Der Wohnraum in Deutschland ist knapp und teuer. Aktuell fehlen mehr als 800.000 bezahlbare Wohnungen, vor allem in den Großstädten. Welche Faktoren sind für diese Entwicklung verantwortlich und welche Maßnahmen können ergriffen werden, um das Problem zu lösen? Damit beschäftigt sich der Berliner Architekt Tassilo Soltkahn. Mit seinem Konzept des Hybrid-Building Investment will er zur Lösung beitragen. Im Gespräch mit Business Leaders beantwortet er die fünf wichtigsten Fragen.
Sie haben sich mit der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt beschäftigt und nach den zentralen Ursachen gesucht. Sind sie fündig geworden?
Tassilo Soltkahn: Es gibt nicht die eine Ursache, die man nur beseitigen muss und schon ist das Problem gelöst. Die Preise für Grundstücke und Immobilien sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Während der Corona-Zeit kam es zum Zusammenbruch von Lieferketten, was sich deutlich auf die Baustoffpreise auswirkte. In den vergangenen Jahren waren wir mit steigenden Zinsen und einer tiefen Verunsicherung am Markt konfrontiert. Dies führte zu einem starken Rückgang der Bautätigkeit. Die Entwicklung zeigt jedoch eine Tendenz zur Normalisierung, wobei ein weiterer Anstieg der Immobilienpreise zu beobachten ist.
Welche Faktoren haben einen besonders starken Einfluss auf die Immobilienpreise?
Tassilo Soltkahn: Das ist zum einen das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Wenn mehr bezahlbare Wohnungen nachgefragt werden als verfügbar sind, kommt es zwangsläufig zu Preisanpassungen. Wir müssen also das Angebot erhöhen. Doch genau da liegt das eigentliche Problem. Wenn es in Deutschland nicht gelingt die Baukosten zu senken, können auch keine preiswerten Wohnungen gebaut werden. Es muss gelingen, Bauprojekte mit einem Quadratmeterpreis von 2.000 bis 3.000 Euro brutto zu realisieren, dann gibt es auch bezahlbaren Wohnraum. Doch das ist insbesondere in den Ballungsgebieten kaum möglich.
Als eine der wesentlichen Ursachen für die Entwicklung der Immobilienpreise wird vielfach der signifikante Anstieg der Baukosten genannt. Selbstverständlich sind die Preise gestiegen, zum Teil sogar deutlich. Gleichwohl stellen sie nicht den ausschlaggebenden Faktor für die gestiegenen Kosten dar. Auch die gestiegenen Finanzierungskosten sind nicht der ausschlaggebende Faktor für die hohen Immobilienpreise.
Die Vielzahl an Bauvorschriften stellt eine wesentliche Herausforderung dar, da sie einer pragmatischen Lösung häufig im Weg stehen. Zudem wirkt sich die gesamte Wertschöpfungskette einer Immobilie mit ihren zahlreichen Mitverdienern aus. Auch die Grundstückspreise und Nebenkosten spielen eine entscheidende Rolle. Als Bauherr hat man nur begrenzten Einfluss auf diese Faktoren. Eine Möglichkeit zur Optimierung stellt die Reduzierung der am Bau beteiligten Personen bzw. Unternehmen dar. Das Prinzip, das dahinter steht, heißt „Architects to Build“. Dieses Prinzip findet regelmäßig Anwendung beim Bau von Einfamilienhäusern. Wir planen, dieses Konzept auch auf Mehrfamilienhäuser und ganze Wohnprojekte zu übertragen.
Sie sprechen in diesem Zusammenhang von Hybrid-Building Investment. Was bedeutet das?
Tassilo Soltkahn: Vereinfacht gesagt vereinen wir zwei Konzepte mit denen sich Wohnimmobilien realisieren lassen. Auf der einen Seite das Architects to Build, bei dem Bauvorhaben ohne zusätzliche Bauträger umgesetzt werden. Das zweite ist das Build-to-Rent (BTR) Modell. Ein Ansatz, bei dem Wohnimmobilien speziell für die langfristige Vermietung gebaut werden.
