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Es scheint, als würden viele Leute gerade jetzt nach der nächsten Dotcom-Blase, Bear Stearns oder Lehman Brothers Ausschau halten. Eine Flut von Negativmeldungen und Marktturbulenzen des Schweizer Bankenriesen Credit Suisse spricht von einem neuen Lehman-Moment.
Löst die Credit Suisse einen Lehman-Moment aus?
Die Krise von 2008 durch Lehman Brothers begann mit Subprime-Hypotheken, also Hypothekenkredite an Schuldner mit geringer Bonität und komplexen Finanzprodukten, entwickelte sich aber aufgrund des raschen Verlusts von Finanzmitteln für große Teile des Bankensystems zu einem epischen Desaster, einem Lehman-Moment.
Dieser Liquiditätsabfluss war deshalb so tödlich für die gesamte Wirtschaft, weil zu viele Banken zu sehr auf kurzfristige Finanzierung angewiesen waren. Heute können Banker und Vermögensverwalter von Unternehmen immer noch an vielen Stellen schnell an ihr Geld kommen, wenn sie unsicher werden – aber nicht mehr in demselben Maße wie vor 14 Jahren bei den Banken. Die Finanzwelt hat sich angepasst um einen erneuten Lehman-Moment zu verhindern.
Die Flut von Reformen nach dem Lehman-Moment hat den Banken einen weitaus besseren Schutz vor einem Run auf ihre Finanzmittel gegeben. Das mag vielen in der Finanzwelt und an den Märkten noch nicht ganz klar sein, aber das liegt zumindest teilweise daran, dass diese Sicherheitsmaßnahmen in der undurchdringlichen Sprache der Spezialisten verpackt und in Kennzahlen ohne offensichtliche Bedeutung ausgedrückt wurden.
Credit Suisse verfügt über gewaltige Rücklagen
Die Aktien von Credit Suisse fallen seit mehr als einem Jahr kontinuierlich, aber die Liquidität im gesamten Sektor dürfte nach Ansicht von Experten durch die neuen Sicherheitsmaßnahmen erhalten bleiben. In den letzten 5 Tage hat die Aktie sogar wieder knapp 29 % zugelegt. Im Vergleich zu 2018 notiert die Aktie heute jedoch 80 % tiefer. Der Lehman-Moment von 2008 wurde durch die Zahlungsunfähigkeit ausgelöst, ein Schuldenberg von über 200 Mrd. Dollar soll nach der Insolvenz von Lehman Brothers übrig geblieben sein.
Die Credit Suisse Group AG kann der Welt sagen, dass sie eine Liquiditätsdeckungsquote von 191 % hat, was die große Mehrheit der Leser irritieren wird. Die Liquidität ist deutlich höher als bei den meisten ihrer Konkurrenten. Diese Kennzahl spiegelt den Umfang der hochliquiden Finanzanlagen wieder, die die Bank zur Erfüllung kurzfristiger Verpflichtungen einsetzen kann, der Auslöser für den Lehman-Moment. Die liquiden Aktiva der Credit Suisse belaufen sich auf eine Höhe von 235 Mrd. CHF, und einer stabilen Nettofinanzierungsquote von 132% und machen damit einen Lehman-Moment sehr unwahrscheinlich.
Ulrich Koerner, der kürzlich ernannte Chief Executive Officer der Credit Suisse, hätte besser daran getan, sich an diese vergangenen Aussagen zu Liquidität zu erinnern, als er in einem Memo an die Mitarbeiter und Investoren vom 30. September die „starke Kapital- und Liquiditätsposition“ der Bank in einem Atemzug mit dem Begriff „kritischer Moment“ nannte.
Credit Suisse bietet 3 Milliarden CHF an um den Markt zu beruhigen
Die Credit Suisse gab am 07.10. bekannt, dass sie ein Barangebot für acht vorrangige Schuldverschreibungen in Euro oder Pfund Sterling im Gesamtwert von bis zu 1 Milliarde Euro unterbreitet. Gleichzeitig kündigt die Credit Suisse ein separates Barangebot für zwölf US-Dollar-Wertpapiere im Gesamtwert von bis zu 2 Mrd. USD an. Die Angebote gelten bis zum 3. bzw. 10. November.
Die Aktien der Credit Suisse legten darauf um 6,9% und die Kosten für die Versicherung gegen Zahlungsausfall (Credit Default Swaps, CDS) bei fünfjährigen vorrangigen Schulden fielen laut ICE Data Services auf 322 Basispunkte, nachdem sie Anfang dieses Monats auf ein beispielloses Niveau gestiegen waren. Die neue Züricher Zeitung nannte es „Die Fieberkurve des Misstrauens“.
