Der Mensch macht Jagd auf Affenbabys. Affenbabys sind eine weltweit begehrte „Ware“, für die manche Abnehmer bis 250.000 US-Dollar (205.000 Euro) zahlen, obwohl das internationale Genfer Abkommen CITES, dem 128 Staaten angehören, das verbietet.

„So ein Affenbaby, das ist ganz klein. Zahm. Und das macht auch das, was du ihm sagst.“ Der Hamburger Journalist Michel Abdollahi (40) stellte am 4. Juni 2021 in der NDR-Talkshow seine ARD-Dokumentation „Planet ohne Affen“  vor, in der er unheimliche Machenschaften aufdeckt © Ausriss aus NDR-Talkshow
„So ein Affenbaby, das ist ganz klein. Zahm. Und das macht auch das, was du ihm sagst.“ Der Hamburger Journalist Michel Abdollahi (40) stellte am 4. Juni 2021 in der NDR-Talkshow seine ARD-Dokumentation „Planet ohne Affen“  vor, in der er unheimliche Machenschaften aufdeckt © Ausriss aus NDR-Talkshow

„Eine tote Affenmutter zu sehen, die eben noch gestillt hat und jetzt tot ist, weil man ihr Baby wollte, war sicher das Schwierigste“, meint der Hamburger Journalist Michel Abdollahi (40, bekannt aus der NDR-U-Boot-Talkshow Käpt’ns Dinner am Altonaer Fischmarkt).

Er verfolgte in seiner bewegenden Tier-Dokumentation „Planet ohne Affen“ die Spur des Handels mit Primaten. Die Dokumentation ist seit Montag, 7. Juni 2021, in der ARD-Mediathek zu sehen.

Für ein Affenbaby würden im Schnitt zehn Mitglieder seiner Familie getötet. Bis kurz vor der Ausbruch der Corona-Pandemie hatten er und sein Team auf der Suche nach Bonobos 2020 noch im Regenwald des afrikanischen Kongo gedreht.

Der Raub von Affenbabys ist illegal und Tierquälerei.

Doch der eigentliche Skandal ist: Die Welthandelsaufsichts-Behörde zum Schutz der Wild-Tiere  CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) mit Sitz in Genf greift nicht ein, selbst wenn ihr Beweise vorgelegt werden. Deutschland ist seit 1976 Mitglied. Für die Umsetzung ist das Bundesamt für Naturschutz in Bonn zuständig.

Ein geschützter junger Bonobo-Affe wurde illegal von Kongo nach Thailand verkauft, der Hamburger Journalist Michel Abdollahi (mitte) versuchte, den Affen auf dem CITES-Kongress in Genf 2019 zu retten. Doch der thailändische CITES-Chef Suraphong Chaweepak (links) nahm vor dem Kongo-CITES-Chef Augustin Ngumbi (rechts) Reißaus © Ausriss aus ARD-Reportage „Planet ohne Affen“
Ein geschützter junger Bonobo-Affe wurde illegal von Kongo nach Thailand verkauft, der Hamburger Journalist Michel Abdollahi (mitte) versuchte, den Affen auf dem CITES-Kongress in Genf 2019 zu retten. Doch der thailändische CITES-Chef Suraphong Chaweepak (links) nahm vor dem Kongo-CITES-Chef Augustin Ngumbi (rechts) Reißaus © Ausriss aus ARD-Reportage „Planet ohne Affen“

Abdollahi übergab den CITES-Chefs von Thailand, Suraphong Chaweepak, und Kongo, Augustin Ngumbi, Beweise, dass ein junger Bonobo illegal von Kongo nach Thailand verkauft und dort entgegen der CITES-Regeln privat gefangen gehalten wird. Abdollahi wollte erreichen, dass CITES das Tier befreit. Doch außer ein paar freundlichen Worten passierte nichts. Der Bonobo leidet weiter in Gefangenschaft. Die Weltorganisation verhandelt alle drei Jahre, zuletzt 2019 in Genf, welche Tiere und Pflanzen gehandelt werden dürfen. Es geht um Naturschutz und um Wirtschaftsinteressen. Nach den CITES-Regeln können Heimatländer ihre illegal gehandelten Tiere zurückfordern.

Abdollahi im Genfer CITES-Konferenzsaal: „Es ist wirklich bizarr. Wir haben Beweise, dass die kongolesische Regierung selbst am illegalen Tierhandel verdienen könnte. Aber sie ist auch eine der letzten Hoffnungen um den Bonobo zu retten.“

CITES-Kongo-Chef Ngumbi: „Wir werden auf die thailändischen Behörden zugehen und sie fragen.“

Abdollahi: „Das Tier hat keine Papiere.“

Ngumbi: „Dann sollen sie uns mal erklären, wie dieser Bonobo nach Thailand gelangt ist. Und wenn das illegal war, werden wir ihn zurückfordern.“

Da jedoch der thailändische CITES-Chef kurz darauf beim Zusammentreffen nicht mit dem kongolesischen CITES-Chef in der Pause im Genfer Kongresssaal sprechen wollte, bat  Abdollahi die CITES-Chefin auf der anschließenden Pressekonferenz um Unterstützung.

