Den Deutschen wird gerne ein besonderes Verhältnis zum Sparbuch nachgesagt. Tatsächlich ist der Anteil dieser Sparform hierzulande im internationalen Vergleich nicht besonders hoch. Laut Statista Global Consumer Survey besitzen rund 46 Prozent der Deutschen ein Sparbuch, in Österreich und der Schweiz sind es 62 Prozent. Ein Grund dafür dürfte die lang anhaltende Niedrigzinsphase mit Guthabenzinsen von praktisch null Prozent sein.

Genau diese Zinsphase hat auch in der Bundespolitik ihre Spuren hinterlassen. Dabei geht es allerdings nicht um Guthabenzinsen, sondern um die nahezu kostenlose Verfügbarkeit von Geld. Dadurch wurden laut Bundesfinanzminister Christian Lindner über eine Dekade Sozialleistungen und Subventionen ohne nachhaltige Finanzierung beschlossen, die nun zu einer Finanzierungslücke führen. Laut Lindner wurde diese Lücke durch die niedrigen Zinsen verdeckt. Während der Bundeshaushalt 2021 mit rund vier Milliarden Euro Zinsen belastet wurde, sind es in diesem Jahr schon 40 Milliarden. Gegenüber der Rheinischen Post sprach Lindner nun von einer Finanzierungslücke von 14 bis 18 Milliarden Euro, trotz hoher Einnahmen von etwa 424 Milliarden Euro.

Alle Ausgaben kommen auf den Prüfstand

Wie diese Lücke geschlossen werden soll, ist Gegenstand der aktuellen Verhandlungen in der Ampel-Regierung. Deshalb wurden auch noch keine Eckwerte beschlossen, sondern der Regierungsentwurf wird erst für den Mai erwartet, nachdem die Steuerschätzung für Mai vorliegt. Bundesfinanzminister Lindner schwört die Koalition schon auf harte Einschnitte und unbequeme Entscheidungen ein. In der Rheinischen Post sprach er davon, dass die Politik wieder lernen müsse, mit dem erwirtschafteten Geld der Bürger auszukommen. „Da werden auch einige lieb gewonnene Gewohnheiten auf den Prüfstand gestellt werden müssen“, so Lindner.

Sparbuch für den Bundeshaushalt 2023 listet auf: Von Visagisten bis zu Klimaverträgen

An welchen Stellen die Regierung das Geld verprasst und wo Einsparpotenziale liegen können, hat der Bund der Steuerzahler (BdSt.) in seinem aktuellen Sparbuch für den Bundeshaushalt 2023 zusammengetragen. In den Medien hat vor allem das Budget für Friseure, Fotografen und Visagisten die Runde gemacht. Rund 1,5 Millionen Euro wendet die Regierung dafür auf, ein Plus von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Größter Einzelposten ist die Visagistin von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die für ihre Leistungen knapp 137.000 Euro erhalten haben soll, das entspricht etwa 2.600 Euro pro Woche. Der Bund der Steuerzahler empfiehlt für kosmetische Dienstleistungen zukünftig die Dienstaufwandsentschädigung von rund 3.680 Euro im Jahr zu nutzen, die jedem Bundesminister zusteht. 

Die wirklich großen Einsparpotenziale liegen aber in anderen Bereichen. Dazu zählt beispielsweise die starke Zunahme von Beauftragten und Koordinatoren. Aktuell beschäftigt die Bundesregierung 46 Beauftragte. Die sind unter anderem zuständig für den Tierschutz, für die Luft- und Raumfahrt, die transatlantische Zusammenarbeit oder Sucht- und Drogenfragen. Teilweise werden diese Positionen in Personalunion von leitenden Mitarbeitern der Ministerien übernommen. In einigen Fällen erhalten die Beauftragten eine Aufwandsentschädigung, die bis zu 45.000 Euro im Jahr betragen kann. Es werden aber auch Planstellen geschaffen mit monatlichen Bezügen, wie etwa für die Beauftragte für Kultur und Medien (162.000 Euro pro Jahr) und den Beauftragten für Datenschutz und die Informationsfreiheit (192.000 Euro pro Jahr). Besonders problematisch wird es, wenn mit der Beauftragung auch eine gut dotierte Stelle in der Bundesverwaltung verbunden ist. Der BdSt. nennt dafür die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt als Beispiel.