Besitzer von einjährigen oder dreijährigen CDS der Credit Suisse freuen sich über jedes Gerücht, da die kurzfristigen CDS ungewöhnlicher Weise höher bewertet werden als das langfristige Risiko der fünfjährigen CDS. Der Schuldenrückkauf der Credit Suisse spiegelt ein 4,76 Milliarden Euro-Angebot der Deutschen Bank aus dem Jahr 2016 wider, als die Märkte den deutschen Kreditgeber im Visier hatten. Ein ähnliches, öffentliches Rückkaufangebot über 1 Milliarde Dollar hat die Deutsche Bank auch in diesem Juli für US-Anleihen gemacht.
Deutsche Bank im Keller
In den Sozialen Medien von Twitter, Youtube, Reddit und Facebook finden sich viele Horrorszenarien zur Zukunft der europäischen Großbanken Credit Suisse und Deutsche Bank. Die Kreditausfallversicherungen (CDS) sind für die Deutsche Bank ebenso, wie für UBS und die Credit Suisse in den letzten Tagen stark angestiegen. Der Aktienkurs der Deutschen Bank ist seit Anfang des Jahres wieder auf Talfahrt, nachdem seit Anfang 2020 der Kurs nach oben geklettert war.
Das Fieberthermometer des Aktienmarkts schlägt für diese Banken besonders aus, weswegen diese ihre Kredite teurer anbieten müssen, um die teureren Kreditausfallversicherungen zu bezahlen. Neben den CDS müssen die Banken seit dem Lehman-Moment aus 2008 enorm verschärften Bankenregulierungen befolgen und enorme Rücklagen bereitstellen, damit diese auch einen Umbau und eine Krise überleben können. Die Credit Suisse übertrifft viele Anforderungen sogar um gut ein Drittel, während die Deutsche Bank im letzten Jahr ebenfalls 243 Milliarden als Liquiditätsreserven ausweisen konnte.
Die bisher größte Panik durch steigende Kreditausfallversicherungen war im Jahr 2016 im Zusammenhang mit der Deutschen Bank. Es gibt Unterschiede zwischen der heutigen Situation der Deutschen Bank im Jahr 2016. Die Credit Suisse steht nicht vor einem Problem in der Größenordnung des 7,2 Milliarden Dollar schweren Vergleichs der Deutschen Bank, und die Kernkapitalquote (CET1) der Credit Suisse von 13,8 Prozent ist höher als die 10,8 Prozent, die das deutsche Unternehmen vor sechs Jahren hatte.
Experten gehen von keinem neuen Lehman-Moment aus
Analysten wiesen die Befürchtung für eine Finanzkrise 2.0 oder einen zweiten Lehman-Moment zurück, dass die Credit Suisse zusammenbricht und dies einen Dominoeffekt auf andere Finanzinstitute haben könnte. Credit-Default-Swaps sind kein perfekter Gradmesser für das Risiko, gerade weil sie Spekulationen unterliegen, so Ipek Ozkardeskaya, Analystin bei Swissquote. In der Finanzwelt geht es viel um Vertrauen, welches das Memo des CEO und das Rückkaufangebot zurückgewinnen will. Wenn die Credit Suisse keine Rettungsaktion braucht, dann ist sie nach all dem Gerede stark überverkauft und die Aktie ist eine Kaufempfehlung.
Es gibt einen viel einfacheren Weg, dies alles zu betrachten, nicht nur für die Credit Suisse, sondern für jeden Kreditgeber. Liquiditätsdeckungsquoten und stabile Nettofinanzierungsquoten sind ausgefeilte Instrumente, die für die Bankenaufsicht nützlich sind. Die meisten Anleger können sich jedoch selbst von den Unterschieden zwischen 2008 und heute überzeugen, indem sie eine einzige Seite in den Jahresberichten der Banken durchsehen, ihre normalen Bilanzen und insbesondere ihre Verbindlichkeiten.
