China ist der wichtigste Exporteur von Seltenen Erden und Technologiemetallen. Nun hat das chinesische Handelsministerium eine Ausfuhrbeschränkung für Gallium und Germanium angekündigt, zwei wichtige Technologiemetalle, die unter anderem für die Produktion von Mikrochips benötigt werden. Was bedeutet das für die deutsche Industrie. Rohstoff-Experte Andreas Kroll, CEO von Noble Elements, schätzt die Lage als Ernst ein, rät Unternehmen aber zu besonnenem Handeln.

Noch vor wenigen Tagen hatte Chinas Regierungschef Li Qiang auf einer Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums vor einer zunehmenden Politisierung der weltweiten Handelsbeziehungen gewarnt. Jetzt wurde eine neue Runde in den wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen China und den USA eingeleitet. Als Reaktion auf die Maßnahmen der US-Regierung, den Zugang Chinas zu wichtigen Halbleitern zu beschränken, wird die Volksrepublik im Gegenzug ab dem 1. August den Export wichtiger Technologiemetalle einschränken. Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums wären die Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit und der eigenen Interessen notwendig. Für Europas Wirtschaft ist das keine gute Nachricht, entsprechend stieg die Unsicherheit in den Unternehmen und die Nachfrage nach den Metallen zog spürbar an.

China dominiert den Weltmarkt für Gallium und Germanium

Germanium und Gallium sind die beiden Rohstoffe, die zunächst von den Ausfuhrbeschränkungen betroffen sind. Der Weltmarkt beider Metalle wird von China dominiert. Alleine mehr als 70 Prozent des in der EU verarbeiteten Galliums stammen aus China. Beim Germanium ist es knapp die Hälfte. Sowohl Germanium als auch Gallium wurden von der EU als kritische Rohstoffe mit strategischer Bedeutung eingestuft. Dabei sind sie gar nicht selten, werden aber aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit selten abgebaut bzw. produziert. Grundsätzlich will Europa seine Lieferketten breiter aufstellen und damit die Abhängigkeit von China verringern, insbesondere bei Rohstoffen, die eine große Bedeutung für die hiesigen Unternehmen und die Dekarbonisierung der Wirtschaft haben. Entsprechend zeigte sich EU-Vize Frans Timmermanns sehr besorgt angesichts der neuen Entwicklungen, auch wenn die konkreten Auswirkungen insbesondere für die europäische Industrie noch gar nicht absehbar sind. Als sicher gilt aber ein nachhaltiger Anstieg der Preise, denn Unsicherheit mögen Märkte überhaupt nicht.

Wem die Behörden die Ausfuhr genehmigen, ist vollkommen willkürlich

„Das Prinzip mit Ausfuhrgenehmigungen für seltene Rohstoffe kennen wir längst“, sagt Andreas Kroll, CEO von Noble Elements, der seit 2014 Seltene Erden und Technologiemetalle für die mittelständische Industrie in Europa importiert. „Ein Beispiel für diese Beschränkungen ist Hafnium, ein seltenes Technologiemetall, das vor allem wegen seiner Hitzebeständigkeit gefragt ist.“ Das Prozedere ist dabei so einfach wie willkürlich. Für die gewünschte Menge eines betroffenen Rohstoffs muss vom Hersteller eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden, die dann für 45 Tage gültig ist. „Wem die Behörde dann die Ausfuhr genehmigt, ist vollkommen willkürlich und entzieht sich jeder Planbarkeit“, sagt Andreas Kroll. Wer was, wann und wie viel bekommt, kann also von den chinesischen Behörden bestimmt werden, die damit einen wirksamen strategischen Hebel haben, ihre Interessen durchzusetzen. Kroll: „Das ist die Situation. Ob China davon aber wirklich Gebrauch macht, können wir derzeit noch gar nicht absehen.“

 

Tatsächlich hat das chinesische Handelsministerium am Donnerstag versucht, die Wogen zu glätten. Demnach würden die Maßnahmen kein vollständiges Ausfuhrverbot vorsehen, zitiert die Tageszeitung China Daily, eine Sprecherin des Ministeriums. „Die Exportkontrollen für Gallium und Germanium würden internationalen Praktiken entsprechen und zielten nicht auf ein bestimmtes Land ab. Vielmehr würden Genehmigungen erteilt, wenn die Vorschriften eingehalten werden.“

