Den Wert eines Unternehmens zu bestimmen, ist nicht einfach. Stark vereinfacht betrachtet man dazu die Werte des Vermögens und die Ertragskraft. Am Ende steht eine Zahl, die möglichst aktuell und realistisch sein sollte. Ähnlich lässt sich auch die Welt bewerten. Die Analysten des McKinsey Global Institute (MGI) haben das getan und eine Art Bilanz der Erde vorgelegt. Und die sieht nicht gut aus.

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Vor gut zehn Jahren hat der amerikanische Astronom Greg Laughlin den Wiederbeschaffungswert des Planeten Erde berechnet. Dabei hat er nicht einfach die Sparguthaben seiner Bewohner addiert, sondern vor allem die naturwissenschaftlichen Aspekte berücksichtigt, die ein Überleben auf der Erde überhaupt erst möglich machen. Dazu gehören die so genannten Ökosystemleistungen, zum Beispiel die kostenlose Bestäubung von Pflanzen durch Insekten, ohne die sich die Menschheit nicht ernähren könnte. Greg Laughlin kam auf fünf Billionen Dollar.

Das Nettovermögen der Welt beträgt 630 Billionen US-Dollar

Etwas anders gingen die Analysten von McKinsey vor, die für ihre Studie „The future of wealth and growth hangs in the balance“ vor allem Vermögenswerte aus Immobilien, Land, Infrastruktur, Maschinen und geistigem Eigentum betrachteten. Dabei haben sie die Weltwirtschaft nicht wie üblich anhand des BIP, sondern anhand von Bilanzierungsmethoden, wie sie aus der Unternehmenswelt bekannt sind, analysiert. Ihr Fazit fällt mit 630 Billionen US-Dollar etwas bescheidener aus, enthält allerdings ein paar brisante Details.

Trotz Banken- und Finanzkrise 2008 hat sich das Nettovermögen in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast vervierfacht. So weit so unproblematisch, allerdings konnte die wirtschaftliche Entwicklung nicht im gleichen Maße Schritt halten. Etwa 160 Billionen US-Dollar existieren nur auf dem Papier, wurden also durch inflationsbedingte Preissteigerungen verursacht. Das Wirtschaftswachstum blieb schwach, die Ungleichheit nahm zu und jeder investierte US-Dollar verursachte 1,90 US-Dollar Schulden, schreiben die McKinsey-Analysten. Die Vermögensentwicklung, befeuert durch steigenden Aktienkurse und niedrige Finanzierungskosten, ist in Teilen von der wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt. „Die Botschaft aus unserer Analyse ist klar“, sagt Eckart Windhagen, Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. „Es gilt, das Produktivitätswachstum zu beschleunigen“.

Vermögensentwicklung entkoppelt sich von der wirtschaftlichen Entwicklung

Ganz neu ist diese Entwicklung nicht. Immer mal wieder war es in der Vergangenheit einfacher an den Finanzmärkten solide Renditen zu erwirtschaften als mit echtem Unternehmertum. Dennoch stehen die vergangenen zwanzig Jahre im deutlichen Kontrast zur Entwicklung der Vermögens- und Schuldensituation nach dem zweiten Weltkrieg. Folgte die Vermögensentwicklung vor der Jahrtausendwende noch der wirtschaftlichen Entwicklung, so entkoppelten sich diese Entwicklungen in den folgenden Jahren bzw. Jahrzehnten.

Beispielsweise stieg in Deutschland das Nettovermögen in der Zeit von 2000 bis 2021 vom 4,6-fachen auf das 6,2-fache des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im gleichen Zeitraum fiel das Produktivitätswachstum in den G7-Ländern von 1,8 Prozent auf 0,8 Prozent. Geld war in großen Mengen vorhanden, in den vergangenen Jahren auch sehr preiswert, dennoch wurde nur zurückhaltend investiert, sowohl von der Wirtschaft als auch vom Staat.

Das ist weder nachhaltig noch gesund, lautet das Fazit der Autoren. Vielmehr müsste vorhandenes Kapital stärker in Betriebe investiert werden, die die Wirtschaft insgesamt produktiver machen. Beispielhaft nennen die Autoren Investitionen in Automatisierung, Digitalisierung und insgesamt die Transformation der Wirtschaft. „Wir steuern auf eine Ära zu, die grundsätzlich anders aussieht als das, was wir aus den vergangenen 20 Jahren gewohnt sind“, sagt Jan Mischke, MGI-Partner in Zürich und Co-Autor der Studie. Wie die konkret aussehen könnte, haben die Autoren in vier denkbaren Szenarien illustriert, die sich an der wirtschaftlichen Situation in den USA orientieren.