Riesige Rücklagen für Kreditausfälle
Zum Beispiel den Anteil der langfristigen Schulden und der Einlagenfinanzierung im Vergleich zu 2007: Bei der Credit Suisse machen die langfristigen Verbindlichkeiten – der Name verrät es schon – 22 % der Refinanzierung aus, gegenüber 12 % im Jahr 2007. Einlagen machen jetzt 53 % der Refinanzierung aus, gegenüber 25 % im Jahr 2007. Einlagen können natürlich im schlimmsten Fall abgezogen werden, aber die Garantieprogramme schützen gewöhnliche Kundeneinlagen bis zu 100.000 Schweizer Franken (100.000 USD) in der Schweiz, was wirklich vor Panik und einen zweiten Lehman-Moment schützen sollte. Außerdem machen die Sichteinlagen der Credit Suisse – die Art, die am leichtesten zurückgenommen werden kann – derzeit nur 26 % ihrer Refinanzierung aus.
Weniger stabile Finanzierungen wie kurzfristige Kredite von Banken und Märkten sowie Handelspassiva machen heute 13,5 % der Refinanzierung der Credit Suisse aus, gegenüber 44 % im Jahr 2007. Schauen Sie sich die Bilanz von Lehman Brothers in ihrem Jahresbericht 2007 an. Lehman Brothers verfügte nicht über Einlagen, Lehman hatte jedoch eine Menge kurzfristiger Kredite von anderen Banken und Märkten, plus Handelsverbindlichkeiten und andere Gelder, die es Kunden schuldete, und diese summierten sich auf 77 % seiner Finanzierungsbasis. Langfristige Schulden machten dagegen nur 18 % aus.
Radikaler Umbau nach Problemen der Credit Suisse
Die Credit Suisse will ihre Kosten massiv nach unten bringen, auf 15.5 Milliarden Franken jährlich. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2021 belief sich der Geschäftsaufwand, auch wegen Sondereffekte, auf 19 Milliarden, im Jahr 2020 waren es 17.8 Milliarden. Dies führt vor Augen, dass die Credit Suisse einen radikalen Umbau ansteuert. Für das erste Halbjahr rechnet die Ratingagentur Moody’s mit 3 Milliarden Verlust der Credit Suisse und rechnet mit weiteren Verlusten für das zweite Halbjahr.
Die Credit Suisse versucht, sich von einer Reihe von Skandalen zu erholen, darunter der Verlust von mehr als 5 Milliarden US-Dollar durch den Zusammenbruch der Investmentfirma Archegos im vergangenen Jahr, als sie auch Kundengelder im Zusammenhang mit dem gescheiterten Finanzier Greensill sperren musste. Bewahrheiten sich die Einschätzungen von Moody’s, wäre es das zweite Jahr in Folge, mit Verlusten der Schweizer Bank.
Der Bankenanalyst J.P. Morgan stuft seine Bewertung für die Credit Suisse auf neutral hoch. „Wir sehen einen Mindestwert von 15 Milliarden Dollar für die Credit Suisse“, hielt Abouhossein fest. Dies liegt deutlich über dem gegenwärtigen Aktienkurs der CS-Titel. Die Börsenkapitalisierung des Finanzhauses notiert etwa bei 11 Millairden Dollar.
(TB)
Die Russische Nachrichtenagentur schreibt dazu: ( https://tass.ru/opinions/16015397 )
Auszug*
Erwarten wir den Bankrott der drei größten europäischen Banken?
Anfang Oktober 2022 gibt es für mittelfristig orientierte Anleger einen neuen und ernsthaften Grund zur Sorge. Es geht um die Probleme der großen europäischen Finanzinstitute Credit Suisse (CS, Schweiz), Societe Generale (GLE, Frankreich) und Deutsche Bank (DB, Deutschland).
Aus formaler Sicht ist der wahrscheinliche Zusammenbruch nationaler systemrelevanter Finanzinstitute möglicherweise nicht die Ursache für eine neue Wirtschaftskrise von regionalem oder globalem Ausmaß. Aber es wäre sicherlich ein Vorzeichen dafür.
…
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass alle drei problematischen Finanzinstitute auf der globalen Liste der systemrelevanten Banken (G-SIBs) stehen. Die in dieser Liste aufgeführten Banken sollten bei schwerwiegenden Problemen bedingungslose Unterstützung erhalten, auch auf staatlicher Ebene.
Auf dieser Grundlage würde ich nicht erwarten, dass Credit Suisse, Societe Generale und Deutsche Bank in den kommenden Monaten und Jahren in Konkurs gehen. Stattdessen sollte es Rettungsversuche durch die EZB und die europäischen Regierungen geben. Ein solches Szenario ist jedoch keine Garantie dafür, dass die Aktien der in Schwierigkeiten geratenen Banken noch etwas wert sind und weiterhin an den Börsen gehandelt werden.