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Nachdem das neue europaweite Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) erst am 01.01.2021 in Kraft getreten ist, wird jetzt wieder über ein neues EU-Gesetz zur Harmonisierung des Insolvenzrechts abgestimmt. Die Änderung durch das StaRUG umfasst auch Änderungen am Insolvenzrecht und konnte von allen EU-Mitgliedsstaaten erst nach einiger Zeit umgesetzt werden. Das Ziel der EU-Kommission ist die weitere Harmonisierung der teilweise sehr unterschiedlichen Insolvenzrechtsregime der Mitgliedsländer. Seit dem 07.12.2022 liegt ein neuer Richtlinienentwurf vor.
Harmonisierung des Insolvenzrechts in Europäischer Union
Der Vorschlag zur Harmonisierung des Insolvenzrechts ist Teil der im Jahr 2020 angekündigten EU-Initiative zur Kapitalmarktunion, einem Schlüsselprojekt zur Förderung der finanziellen und wirtschaftlichen Integration innerhalb der Europäischer Union (EU). Der Status Quo für das Insolvenzrecht in der EU ist derzeit nach nationalen Gesichtspunkten zersplittert und führt zu unterschiedlichen Ergebnissen mit unterschiedlichem Grad an Effizienz, was zu großen Unterschieden bei der Verwertung von Investitionen in insolvente Unternehmen innerhalb der EU führt. Deutschland hat zuletzt im Jahr 2020 das Insolvenzgesetz angepasst und während der Corona Pandemie eine Sonderregelung eingeführt.
Zielsetzung der Europäischen Kommission für die Harmonisierung des Insolvenzrechts:
Unterschiede in den nationalen Insolvenzgesetzen zu verringern
Vorhersehbarkeit von Insolvenzverfahren zu erhöhen
Verwertung des Wertes des insolventen Unternehmens für die Gläubiger zu maximieren
Informationskosten für Investoren zu verringern und dadurch grenzüberschreitende Investitionen zu erleichtern.
Es besteht allgemein Einigkeit darüber, dass die Vielfalt der nationalen Insolvenzgesetze die grenzüberschreitenden Geschäfte, Insolvenzverfahren und Umstrukturierungsmaßnahmen behindert. Gläubiger, die einem finanziell angeschlagenen Schuldner, der in einem anderen EU-Staat ansässig ist, einen Kredit gewährt, müssen sich des Risikos der Insolvenz des Schuldners bewusst sein. Das Insolvenzrecht des Schuldners kann sich massiv vom Insolvenzrecht des Heimatlandes des Gläubigers unterscheiden, was zu einer großen Rechtsunsicherheit für den Gläubiger führt und die Transaktionskosten für Kredit- und Sicherungsverträge erhöht. Besonders international tätige Fintech Start-Ups können sich bei einer Insolvenz schnell in so einer Situation wiederfinden
Harmonisierung des Insolvenzrechts in Kürze
Den offiziellen Vorschlag der EU zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts können Sie hier auf 74 Seiten nachlesen. Die wichtigsten Vorschläge in dem Richtlinienentwurf vom 07.12.2022 umfassen 4 wichtige Aspekte, darunter die Pflichten für Geschäftsführer, wie der Verkauf des Unternehmens ablaufen soll und wie man gegen Bestimmungen des Insolvenzverfahrens vorgehen kann.
Pflichten der Geschäftsführer bei Harmonisierung des Insolvenzrechts
Wenn der Richtlinienentwurf genehmigt wird, wären Geschäftsführer verpflichtet, spätestens drei Monate nachdem sie von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens Kenntnis erlangt haben, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Die Geschäftsführer würden persönlich für Schäden haften, die den Gläubigern infolge der Nichteinhaltung dieser Verpflichtung entstehen.
