Mit der Frühstart-Rente plant die Bundesregierung einen neuen Weg, um die private Altersvorsorge in Deutschland gezielt zu stärken. Künftig soll jedes Kind, das ab dem sechsten Lebensjahr eine deutsche Bildungseinrichtung besucht, monatlich einen staatlichen Spar-Bonus erhalten. Das Ziel hinter dem kapitalgedeckten Vorsorgemodell: Ein früher Einstieg in die Vermögensbildung und ein finanzieller Grundstein für den späteren Ruhestand. Die Idee klingt innovativ und könnte Antworten auf die Schwächen der traditionellen Riester-Rente liefern. Doch das Reformprojekt ist aktuell noch nicht beschlossen – und birgt gleich mehrere Herausforderungen und Risiken, die Experten und die Öffentlichkeit kritisch beleuchten.

Kernpunkte zur Frühstart-Rente:

  • Staat zahlt 10 Euro monatlich

  • Beginn ab sechs Jahren und Schule

  • Kapitalgedecktes, individuelles Spardepot

  • Verwaltungskosten und Bürokratie als Gefahr

  • Soziale Ausgewogenheit umstritten

Deep Research - Scoredex

Was steckt hinter der Frühstart-Rente?

Die Grundidee ist denkbar einfach: Jedes Kind erhält ab dem sechsten Lebensjahr monatlich 10 Euro von der öffentlichen Hand. Dieses Geld fließt in ein persönliches, privatwirtschaftlich organisiertes Kapitaldepot, welches bis zur gesetzlichen Altersgrenze unangetastet bleibt. Die Ansparphase ist zweistufig aufgebaut: Zunächst zahlt der Staat die Mittel ein, später können Eltern, Verwandte oder die jungen Erwachsenen selbst das Sparvolumen durch private Einzahlungen erweitern – allerdings mit einem definierten Jahres-Maximalbetrag. Die Erträge sind bis zum Renteneintritt steuerfrei, das Depot vor staatlicher Zugriffnahme geschützt.

Durch die lange Ansparphase kommt der Zinseszinseffekt ins Spiel: Wer früh spart, profitiert über Jahrzehnte von einem exponentiellen Wachstum seines Kapitals. Die Befürworter erhoffen sich, dass dies langfristig die Altersvorsorge stabilisiert und finanzielle Bildung fördert. Die „Frühstart-Rente“ gilt damit als direkte Reaktion auf die Unzulänglichkeiten der Riester-Rente: Diese garantierte zwar staatliche Zulagen, wurde aber von hohen Vertriebsgebühren und komplizierten Bedingungen getrübt.

Frühstart-Rente – Aktueller Stand und offene Fragen

Der Starttermin am 01.01.2026 wurde bereits als unrealistisch zurückgezogen. Im Koalitionsausschuss Anfang Juli 2025 wurde bestätigt, dass noch keine endgültige Entscheidung vorliegt und mit einem Beschluss erst im Herbst 2025 zu rechnen ist. Nach aktueller Planung sollen alle Kinder zwischen sechs und 18 Jahren in den Genuss der Frühstart-Rente kommen; die genaue technische Ausgestaltung – etwa die Nachweispflicht für den Schulbesuch, steuerliche Behandlung, Auszahlungskriterien und die Produktstruktur – steht allerdings noch nicht fest.

Politiker und Experten diskutieren zudem, ob sozial schwache Familien einen zusätzlichen Bonus erhalten sollten, etwa durch einen erhöhten staatlichen Einzahlungsbetrag oder verlängerte Ansparphasen. Auch die Einbeziehung älterer Kinder (Start ab Geburt) und eine Ausweitung der privaten Einzahlungsoptionen über das 18. Lebensjahr hinaus werden erörtert.

Ingo Linn - Vorstand / EFS EURO-FINANZSERVICE-Vermittlungs AG (Business-Leaders)

Die Vorteile der Frühstart-Rente

Befürworter betonen vor allem vier positive Aspekte:

  1. Frühzeitige Vermögensbildung: Kinder und Jugendliche lernen, wie Sparprozesse funktionieren und können ihr Kapital durch Eigenleistungen stärken.

  2. Langfristiges Kapitalwachstum: Dank des Zinseszinseffekts wächst das Guthaben von Kindesbeinen an.

  3. Eigenverantwortliche Altersvorsorge: Das Modell soll die Abhängigkeit von reinen Umlagesystemen (z. B. gesetzlicher Rentenversicherung) schrittweise senken.

  4. Finanzielle Bildung: Wer früh selbst einzahlt, entwickelt ein besseres Verständnis für Anlegen, Risiko und Konsumverzicht.