Ivonne Higuero, die CITES-Generalsekretärin, sagte: „Man möchte die Behörden von Thailand und des Kongo zusammenbringen, wenn sie dafür eine Lösung finden wollen. Aber natürlich bin ich als Generalsekretärin und auch das Sekretariat immer bereit zu helfen, wenn Sie so einen Fall haben. Aber es müsste mit der Zustimmung der Länder passieren, denn die treffen die Entscheidung auf nationaler Ebene.“

Abdollahi: „Und wenn die das nicht wollen?“

Die CITES-Chefin Higuero: „Dann können wir nicht viel tun. Wenn wir zum Beispiel herausfinden, dass dauerhaft illegaler Handel stattfindet, illegale Produkte beschlagnahmt werden oder uns eine Tierschutzorganisation Beweise vorlegt, dann untersuchen wir das. Wir sprechen die betroffenen Länder an. Und wie Sie Beweise haben, die Sie mir vorlegen wollen, dann habe ich damit keine Probleme. Wie gesagt, als CITES-Generalsekretärin kann ich vermitteln, aber es ist nicht so, dass ich etwas einfach so nur aufgrund Ihrer Aussage bei der CITES-Konferenz vorbringen kann.“

Abdollahi: „Wir haben ihr die Beweise geschickt. Es ist nichts passiert. Der Bonobo ist bis heute in Gefangenschaft.“

CITES „ist ein zahnloser Tiger“.

Warum, das erklärt der Journalist Adam Cruise „Ich komme seit Jahren zu den CITES-Treffen. Nicht nur zur großen Konferenz. Auch zu den regelmäßigen kleineren Treffen. Ich habe in Genf und überall in der Welt mit CITES-Mitarbeitern gesprochen. Und es ist schwer zu sagen, welchen Einfluss CITES hat. Kann CITES bedrohte Tiere schützen oder nicht? Das ist die große Frage.“

Abdollahi: „Tun sie es oder nicht?“

Cruise: „Nein, nicht wirklich. Eigentlich überhaupt nicht.“

Abdollahi: „Aber sie sollten?“

Cruise: „Ja, sie sollten. Aber das Problem ist, das CITES-Sekretariat hat zu wenige Mitarbeiter. Es besteht nur aus einer Handvoll Menschen. Sie gehen nicht in jedes Land und stellen sicher, dass die Regeln umgesetzt werden. Sie erwarten, dass die Länder die Regeln selbst durchsetzen. Aber niemand überprüft das. Deswegen passiert nichts.“

Abdollahi: „Wir haben uns einen konkreten Fall angeschaut. Und wir haben Unmengen an Beweisen in diesem Fall. Aber wir konnten nichts erreichen. Die Länderbehörden haben uns einfach abgewiesen.“

Cruise: „Das Tier ist verloren. Die Generalsekretärin kann nichts tun. Und, wie du schon sagtest, höher geht es nicht.“

Abdollahi: „Warum?“

Cruise: „Weil CITES so funktioniert. Es ist ein Fehler im System. Das Problem von CITES ist, dass es einem souveränen Staat nicht sagen kann, was er zu tun hat. Die sind freiwillig dabei. Die einzelnen Mitgliedsländer entscheiden also. Und nicht das Sekretariat. Das Abkommen ist ein zahnloser Tiger. Es hat keinerlei Wirkung.“

Michel Abdollahi zieht eine traurige Bilanz.

Vier Jahre lang habe er vergeblich versucht, Hilfe für die Affen zu finden: „Es gibt niemanden, der bereit ist, irgendwas zu tun. Nicht von oberster Ebene – nicht einmal die Vereinten Nationen, in die ich sehr viel Hoffnung gesetzt hatte. Die haben mich rausgeworfen. Wir haben alles versucht. Ich habe selbst an das britische Königshaus geschrieben, weil auch die sich dafür sehr einsetzen – Prince Charles und Prince William. Wir haben jetzt fast alle Menschenaffen ausgerottet. Das Thema wird sich, wenn wir nicht handeln, von selbst lösen, weil es dann keine Affen mehr gibt.“

Die Baby-Affen landen oft in Shows.

Promis und Influencer posieren mit ihnen auf Instagram. Prominente von Paris Hilton bis Mario Götze posieren auf ihren Social-Media-Profilen mit ihnen, Popstar Justin Bieber nahm sogar ein Äffchen mit auf Tournee.

Auch Michel Abdollahi träumte einst davon: „Als ich klein war, wollte ich unbedingt einen Affen haben“, erzählt der 40-Jährige zu Beginn von „Planet ohne Affen“. „Doch ich hatte keine Ahnung, welchen Preis dieser Wunsch eigentlich hat.“

Die Langzeit-Dokumentation, bereits bei zwei US-Festivals ausgezeichnet, entwirft ein erschütterndes Bild eines kriminellen globalen Wirtschaftszweigs und seiner skrupellosen Hintermänner. „Der illegale Tierhandel steht fast auf einer Stufe mit Menschen-, Drogen- und Waffenhandel“, konstatiert Abdollahi.

Wie viele Zuschauer sieht Abdollahi vermeintlich amüsante hiesige Fernsehaufnahmen mit Schimpansen wie etwa in einer Textilwerbung oder eine von Otto Waalkes fürs ZDF inszenierte Musiksendung („Ronny’s Pop Show“) heute mit anderen Augen. (FM)