Heimliche Offshore-Firmen. Für ein paar Hundert Euro kann praktisch jedermann online innerhalb von drei Tagen eine Briefkastenfirma in einer Steueroase wie den Britischen Jungferninseln gründen.

Ohne Notar. Ganz legal. Die Ausweiskopie reicht. Über einen Stroh-Direktor kann man dann tatsächlich anonym Immobilien kaufen. Keiner fragt: Gehören die 30 Millionen Euro wirklich Ihnen? Woher stammt das Geld?

Offizielles Gruppenfoto zum 11. Geburtstag vor 10 Jahren von Präsidentensohn Heydar Alijew. Links: seine Schwester Leyla, Präsident und Papa Ilham. Rechts: First Lady und Mama Mehriban und Schwester Arsu © Offizielles Pressefoto Präsident Aserbaidschan
Immobiliengeschäfte mit Offshore-Firmen: Offizielles Gruppenfoto zum 11. Geburtstag vor 10 Jahren von Präsidentensohn Heydar Alijew (mitte). Links: seine Schwester Leyla, Präsident und Papa Ilham. Rechts: First Lady und Mama Mehriban und Schwester Arsu © Offizielles Pressefoto Präsident Aserbaidschan

 Dumm nur, wenn es – wie gerade eben veröffentlicht – ein Datenleck für die Offshore-Firmen gibt

Dann müsste man seinem Volk vielleicht doch erklären, warum Heydar Alijew, der Sohn des Aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew (59) aus Baku, im Jahr 2009 als Neunjähriger über eine Offshore-Firma im  Londoner Luxus-Viertel Mayfair in der Maddox Street mal eben einen ganzen Häuserblock kaufen konnte.

Im Alter von elf Jahren wurde Heydar Alijew nach Informationen der US-Zeitung Washington Post außerdem Besitzer von Luxusimmobilien in Dubai im Wert von 44 Millionen Dollar (rund 52 Millionen Euro).

Seine Schwester Arsu Alijewa kaufte im Jahr 2009 ebenfalls über eine Offshore-Firma für 35,5 Millionen Pfund (rund 42 Millionen Euro) im Londoner Szeneviertel Soho gleich neben Mayfair ein edles Haus im gregorianischen Stil mit der Nummer 56.

Journalistische Fragen beantwortet der Präsident nicht. Ein Sprecher erklärte nur, dass viele Firmen heute gar nicht mehr existieren würden und die Immobilien womöglich schon verkauft seien.

Für das Datenleck sorgte eine anonyme Quelle

Die vertraulichen Unterlagen stammen von 14 Offshore-Providern, also von Firmen, die ihren Kunden dabei helfen, Briefkastenfirmen, Trusts et cetera aufzubauen.

Die Daten geben Aufschluss über die wahren Eigentümer von mehr als 27.000 Offshore-Firmen. In den Daten finden sich Politikerinnen und Politiker, Superreiche, Oligarchen, Kriminelle und Prominente. Die vertraulichen Unterlagen umfassen Gründungsurkunden von Briefkastenfirmen und Trusts, E-Mails, Abrechnungen und andere Dokumente.

Unter dem Namen Pandora Papers in Anlehnung an den Panama-Papers-Skandal von 2016 veröffentlichte am 3. Oktober 2021 das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) aus New York ein neues Leck mit angeblichen Finanzgeheimnissen von über 35 aktuellen und ehemaligen Staatschefs sowie von mehr als 330 weiteren Politikern und Beamten aus der ganzen Welt. Die Publikation basiere auf einem Leck von 11,9 Millionen Dateien, so ICIJ. Demnach könnten viele bekannte Persönlichkeiten unter Druck geraten, die laut dem Konsortium Vermögen „mithilfe von intransparenten Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen“ angelegt haben.

Das ICIJ leitete bereits globale Recherchen zu Schattenfinanzplätzen, darunter die „Panama Papers“, die „Paradise Papers“ und die „Luxemburg Leaks“.