Vier Szenarien beschreiben die Entwicklung von Inflation, Vermögen, Zins und Wachstum bis 2030

Vermögen der Welt - vier verschiedene Szenarien

Wie werden sich Vermögen, Wohlstand und Wirtschaftswachstum bis 2030 entwickeln? Die MGI-Analysten haben vier mögliche Szenarien entwickelt.

Szenario „Return to past era“

Im Szenario „Rückkehr zu früheren Zeiten“ haben die Analysten die USA zur Zeit vor der Finanzkrise 2008 vor Augen. In diesem Szenario geht die Inflation in den nächsten Jahren auf deutlich unter 2 Prozent zurück. Die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt lässt nach, und die Arbeitslosigkeit pendelt sich auf dem vorherigen oder leicht erhöhten Niveau ein. Die Nachfrage ist schwach, und das BIP-Wachstum ist wieder mittelmäßig und liegt bis 2030 im Durchschnitt bei etwa 1 %. Der Anteil der Gewinne am BIP nimmt weiter zu. Die realen Zinssätze werden wieder leicht negativ. Geld sucht nach Rendite und wird kaum in produktive Investitionen gelenkt und das Produktivitätswachstum bleibt gering.

Szenario „Higher for longer“

Im Szenario „Höher für länger“ würden Haushalte weniger sparen und Investitionen in zukunftsfähige Technologien beispielsweise zur Bekämpfung des Klimawandels deutlich zunehmen. Die Situation wäre vergleichbar mit der wirtschaftlichen Lage der USA nach dem Ölpreis-Schock Anfang der 1970er-Jahre, eine Zeit, die von hohen Inflationsraten geprägt war. Konkret könnte sich die Inflation bei etwa 4 Prozent einpendeln, etwa durch steigende Staatsausgaben und ein anhaltend knappes Arbeitskräfteangebot. Die Zentralbanken würden zwar mit steigenden Zinsen reagieren, könnten diese aber nicht so hoch anheben, wie es erforderlich wäre. Die Gesamtsituation würde zu Arbeitseinkommen führen, die stärker steigen als die Unternehmensgewinne. Am Ende würde das reale Einkommen der privaten Haushalte signifikant schrumpfen.

Szenario „Balance sheet reset“-

Als Bilanzsanierung beschreiben die Analysten ein Szenario, das sie als schlimmsten Fall für Vermögen, Einkommen und allgemein die Finanzstabilität betrachten. Es sei vergleichbar mit Japan nach dem Zerplatzen der Immobilienblase in den 1990er-Jahren. Stress, Risiken und vielleicht sogar Ausfälle in den Finanz- und Immobilienmärkten würden ein robustes Eingreifen des Staates und der Notenbanken erfordern. Die Folge wäre eine starke Korrektur der Vermögenswerte sowie eine längere Rezession. Die betroffenen Länder – und sogar die Weltwirtschaft – stünden vor einer Umschuldung oder einer langwierigen Phase des Schuldenabbaus. Unsicherheit und Risikoprämien steigen erheblich an, und die Geld- und Finanzpolitik wird gelockert, um die Wirtschaftstätigkeit zu stabilisieren. Weil Verbraucher Schulden zurückzahlen, anstatt zu konsumieren, wird die Nachfrage geschwächt mit Folgen für das Wirtschaftswachstum. Insgesamt sinken die realen Vermögen und das Vermögen der gesamten Volkswirtschaft insgesamt.

Szenario “Productivity acceleration”

Die Hoffnung der Analysten liegt auf dem Szenario der Produktivitätsbeschleunigung. Dabei nehmen die produktivitätssteigernden Investitionen stark zunehmen und sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Ein solches Szenario ist vergleichbar mit den USA in der 1940er bis 1950er-Jahren, teilweise auch mit dem Anfang dieses Jahrtausends. Die Entwicklung lässt sich auch als nachhaltiges und gesundes Wirtschaftswachstum bezeichnen. Mit dem Resultat, dass die realen Vermögen der privaten Haushalte signifikant steigen. Nur dieses Szenario kombiniert ein starkes Einkommens- und Vermögenswachstum mit einer gesunden Bilanz, so das Fazit der Analysten.

Die gesamte Studie „The future of wealth and growth hangs in the balance“ des McKinsey Global Institute (MGI) mit mehr Details, ausführlicheren Berechnungen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen ist kostenlos zum Download verfügbar.

(TF)

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