Das Konzept des Hybrid-Building-Investments sieht den getrennten Erwerb und die separate Finanzierung von Grundstück und Gebäude vor. Die Entkopplung von Grundstück und Gebäude führt zu einer Reduzierung der Kosten, die ansonsten zu einer Erhöhung der Baukosten und somit der Mieten führen würden.
Die Investition erfolgt nach Abschluss eines Architektenvertrags, in dessen Rahmen zunächst die Vorarbeiten durch den Architekten durchgeführt werden. Der Architekt bearbeitet die Leistungsphasen 1 bis 4, d. h. von der Grundlagenermittlung bis zur Genehmigung. Der Vertrag dient der Sicherung der Planung sowie der Vorbereitung der planungsrechtlichen Grundlagen für den Grundstückskaufvertrag. Die Baugenehmigung wird direkt an den Bauherrn erteilt. Die Ausführung des Bauvorhabens erfolgt unter Aufsicht des Architekten in Zusammenarbeit mit regionalen Baufirmen.
Welche Vorteile sind damit verbunden, nach dem Konzept des Hybrid-Building Investment zu bauen?
Tassilo Soltkahn: Da ist an erster Stelle der preiswerter Wohnraum zu nennen, weil die Gebäude preiswerter erstellt werden. Die Entkopplung von Grundstück und Gebäude bietet aber noch einen weiteren Vorteil. Beispielsweise lassen sich die Anfangsinvestitionen, also der Kauf des Grundstücks aufteilen. Investor und Bauherr müssen nicht die gleiche Person sein. Ein Investor könnte das Grundstück auch langfristig an den Bauherren verpachten. Damit wird zugleich auch das Risiko aufgeteilt und dieses Vorgehen hat auch Auswirkungen auf die steuerliche Belastung beim Ankauf.
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, verschiedene Finanzierungsmodelle zu nutzen. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, das Grundstück langfristig und das Gebäude kurzfristig zu finanzieren. Das Modell ermöglicht Bauherren, ihr eingesetztes Kapital langfristig zu sichern und gleichzeitig regelmäßige Erträge zu erzielen. Das Hybrid-Building Investment stellt somit einen effektiven Bestandteil zur Sicherung der Altersvorsorge und des Vermögens dar.
Gibt es schon Projekt-Beispiele für das Konzept des Hybrid-Building Investment?
Tassilo Soltkahn: Wir haben das erste Projekt geplant und sind nun dabei es mit Investoren zu realisieren. Es geht um eine klimaneutrale Siedlung am Telzer Weg im brandenburgischen Dabendorf, also im Speckgürtel von Berlin und damit ideal für Pendler die außerhalb wohnen wollen, aber in Berlin arbeiten. In weniger als 30 Minuten ist man bereits im Süden von Berlin.
In Dabendorf sollen 7 Mehrfamilienhäuser entstehen, die jeweils 10 Wohneinheiten beinhalten und nach modernen technischen und ökologischen Standards errichtet werden. Unser Credo ist, nachhaltig, aber bezahlbar zu bauen. In Dabendorf kommen primär natürlich Materialien wie Holz, aber auch recycelte Baustoffe und CO2-neutraler Beton zum Einsatz. Die Anlage wird mit Energie aus erneuerbaren Quellen betrieben und ist durch die Bauweise auf Stelzen auch gegen Starkregenereignisse geschützt.
Aus meiner Sicht kann das Konzept des Hybrid-Building Investment einen wesentlichen Beitrag leisten, mit dem sich das Wohnproblem in Deutschland zumindest entschärfen lässt. Das habe ich auch schon Bundesbauministerin Klara Geywitz präsentieren können. Wir brauchen neue Lösungen und Denkansätze, mit denen wir pragmatischer bauen können und damit letztendlich auch die Immobilienpreise und Mieten senken. Das Projekt verbindet nachhaltiges Design mit einem minimalen Eingriff in die Natur.
Lesen Sie auch den Beitrag „Hybrid-Building Investment – Wohnungsbau und Vermögenssicherung“ auf SQUAREVEST. Mehr Informationen über das Projekt klimaneutrale Siedlung Dabendorf liefert auch die Webseite der Soltkahn AG.