Pre-Pack-Verfahren
Einführung von Pre-Pack-Verfahren nach britischem Vorbild, bei denen der Verkauf des Unternehmens des Schuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgehandelt und kurz nach der Eröffnung des Verfahrens durchgeführt wird. In einer ähnlichen Form ist das Pre-Pack Verfahren bereits im deutschen Insolvenzrecht vorhanden. Das Ziel ist es dabei, die Insolvenzkosten und die Zeit für das Verfahren zu reduzieren. Es gibt jedoch einige wesentliche Unterschiede zum Pre-Pack-Verfahren nach dem britischen Vorbild sind:
Beschränkung der Möglichkeiten gesicherter Gläubiger, ein Kreditangebot abzugeben
Notwendigkeit einer gerichtlichen Genehmigung des Pre-Pack-Verkaufs
Notwendige laufende Verträge in der Regel an den Käufer abgetreten werden, auch ohne die Zustimmung der Vertragspartei/en.
Vermögensregister für Unternehmen
Der Richtlinienentwurf sieht die Stärkung eines grenzüberschreitenden Asset-Tracing vor, wodurch neue Vermögensregister bzw. eine Erleichterung des Zugangs zu bereits bestehenden Registern (z.B. der Zugang zu Bankdaten von Schuldnern). Damit soll ein Insolvenzverfahren schneller ablaufen und so den Erlös maximieren. Die europaweiten Vermögenswerte eines Unternehmens sollen aus Katasterregister, Grundbücher, Fahrzeug-, Schiffs-, Flugzeug und Waffenregister, Spendenregister, Sicherheitenverzeichnisse, Internetdomainverzeichnisse und weiteren Registern zentral zusammengefasst werden.
Vereinfachtes Verfahren für Kleinstunternehmen
Die Harmonisierung des Insolvenzrechts sieht ein vereinfachtes Insolvenzverfahren für Kleinstunternehmen vor. Um den restlichen Wert des kleinen, insolventen Unternehmen nicht unnötig zu belasten, dürfen andere Richtlinien angewendet werden. Unternehmen gelten als Kleinstunternehmen, wenn diese weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen bei einem jährlichen Umsatz von nicht mehr als € 2 Mio. oder einer Bilanzsumme von nicht mehr als € 2 Mio. Dabei sollen Teile des Insolvenzverfahrens standardisiert auf elektronischem Wege ablaufen und ein Insolvenzverwalter soll nur teilnehmen, wenn es von den Teilnehmern gewünscht ist.
Umsetzung von Richtlinienentwürfen in der EU
Die Richtlinienentwürfe, wie zum Beispiel die EU-Führerscheinrichtlinie, geben nur Mindeststandards vor, an denen sich europäischen Mitgliedstaaten halten müssen. Bei der Umsetzung dieser Standards in ihr eigenes nationales Recht wird etwas Flexibilität eingeräumt, um das geltende Recht nicht zu schnell und zu stark zu beeinflussen. Dementsprechend wären die neuen Vorschriften in den Mitgliedstaaten auch nach der Umsetzung nicht identisch.
Zeitplan
Üblicherweise durchläuft ein Richtlinienentwurf das übliche, langwierige europäische Gesetzgebungsverfahren, das zwischen 18 Monaten und einigen Jahren dauern kann. Nach der Umsetzung haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Da das Vereinigte Königreich kein Mitgliedstaat mehr ist, ist es natürlich nicht verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen.
Auswirkungen von der Harmonisierung des Insolvenzrechts
Eine gezielte Harmonisierung des Insolvenzrechts in der EU sollte als neue Richtlinie das Verständnis von Insolvenzverfahren in allen EU-Mitgliedsstaaten erleichtern und dazu beitragen, den Erlös aus Insolvenzen zu maximieren. Die Verpflichtung von Geschäftsführern, unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen – angeblich, um potenzielle Wertverluste für die Gläubiger zu vermeiden – dürfte jedoch in der Praxis die Rettungsbemühungen behindern. Sobald ein Geschäftsführer die Insolvenz meldet, gibt es kein Zurück mehr. Das deutsche Insolvenzrecht müsste nach dem bisherigen Entwurf aber kaum angepasst werden. Es ist wünschenswert, dass das deutsche Vorbild für Betriebsrenten bei einer Insolvenz ebenfalls zu einem Beispiel für die Harmonisierung des Insolvenzrechts wird. Der Richtlinienentwurf orientiert vornehmlich an einem Vorschlag zweier deutscher Hochschullehrer, die Grundprinzipien formuliert hatten, welche bereits in der deutschen Insolvenzordnung festgehalten sind.
(TB)
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