Die Hauptkritikpunkte und Risiken

Nicht alle sind überzeugt vom Plan der Bundesregierung. Insbesondere Experten aus der Finanzwirtschaft und Sozialpolitik weisen auf folgende Schwierigkeiten und Risiken hin:

1. Bürokratie und Verwaltungskosten

Der Aufbau eines Verwaltungssystems zur Identifikation, Auszahlung und Depotverwaltung ist aufwendig. Kritiker sehen hohe laufende Kosten und einen schwerfälligeren Verwaltungsapparat. Das kann die Wirksamkeit des Modells schmälern und Kosten in Milliardenhöhe verursachen.

2. Gefahr teurer Finanzprodukte

Die private Organisation durch Banken und Finanzdienstleister kann zu hohen Gebühren und intransparenten Produkten führen – ähnlich wie bei der Riester-Rente. Die Gefahr besteht, dass die staatlichen Gelder nicht optimal beim Sparer ankommen, sondern vor allem die Finanzbranche profitieren könnte.

3. Mangelnde soziale Fokussierung

Da alle Kinder – unabhängig vom Einkommen der Eltern – denselben Betrag erhalten, profitieren auch Wohlhabende. In der Kritik steht die fehlende Zielgenauigkeit: Besonders Bedürftige könnten durch hohe Hürden beim privaten Nach-Sparen und geringeren Möglichkeiten zur Erweiterung des Depots benachteiligt sein.

4. Falsches Signal zur Sparmotivation

Das Modell könnte suggerieren, dass der Staat für die private Vorsorge zuständig ist, ohne eigenes Engagement. Finanzpädagogen kritisieren, dass die Signalwirkung zum Konsumverzicht und eigenverantwortlichem Sparen zu kurz kommen könnte.

5. Offene Fragen bei Ausgestaltung

Details zur Produktstruktur, zum Datenschutz, zur steuerlichen Behandlung von Auszahlungen und zur Kontrolle der Anbieter sind bislang nicht geklärt. Die spätere Rentenphase ist noch nicht konkretisiert – weder hinsichtlich Auszahlung noch Besteuerung.

SQUAREVEST Agency

Reformbedarf und gesellschaftlicher Diskurs

Die Frühstart-Rente ist ein visionäres Modell, das den Startpunkt für die private Altersvorsorge weit nach vorne verlegt. Kinder und Jugendliche sollen früh mit Sparen und Kapitalbildung vertraut werden. Das kann – wenn Kosten begrenzt und Produkte fair entwickelt werden – einen wichtigen Beitrag zur Altersvorsorge leisten. Allerdings zeigen die offenen Fragen und Risiken, dass das Konzept noch viele Nachbesserungen braucht. Insbesondere die sozial gerechte Ausgestaltung sowie ein wirksamer Verbraucherschutz werden für den Erfolg entscheidend sein.

Für Eltern, Investoren und politische Beobachter bleibt die Zukunft der Frühstart-Rente spannend: Die laufende Debatte in Politik und Fachkreisen ist ein Beleg dafür, wie wichtig das Thema Altersvorsorge für die Gesellschaft ist – und wie komplex tragfähige Lösungen sein können.

Wer bekommt die Frühstart-Rente?

Anspruch auf die Frühstart-Rente haben alle Kinder, die zwischen 6 und 18 Jahren eine staatlich anerkannte Schule oder Bildungseinrichtung in Deutschland besuchen. Die Förderung ist an den Wohnsitz und den regelmäßigen Schulbesuch in Deutschland gebunden.

Wie funktioniert die staatliche Förderung?

Der Staat zahlt monatlich 10 Euro auf ein spezielles Depot, das auf den Namen des Kindes eröffnet wird. Die Zahlungen erfolgen ab dem 6. Lebensjahr bis zum 18. Geburtstag und werden in Fonds oder ETFs angelegt. Insgesamt ergibt sich ein Grundsockel von 1.440 Euro Förderung über 12 Jahre.

Kann ich das Depot vor der Rente auszahlen?

Nein, das angesparte Kapital ist bis zur gesetzlichen Altersgrenze (derzeit 67 Jahre) gesperrt und kann nicht vorher für Ausbildung, Wohnungskauf oder Notfälle genutzt werden. Die Erträge während der Ansparphase sind steuerfrei; die Auszahlung erfolgt im Ruhestand und unterliegt dann der regulären Besteuerung.

Reicht die Frühstart-Rente für die Altersvorsorge?

Die staatlichen Einzahlungen allein schaffen ein erstes Startkapital, das jedoch ohne private Zusatzbeiträge nicht reicht, um die Rentenlücke zu schließen. Die Frühstart-Rente soll einen Anreiz bieten, sich früh mit der eigenen Altersvorsorge und finanziellem Umgang auseinanderzusetzen. Entscheidend für eine höhere Rente ist jedoch regelmäßiges privates Nachsparen, vor allem ab dem 18. Geburtstag.