Für jeden Deutschen gilt die 183 Tage Regel. Mit ihr kann jeder deutsche Staatsbürger seiner Steuerpflicht entkommen, falls er sich

  1. weniger als ein halbes Jahr in Deutschland aufhält und
  2. keine Einkünfte in Deutschland bezieht.
 Nutzt die 183 Tage Regel; Christoph Heuermann (32) aus Konstanz in Baden hält sich nirgendwo länger als ein halbes Jahr auf und zahlt Null Einkommenssteuer  © staatenlos.ch/christoph-heuermann/
Nutzt die 183 Tage Regel: Christoph Heuermann (32) aus Konstanz in Baden hält sich nirgendwo länger als ein halbes Jahr auf und zahlt Null Einkommenssteuer  © staatenlos.ch/christoph-heuermann/

Die 183 Tage Regel gilt auch unter der Ampel-Koalition, auch wenn aktuell Die Grünen/ Bündnis 90 eine Änderung in ihrem Programm haben.

Im Gegensatz zu den USA zählt in Deutschland und übrigens auch in Österreich nicht die Staatszugehörigkeit, sondern der gewöhnliche Aufenthalt.

Die 183 Tage Regel: Wie definiert der Gesetzgeber den gewöhnlichen Aufenthalt?

Paragrah 9 der Abgabenordnung besagt: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen […]“

Um die 183 Tage Regel zu nutzen, sind drei Dinge nötig:

1. Kein Wohnsitz mehr

Ulrich Walter, Geschäftsführer des International Center for Well-Being mit Sitz in Florida (USA), erklärt: „Deinen Wohnsitz aus Deutschland abmelden kannst du ganz einfach, indem du zum Einwohnermeldeamt gehst und dort mitteilst, dass du ins Ausland umziehst. Die einzigen Unterlagen, die du dafür benötigst, sind dein aktueller Personalausweis und ein ausgefülltes Abmeldeformular. Du wirst wahrscheinlich nach einer Folgeadresse gefragt, musst diese aber nicht zwingend angeben.

Danach bekommst du (je nach Meldeamt) einen kleinen Sticker in deinen Personalausweis, der bestätigt, dass du ‚keine Hauptwohnung mehr in Deutschland‘ hast. Außerdem erhältst du die Abmeldebescheinigung, die aus verschiedenen Gründen wichtig wird.“

Warum ist eine Abmeldebescheinigung wichtig?

Ulrich Walter: „Wichtig wird dies Abmeldebescheinigung vor allem:

  • für Passangelegenheiten bei der Auslandsvertretung (ohne Bescheinigung wird beispielsweise die Beantragung eines neuen Reisepasses deutlich teurer)
  • zur außerordentlichen Kündigung von Verträgen für Strom, Telefon oder Internet (die Bescheinigung ist keine Garantie, erleichtert aber die Argumentation)
  • um dem Finanzamt glaubhaft zu machen, dass du deinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt hast.“

     

    2. Keine Immobilien zur Eigennutzung mehr in Deutschland

Der deutsche Steuernomade Christoph Heuermann (32, zahlt als Dauer-Weltreisender nirgendwo Einkommenssteuern) ist Verwaltungswissenschafts-Absolvent der Uni Konstanz am Bodensee in Baden und Gründer des Schweizer Portals Staatenlos.ch. Er hat  im Juni 2020 in Kroatien einen „Staatenlos-Katamaran“ erworben, „mit dem er den immer krasseren Freiheitsbeschränkungen einfach davon segeln und von überall aus remote arbeiten kann.“

Heuermann rät zur Nutzung der deutschen 183 Tage Regel bezüglich von  Immobilien: „Deine Mietwohnung/Eigentum ist entweder gekündigt oder langfristig untervermietet. Die Untervermietung sollte nicht an Angehörige erfolgen. Genauso solltest Du keine volle Verfügungsgewalt (d.h. Schlüsselbesitz) über ein Zimmer bei Freunden oder der Familie besitzen. Was Verfügungsgewalt ist, ist oft Auslegungssache. Ein voller Kleiderschrank kann etwa schon Indiz dauerhaften Aufenthaltes sein. Eine sporadische Benutzung des Familien-Gästezimmers ist hingegen meist kein Problem.“

3. Verträge, die einen Aufenthalt belegen, kündigen

Der Rat von Null-Steuer-Zahler Heuermann in Sachen Verträge lautet: „In Deutschland laufende Verträge wie etwa Mobilfunk oder Internet, die meisten Mitgliedschaften wie etwa beim ADAC und mehr oder Abonnements von deutschen Zeitungen sollten gekündigt sein. Ein potentielles eigenes Auto sollte ebenfalls vom eigenen Namen abgemeldet sein.“

183 Tage Regel: Nicht die Fehler von Boris Becker und Nadja Auermann wiederholden

Hat die 183 Tage Regel nicht eingehalten: Boris Becker (55) wohnt seit Jahrzehnten bei seiner Mutter Elvira Pisch (87) im badischen Leimen und eben nicht in Monte Carlo im Fürstentum Monaco  © Instagram.com/BorisBeckerOfficial/
Hat die 183 Tage Regel nicht eingehalten: Boris Becker (55) wohnt seit Jahrzehnten bei seiner Mutter Elvira Pisch (87) im badischen Leimen und eben nicht in Monte Carlo im Fürstentum Monaco  © Instagram.com/BorisBeckerOfficial/

