr tatsächlich Klienten mit dem berühmten Geldkoffer auftauchen: „Es gibt kein Bargeschäft beim Notar. Es gibt hier niemanden, der mit einem Koffer kommt und der Notar beurkundet und hinterher wird der Koffer übergeben. Was wir natürlich nicht wissen: Ob nicht tatsächlich Bargeld fließt, wenn die dann sich treffen, um den Kaufpreis zu bezahlen. Das ist eben nicht auszuschließen.“

Weil den Notaren eine entscheidende Rolle zukommt, hat der Gesetzgeber sie zu
sogenannten Meldeverpflichteten erklärt.

Das heißt, Auffälligkeiten, die auf Geldwäsche hindeuten, muss Dörte Zimmermann melden. Diese Verpflichtung wurde im Oktober letzten Jahres noch einmal verschärft, weil 2019 nur 17 Verdachtsmeldungen von allen deutschen Notaren abgegeben wurden.

Notarin Zimmermann: „Ich melde wahrscheinlich im Hauptfall Sachverhalte, wo eben erhöhter Kaufpreis ist oder wo die Person nicht zu dem Geschäft passt. Die Personen geben mir keine Auskünfte ‚Wir wollen nicht sagen, wer hinter uns steht‘. ‚Ach, das ist alles Treuhand.‘ Solche Situationen, das würde ich melden.

Wo landet eine solche Geldwäscheverdachtsmeldung?

Notarin Zimmermann: „Das läuft alles online, wo ich sage, ich muss jetzt melden. Und dann entscheidend sind hier unten im Formular die Gründe, das ist auch noch mal eine Hilfe, dass ich hier angeben kann, was die Gründe für die Meldung sind. Das richtet sich aber auch an alle Verpflichteten.“

Nicht nur Notare sind zu Geldwäsche-Verdachtsmeldungen verpflichtet, sondern unter anderem auch Banken, Immobilienmakler, Steuerberater und Güterhändler, wie zum Beispiel die obigen Gebrauchtwagenhändler.

Im Kampf gegen Geldwäsche spielen all diese Verpflichteten eine Schlüsselrolle. Denn nur, wenn sie einen Verdacht melden, kann überhaupt erst ermittelt werden.

Und hier landen die Geldwäscheverdachtsmeldungen:Bei der Financial Intelligence Unit,
kurz FIU genannt.

Die Behörde war früher beim Bundeskriminalamt angesiedelt. Seit 2017 untersteht die FIU der Generalzolldirektion und damit dem Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD).

Die FIU hat eine Filterfunktion. Sie soll Geldwäscheverdachtsmeldungen entgegennehmen, bewerten und gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten.

Doch es scheint eklatante Mißstände innerhalb der Behörde zu geben.

Zoom wurde ein geheimer Bericht des Bundesrechnungshofes zugespielt. Auf 25 Seiten wird die Arbeit der FIU genauer untersucht. Ein Ergebnis: „Die FIU kann auf die regionalen Polizeidaten in den Vorgangsbearbeitunssystemen der Länderpolizeien nicht elektronisch zugreifen.“

Und weiter: „Die FIU kann auch auf einen Großteil wichtiger Steuerdaten der Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder nicht elektronisch zugreifen, insbesondere auf die verschiedenen steuerlichen Veranlagungsdaten.“

Das Fazit des Berichtes ist vernichtend:

„Die FIU kann damit die in sie gesetzten Erwartungen nur unzureichend erfüllen. Es besteht vor allem die Gefahr, dass die FIU Sachverhalte mit Bezug zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung nicht erkennt beziehungsweise erkennen kann und infolgedessen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet, mit unvollständigen Informationen angereicherte Sachverhalte übermittelt, Sachverhalte nicht in angemessener Zeit bearbeiten kann und damit ihrem gesetzlichen Auftrag, insbesondere ihrer Filterfunkiton nicht gerecht wird.“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand kritisiert die eingeschränkten Zugriffsrechte der FIU seit Jahren: „Ja, der Bundesrechnungshof bestätigt eigentlich nur das, was einige Politiker, unter anderem auch ich, in den letzten Jahren immer wieder mal zur Sprache gebracht haben, dass einfach die Geldwäschebekämpfung in Deutschland nicht funktioniert. Sie ist nicht funkiotnstüchtig.“

Der Bundestagsabgeordnete ließ nich locker und stellte mehrfach Anfragen
an die Bundesregierung zur Arbeit der FIU.

Herbrand: „Die Anfragen von uns an die Bundesregierung wurden nicht so beantwortet, wie wir uns das vorstellten. Nicht vom Inhalt her. Sondern wir merkten, da stimmt etwas nicht. Und dann haben wir uns tatsächlich zur Aufgabe gemacht, die Strafverfolgungsbehörden der Länder eigens anzuschreiben, um ein Feedback von dort zu erhalten, wie denn die Qualität der FIU dort beurteilt wird. Das war zum Teil wirklich vernichtend, muss man so sagen.“

Zum Beispiel?

Herbrand: „Ja, es sind ja unheimlich viele Meldungen gekommen, die ja gesagt haben, ja wir bekommen von der FIU häufig verspätete Meldungen oder Meldungen, die verspätet bearbeitet werden. Und verspätet ist schlecht bei der Geldwäsche. Da muss es schnell gehen.“

Es muss schnell gehen, denn laut Gesetz haben die Ermittlungsbehörden nur 3 Tage Zeit, um verdächtige Transaktionen zu stoppen. Danach kann das Geld ungehindert fließen.

Der  FIU fehlt nicht nur der Zugriff auf entscheidende Daten. Sie leitet auch noch die Verdachtsfälle verpätet weiter, so der Vorwurf. Markus Herbrand konfrontierte die Bundesregierung mit den Beschwerden aus den Strafverfolgungsbehörden.

In der ebenfalls als Verschlusssache „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ gekennzeichneten Antwort der Bundesregierung vom Januar 2020 räumt die FIU die Versäumnisse zum Teil ein, spricht von „Arbeitsfehlern im Einzelfall“ und begründet es mitunter so, dass „zum Zeitpunkt des jeweiligen Meldungseingangs nur ein Empfang von Verdachtsmeldungen per Fax bei der FIU möglich gewesen ist.“

Mutmassliche Versäumnisse der FIU führten im Juli 2020 dazu, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück die FIU-Zentrale in Köln durchsuchte und zahlreiche Dokumente beschlagnahmte. Auch hier ging es um nicht ordnungsgemäß weitergeleitete Verdachtsmeldungen. Der Vorwurf: Strafvereitelung im Amt.

Was ein FIU-Insider über die FIU erzählte, erfahren Sie in der ZDFzoom-Dokumentation in der ZDFmediathek.

 

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