Gesamtetat des Deutschen Bundestags
Der XXL-Bundestag sorgt für explodierende Kosten.

Aber auch an anderer Stelle wird im Berliner Regierungsviertel das Geld verbrannt. Da ist an erster Stelle der XXL-Bundestag mit derzeit 736 Abgeordneten zu nennen. Die gesetzliche Soll-Größe liegt bei 598 Parlamentariern, der BdSt. schlägt sogar eine Obergrenze von 500 Abgeordneten vor. Verursacht wird das ausufernde Parlament durch unser Wahlrecht und den komplizierten Ausgleich von Ausgleichs- und Überhangmandaten. Das kostet den Steuerzahler in diesem Jahr rund 1,2 Milliarden Euro. Eine Reform ist also dringend notwendig, wurde von der Ampel inzwischen auch verabschiedet.

Deutschland leistet sich einen teuren Regierungsapparat

Eine zweite Baustelle ist der Erweiterungsbau des Kanzleramts, dessen Notwendigkeit schon von Bundesfinanzminister Christian Lindner infrage gestellt wurde. Durch den Bau sollen 400 neue Büros entstehen, damit zukünftig alle Mitarbeiter (aktuell 846) des Kanzleramts untergebracht werden können. Dann gehört das Bundeskanzleramt zu den größten Regierungsgebäuden der Welt. Schon jetzt ist es mit einer Nutzfläche von 25.000 m² größer als beispielsweise das Weiße Haus in Washington. Für den Neubau wurden ursprünglich 485 Millionen Euro eingeplant. Nach neuesten Berechnungen sind nun 777 Mio. Euro notwendig.

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Ebenfalls großzügig bemessen sind die Zuwendungen an die sechs parteinahen Stiftungen. Zwar wurden die Ausgaben im ersten Haushaltsentwurf noch reduziert, in den weiteren Verhandlungen aber wieder auf den vorherigen Stand gesetzt. Somit erhalten die Stiftungen aus dem Bundeshaushalt 160 Millionen Euro und zusätzlich 87 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt, 340 Millionen Euro vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und etwa 100 Millionen Euro vom Bundesbildungsministerium. Das macht in Summe fast 690 Millionen Euro, ein neuer Rekord. Der Steuerzahlerbund bemängelt nicht nur die Höhe der Zahlungen und verweist dabei auf die Regelungen in Österreich, sondern die intransparenten Regelungen bei der Stiftungsfinanzierung.

Diese sechs Stiftungen werden aus dem Bundeshaushalt unterstützt:

  • die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)
  • die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)
  • die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS)
  • die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS)
  • die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS)
  • die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS)

Subventionen für klimaneutrale Produktionsprozesse sind besonders teuer

Ein besonders dicker Brocken könnten laut Sparbuch für den Bundeshaushalt 2023 die Kosten für die Klimaneutralität in Deutschland werden, speziell die Ausgaben für die sogenannten Klimaschutzverträge. Darin verpflichtet sich der Staat, stark betroffenen Industrien die Mehrkosten für eine klimaneutrale Produktion auszugleichen. Betroffene Unternehmen sind in erster Linie aus der Grundstoffindustrie, die als besonders energieintensiv gilt. Dazu gehören Hersteller von Stahl, Aluminium oder Zement, aber auch in Teilen die chemische Industrie. Inzwischen ist klar, dass im Bundeswirtschaftsministerium nicht nur große Konzerne ausgewählt werden, sondern dass das Instrument auch auf den Mittelstand ausgeweitet wird. Das genaue Prozedere ist noch nicht bekannt, aber es läuft wohl auf eine Art Auktion hinaus.