Christoph Heuermann warnt: „Schon das über Monate regelmäßige Übernachten für 2 bis 5 Tage pro Monat führt zum gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und Verfall der 183 Tage Regelung, selbst wenn Du keine 183 Tage an einem Stück hier lebst. Das ist etwa einst Boris Becker zum Verhängnis geworden, der vom Fiskus ausgenommen wurde, nachdem er in einem Zimmer seiner Mutter in Deutschland gelebt hat. Als Promi stand er allerdings auch unter gewisser Beobachtung der Presse – zumal sein Vermögen nicht unerheblich ist. Generell ist es schwer dies für Normalbürger zu überwachen, vorsichtig solltest Du dennoch sein.“

Die Nicht-Einhaltung der 180 Tage Regel wurde Boris Becker 2002 in einem Prozess vor dem Landgericht München zum Verhängnis. Er hatte sich von 1991 bis 1993 eben nicht nur in Monte Carlo aufgehalten, sondern jeweils mehr als 183 Tage auch in einer Münchner Wohnung. Dafür bekam er eine zweijährige Bewährungsstrafe und musste 500.000 Euro zahlen.

Nadja Auermann stolperte über Tank-Quittungen in Berlin Köpenick

Das in Dresden lebende Berliner Model Nadja Auermann (51) auf dem Life Ball 2007 in Wien © Wikimedia.org CC BY-SA 3.0
Das in Dresden lebende Berliner Model Nadja Auermann (51) auf dem Life Ball 2007 in Wien © Wikimedia.org CC BY-SA 3.0

Das in Dresden lebende Beriner Top-Model Nadja Auermann (51) wurde im Mai 2011 vom Kriminalgericht Berlin Moabit in erster Instanz zur Zahlung von 90.000 Euro verurteilt, weil die Steuerfahnder Quittungen fanden, die belegten, dass sie in ihrer Villa in Berlin Köpenick auch lebte, die sie sich seinerzeit im heimischen Monaco (1999 bis 2002) angeblich auf Drängen ihres Finanzberaters „in erster Linie als Investition“ gekauft habe, ohne sie zu vermieten. In zweiter Instanz senkte das Berliner Landgericht im März 2015 die Strafe auf 49.500 Euro ab – 330 Tagessätze á 150 Euro.

Der Kauf der Villa lief nicht über ihren eigenen Namen, sondern über zwei englische Kapitalgesellschaften. Das habe man ihr so empfohlen, sagt Nadja Auermann, damit gar nicht erst der Verdacht aufkommen könne, dass sie nach Deutschland umzusiedeln gedenke. Im Nachhinein wertet sie es als großen Fehler. Nicht zuletzt, „weil es Unmengen von Geld“ gekostet habe.

Entdeckt hatte dieses Konstrukt der Zollfahnder Carsten B., der auch gleich als erster Zeuge vernommen wird. Er sei durch ein anderes Verfahren auf die Spur von Auermann gekommen, sagt er vor Gericht. Zunächst sei gegen einen korrupten Kollegen ermittelt worden, in dessen Archiv dann auch Unterlagen der englischen Kapitalgesellschaften gefunden wurden.

Das geschah jedoch erst im Jahr 2004, als Nadja Auermann schon zwei Jahre offiziell in Potsdam wohnte und hier auch brav ihre Steuern zahlte. Entsprechend schwer war es für den Steuerfahnder, Beweise zu bekommen. Er spricht von Fotos, von Tankquittungen, von Telefonverbindungen und einem Bewegungsprofil.

Nach dem 2. Prozess 2015 kommentierte Auermann in der B.Z.: „Ich hatte damals keinen Wohnsitz in Deutschland. Ich kam mit dem Koffer, ich ging mit dem Koffer, ich war hier immer nur zu Besuch in dieser Zeit. Aber wenn man im Ausland lebt, sollte man am besten keinen Fuß nach Deutschland setzen und ja nicht seine Zahnbürste bei der kranken Mutter vergessen, die man besucht, sonst wird es einem als Wohnsitz ausgelegt. Ich wünschte mir eindeutigere Steuergesetze in Deutschland. Ich hatte teure Berater, weil ich dachte, die können das. Nach all den Jahren möchte ich eigentlich Ruhe, das Leben ist schön! Aber ich habe mich nicht strafbar gemacht. Vielleicht bin ich ja meschugge und kämpfe wie Don Quijote gegen Windmühlen, aber ich gehe in Revision.“ Und die Villa am Wasser in Köpenick? Auermann: „Die verkaufe ich jetzt.“

Christoph Heuermann zahlt nirgendwo Einkommenssteuer

Heuermann: „Falls Du einen festen Aufenthaltsort im Ausland hast, läufst Du natürlich Gefahr dort besteuert zu werden. Falls Du jedoch keinen festen Wohnsitz hast und nach der Philosophie des Perpetual Traveling ein staatenloses Leben führst, bist Du weltweit nicht steuerpflichtig. Und falls Du Dich aus guten Gründen irgendwo niederlassen möchtest, kannst Du mithilfe der Flaggentheorie Deine Steuerlast zumindest reduzieren! Vielleicht macht es sogar für Dich Sinn eine neue Staatsbürgerschaft zu erwerben? Viele Karibik-Staaten bieten etwa ihre Pässe zum Verkauf an.“

Der Zufluchtsort-Spezialist Dr. Christian H. Kälin, Chairman der Henley & Partners Holdings Ltd aus Zürich in der Schweiz, erlebt seit Russlands Überfall auf die Ukraine einen regelrechten Ansturm auf Zweitpässe ab 245.000 Euro, was Sie hier auf Business Leaders ausführlich nachlesen können. (FM)