Häufig werden Briefkastenfirmen rechtlich in Ländern angesiedelt, die international durch eine schwache Geldwäschekontrolle, intransparentes Finanzgebaren und durch besonders niedrige Steuersätze auffallen.

Der Besitz von einer Briefkasten-Firma ist nicht illegal

Offshore-Firmen können auch zu legalen Zwecken genutzt werden. Häufig dienen derartige Firmen-Konstrukte aber der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung oder der Steuergestaltung.

Wie aus den Enthüllungen hervorgeht, zeigen sich die illegalen Machenschaften vor allem in gigantischem Immobilienbesitz der Betroffenen.

Russlands Präsident Wladimir Putin (68, Russische Förderation) soll sich über eine Offshore-Firma eine Luxus-Wohnung in Monaco (Wert knapp 3,5 Millionen Euro) unter den Nagel gerissen haben. Pikant: Bei der Inhaberin der Firma soll es sich um eine frühere Gespielin Putins (angeblich auch Mutter eines unehelichen Kindes) handeln.

„Wir haben da ehrlich gesagt keinerlei versteckte Reichtümer der nahen Umgebung Putins gesehen,“ kommentierte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Er bezeichnete die „Pandora Papers“ als eine Ansammlung „unbewiesener Behauptungen“.

Es gebe allenfalls Grund, die Rolle der USA als größte Offshore-Lagune und größte Steueroase zu hinterfragen, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Er sehe keinen Anlass, auf Grundlage der Recherchen irgendwelche Überprüfungen einzuleiten.

► Der frühere britische Premierminister Tony Blair (68, Labour Party) aus Schottland und seine Ehefrau Cherie (67) sollen sich ebenfalls eines Tricks bedient haben, um an eine millionenschwere Immobilie in der Londoner Innenstadt zu gelangen: Laut den Enthüllungen sollen die Blairs nachweislich legal die Zahlung von Stempelsteuern für das Anwesen vermieden haben, indem sie einfach die Offshore-Firma kauften, der das Anwesen gehörte.

► In Großbritannien sorgte vor allem für Aufsehen, dass ein Großspender der Konservativen Partei von Premierminister Boris Johnson (57) in einen Korruptionsfall um Telekommunikationsrechte in der Ex-Sowjetrepublik Usbekistan verwickelt sein soll. Der britische Finanzminister Rishi Sunak (41, Konservative Partei) und Johnson betonten, alle Spender würden genau überprüft. Der Milliardär wies die Vorwürfe zurück.

Der britische Finanzminister Rishi Sunak sagte dem Sender Sky News, dass die zuständige Steuerbehörde Untersuchungen einleiten werde.

Jordaniens Herrscher soll mindestens 30 Offshore-Firmen genutzt haben

Jordaniens König Abdullah II. soll laut den „Pandora Papers“ mindestens rund 30 Offshore-Firmen in Steueroasen genutzt haben, um 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien zu kaufen. Das so aufgebaute Immobilienimperium soll über 100 Millionen Dollar (rund 86 Millionen Euro) wert sein.

„Einige Presseberichte, die über die Immobilien des Königs veröffentlicht wurden, sind ungenau, verzerrt und übertrieben“, erklärte das Königshaus in Amman. Die Veröffentlichung von Adressen königlichen Eigentums sei darüber hinaus ein Sicherheitsrisiko für den Monarchen und seine Familie. Dem Staatschef wird bislang allerdings kein kriminelles Fehlverhalten vorgeworfen.

Der Präsident von Zypern, Nikos Anastasiadis (75, christdemokratisch-konservativen Partei Dimokratikos Synagermos), war demnach selbst im Offshore-Geschäft tätig mit einer Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.

► Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis (67) soll ein Landgut in Frankreich für 15 Millionen Euro auf intransparente Weise gekauft haben. Der Kaufpreis sei „über Briefkastenfirmen in Washington, Monaco und den Britischen Jungferninseln nach Frankreich“ geflossen, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Der Fall geht demnach auf das Jahr 2009 und damit auf die Zeit vor dem Eintritt des Multimilliardärs in die Politik zurück. Trotzdem könnten die Enthüllungen Babis schwer schaden: Am 8. und 9. Oktober 2021 stehen in seinem Land die Parlamentswahlen an.

Der Regierungschef wies die Anschuldigungen noch am Sonntagabend (3. Oktober 2021) zurück: Es sei klar, dass er weder etwas Ungesetzliches noch etwas Schlechtes getan habe, sagte Babis der Nachrichtenagentur CTK.

Er sprach von einem Versuch, ihn „zu beschmutzen und auf diese Weise die tschechischen Parlamentswahlen zu beeinflussen“. In der Vergangenheit hatte sich Babis oft als Kämpfer gegen Korruption dargestellt. Nach einer Umfrage im Auftrag des Senders „CNN Prima News“ würde die populistische ANO von Babis bei der anstehenden Parlamentswahl mit 27,3 Prozent der Stimmen deutlich stärkste Kraft werden.

Auch Claudia Schiffer, Shakira und Ringo Starr auf der Liste

In den Recherchen über Offshore-Firmen tauchten auch viele Prominente wie etwa das deutsche Model Claudia Schiffer, Ex-Beatle Ringo Starr und Popstar Shakira auf. Schiffer und Shakira verwiesen laut Süddeutscher Zeitung darauf, dass sie sich an sämtliche Gesetze und Vorschriften gehalten hätten. Ringo Starr antwortete nicht auf eine Anfrage der Journalisten.

► Als einzige deutsche Unternehmerin taucht in den Pandora Papers  Corinna zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (57) aus dem hessischen Bad Soden am Taunus auf.  Sie wurde  als „innige Freundin“ des ehemaligen spanischen Königs Juan Carlos I. international bekannt. Ihre Firma Apolonia Associates ist im Zusammenhang mit Offshore-Modellen zur Steuervermeidung schon in den Paradise Papers aufgeführt.

Deutschland: Ansporn, um Steueroasen auszutrocknen

Die Bundesregierung hat die sogenannten „Pandora Papers“ als weiteren Ansporn im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug bezeichnet.

Wie der Regierungssprecher Steffen Seibert (61) am 4. Oktober 2021 in Berlin deutlich machte, verfolge die Regierung die Berichterstattung sehr aufmerksam.

Die nun bekannt gewordenen „Pandora Papers“ seien ein „weiterer Ansporn, das zu tun, was diese Bundesregierung sich ohnehin zum Ziel gesetzt hat“. Seibert verwies auf Maßnahmen der amtierenden Regierung wie das sogenannte Steueroasen-Abwehrgesetz. Er betonte die Bedeutung einer internationalen Zusammenarbeit, um Steueroasen austrocknen zu können.

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, erste Vermutungen legten nahe, dass der Deutschland-Bezug „nicht so groß“ sei. Die neuen Enthüllungen unterstrichen die Notwendigkeit im Kampf gegen Steueroasen, zitiert sie die Deutsche Presse-Agentur. Sie verwies ebenso auf die Notwendigkeit einer effektiven weltweiten Mindestbesteuerung, damit Anreize für Briefkastenfirmen erheblich vermindert werden.

SPD-Chef: Veränderung mit einer „Koalition der Entschlossenen“

Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans (69) sieht angesichts der Enthüllungen um die „Pandora Papers“ zusätzlichen Gesetzgebungsbedarf im Kampf gegen Briefkastenfirmen. „Die schnelle Setzung klarer internationaler Regeln und ihre Anwendung hängt leider auch von Leuten ab, die jetzt durch die `Pandora Papers` enttarnt wurden“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Deshalb könne eine wirksame Veränderung nur mit einer „Koalition der Entschlossenen“ starten.