Ziel der Klimaschutzverträge ist es, den Unternehmen ihren Wettbewerbsnachteil auszugleichen und sie zu Investitionen in klimafreundlichere Produktionsprozesse zu animieren. Das lässt sich der Staat etwas kosten. Für dieses Jahr sind etwa 2,2 Milliarden Euro für eine klimaneutrale Wirtschaft vorgesehen, die über das Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ bereitgestellt werden. Etwa 442 Millionen davon könnten für Klimaschutzverträge ausgegeben werden. Insgesamt könnten bis zum Jahr 2040 etwa 68 Milliarden Euro anfallen, die der Steuerzahlerbund als Subventionen für die Dekarbonisierung der Industrie bezeichnet. Ob dieses Instrument geeignet ist oder möglicherweise zu teuer und zu wenig effizient, ist unter Experten umstritten.

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Historisch hohe Gesamt-Kreditaufnahme

Insgesamt wird die Bundesregierung nach Angaben des BdSt. in diesem Jahr auf die historisch hohe Gesamt-Kreditaufnahme von 540 Milliarden Euro kommen. Deshalb lohnt sich der genaue Blick auf alle Ausgaben, mögen sie auch noch so klein sein. Ziel müsse es sein, so der Steuerzahlerbund, „Einnahmen und Ausgaben strukturell wieder in Einklang zu bringen“. Neben den bereits aufgeführten Beispielen listet der Verein im Sparbuch für den Bundeshaushalt 2023 noch weitere Ausgaben mit Sparpotenzial auf:

  • Projekt „Auswärtsspiel“ – Ziel ist es die Möglichkeiten digitaler Spiele für die Vermittlung außenpolitischer Fragestellungen auszuloten. Kosten etwa 300.000 Euro.
  • Klimafreundliche Organisatoren der EURO 2024 – Zur Unterstützung einer klimafreundlichen Fußball-Europameisterschaft werden die Organisatoren mit 1,6 Millionen Euro in diesem Jahr unterstützt. Im kommenden Jahr unterstützt das Bundesumweltministerium mit weiteren 3,4 Millionen Euro und 2025 dann nochmal mit 625.000 Euro.
  • Mit Augmented Reality zur Wunschfrisur – Bis 2025 unterstützt das Bundesforschungsministerium ein Projekt zur Entwicklung einer App, mit der Friseur und Kunde vor dem Einsatz der Schere über die gewünschte Frisur verständigen können.
  • Trainingsanlagen für den Zoll – Um die bewaffneten Zollbeamten besser zu schulen plant das Bundesfinanzministerium 11 bundeseigene Trainingszentren. Rund 46 Millionen Euro wird deren jährliche Nutzung kosten. Bislang reichten 4,1 Millionen Euro für Anmietung bestehender Anlagen.
  • Familien werden mit 1,1 Milliarden Euro beim Kauf einer Immobilie unterstützt, sofern diese hohe Standards an Klimafreundlichkeit und Energieeffizienz aufweist. Damit würde die dynamische Preisentwicklung am Immobilienmarkt weiter angeheizt, kritisiert der Steuerzahlerbund. Außerdem würde sich der Staat ein Vielfaches über die Grundsteuer zurückholen. Alles andere als kluge Politik, so das Urteil des Vereins.
  • Energiespartipps für die Bürger – Mit einer Informations- und Aktivierungskampagne will das Bundeswirtschaftsministerium die Deutschen zum Sparen anregen. 38 Millionen Euro wurden dafür im vergangenen Jahr ausgegeben. Dieses Jahr, 2024 und 2025 sollen jeweils weitere 15 Millionen Euro dazukommen. Macht in Summe 83 Millionen Euro. Ob die Kampagne ihren Sinn erfüllt, ist fraglich und kaum messbar.
  • Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Filmstandorts Deutschland gibt die Bundesregierung in diesem Jahr rund 41 Millionen Euro aus. Damit werden unter anderem internationale Serienproduktionen kofinanziert. Über den German Motion Picture Fund wird das Geld bereitgestellt, seit seiner Gründung 2016 bereits mehr als 225 Millionen Euro.

(TF)