Deutschland müsse den Handlungsdruck auf der internationalen Ebene verstärken. „Wir haben aber auch bei uns weiteren Bedarf bei der Gesetzgebung und beim Vollzug“, so Walter-Borjans weiter. „Damit wird sich aber auch die nächste Bundesregierung weiter befassen müssen“, forderte der SPD-Chef.

„Wir können und müssen schon im eigenen Land beginnen: mit härteren Strafen für die Verletzung von Meldepflichten.“ Es gebe immer noch Leute, die behaupteten, Briefkastenfirmen sicherten Vermögende vor dem Zugriff böser Mächte.

„Tatsache ist, dass sich Top-Vermögende eigene Infrastrukturen geschaffen haben, um das Geld, das sie mit dem einfachen Volk verdienen, ungestört von diesem einfachen Volk genießen und vermehren zu können“, so Walter-Borjans. „Einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat dieser Sumpf sicher nicht.“ Briefkastenfirmen hätten nur eine Berechtigung, wenn sie Briefkästen herstellen. Und auch dann gebe es keinen Grund, Geschäftsführer und Sitz der Gesellschaft geheim zu halten.

Hessen bietet zentrale Auswertung an

Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (62, CDU) bot die zentrale Auswertung der „Pandora Papers“ an. „Sollten wir die ‚Pandora Papers‘ bekommen, werten wir diese mit aller Professionalität aus und versorgen Behörden weltweit mit Informationen.“ Sollten die Dokumente Hinweise auf Steuerkriminalität enthalten, würden diese konsequent verfolgen werden.

Steuerexperten fordern konkretere Schritte

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, kritisierte im Deutschlandfunk das Vorgehen Deutschlands und der EU gegen Steueroasen und Steuerhinterziehung als halbherzig. Steueroasen müssten international konsequent geächtet werden. In Deutschland müsse außerdem die Steuerprüfung besser werden. Fiktive Briefkastenunternehmen sollten zudem gesetzlich untersagt werden.

Auch Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit forderte im Deutschlandfunk ein Verbot von Briefkastengesellschaften. „Wir sollten ihnen zumindest verbieten, in Deutschland Geschäfte zu machen“, sagte er. 

Entscheidungsblockade in Brüssel

Die Europäische Kommission kündigte an, ihr Vorgehen gegen Steuerhinterziehung zu verschärfen. Der Sprecher von Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni (66, Demokratische Partei) aus Rom, Daniel Ferrie, verwies auf einen bis zum Jahresende geplanten Gesetzesvorschlag. Steuerhinterziehung und deren Vermeidung seien aber nicht nur Sache der EU, sondern „weltweite Themen, die auch weltweit angegangen werden müssen“, betonte er.

Auf europäischer Ebene bestehe bei der besseren Bekämpfung von Steuerumgehung und Steuerhinterziehung eine Entscheidungsblockade, erklärte der SPD-Europa-Abgeordnete Joachim Schuster (58) aus Bremen. Diese könne nur durch öffentlichen Druck aufgelöst werden. Derzeit seien für Neuregelungen einstimmige Beschlüsse notwendig. Diese kämen aber nicht zustande, weil einige Staaten wie Irland, Österreich oder die Niederlande selbst von den Missständen profitierten. Nötig seien deshalb künftig Mehrheitsentscheidungen.

Panama Papers sind 5 1/2 Jahr her

Vor fünfeinhalb Jahren hatten die „Panama Papers“ für Aufregung gesorgt. Durch die Enthüllungen gerieten Politiker, Geschäftsleute und Prominente unter Druck. So verlor der pakistanische Regierungschef Nawaz Sharif wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt. In Malta gab es im Juni 2017 wegen der „Panama Papers“ Neuwahlen, in Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson.

Der internationalen Medien zugespielte Datenberg zeigte damals große Geldströme nach Panama, wo Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214.000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten auf. (FM)