Andreas Kroll: Gallium, Germanium und Hafnium sind wichtige Rohstoffe für die Produktion von Hightech-Chips

So einfach lässt Andreas Kroll die chinesische Regierung aber nicht aus der Verantwortung und glaubt, dass der Markt zu Recht verunsichert ist. „Wir sehen eine Reaktion auf die USA, die ihrerseits durch Exportkontrollen für modernste Hightech-Chips die chinesische Wirtschaft von diesem Markt ausschließen will.“ Noch kann China diese Chips nicht selbst herstellen und ist auf den Import angewiesen. Doch das könnte sich mittelfristig ändern, wie Branchenexperten vermuten. Denn jetzt ist die chinesische Halbleiter-Industrie angehalten, ihre Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen, um in wenigen Jahren selbst Hochleistungschips herstellen zu können. Erst mal will man aber wohl die westliche Industrie etwas ausbremsen. „Dafür spricht die Auswahl der Metalle“, sagt Andreas Kroll. „Sowohl Gallium als auch Germanium, aber auch das schon von Exportkontrollen betroffene Hafnium sind wichtige Rohstoffe für die Produktion von Hightech-Chips. Alle drei stehen zukünftig unter staatlicher Kontrolle und könnten die Versorgungssicherheit gefährden.“

Die Unternehmen decken sich mit Vorräten an Gallium und Germanium ein

Wie stark sich die neuen Ausfuhrkontrollen unmittelbar auf die Unternehmen auswirken, ist momentan noch nicht absehbar. Dennoch kam es zu ersten deutlichen Reaktionen. „Wir haben in den letzten drei Tagen mit Gallium und Germanium so viel Umsatz gemacht wie sonst in drei Monaten“, beschreibt Andreas Kroll die Situation. „Durch unsere vorausschauende Lagerhaltung konnten wir den Bedarf auch komplett bedienen.“ Allerdings herrschte in den ersten Tagen nach der Ankündigung große Unsicherheit in den Unternehmen, und zwar hinsichtlich der zukünftigen Verfügbarkeit, aber auch bezüglich der Preisentwicklung. Von seinen Lieferanten bekommt Andreas Kroll klare Signale: „Man rechnet mit steigenden Preisen, und zwar auf allen Märkten in Japan, den USA und Europa. In China haben die Preise schon angezogen.“ In der Folge wollen die Unternehmen ihre Vorräte aufstocken und schaffen eigene Lagerkapazitäten. „Just-in-time-Lieferungen sind erstmal passé“, sagt Andreas Kroll. „Viele Unternehmen wollen bis Ende des Monats so viel Metalle aufkaufen, wie sie bekommen können.“ Neben dem Preis spielt auch die kurzfristige Verfügbarkeit eine Rolle bei der Entscheidung. Noch ist nicht absehbar, wie lange die jeweiligen Genehmigungsverfahren dauern werden. „Deshalb haben wir vorsorglich weitere Kontingente eingekauft und konnten dank unserer guten Kontakte in Fernost noch die alten Preise sichern“, so Kroll.

Andreas Kroll: Europa könnte mit einem blauen Auge davonkommen

Wohin die Reise geht, ist aber auch für Andreas Kroll schwer einschätzbar. Klar ist, so sein Urteil, das die Metalle in nächster Zukunft nicht mehr billiger werden. Es gibt neue Prozesse und neue Akteure. Das macht den kompletten Import komplizierter und damit auch teurer. Unternehmen müssen sich also auf steigende Kosten einstellen, Rohstoff-Investoren können aber von dieser Entwicklung profitieren. Unklar ist, wie sich Lieferzeiten verändern und wo möglicherweise Engpässe entstehen können. „Der Konflikt besteht ja primär zwischen den USA und China. Europa könnte mit einem blauen Auge davonkommen“, so Kroll.    

Andreas Kroll CEO Noble BC
Andreas Kroll, CEO von Noble Elements, Rohstoffexperte

„Bei den kritischen Rohstoffen ist die Abhängigkeit von China gigantisch. Da gibt es nichts schönzureden.“

Durch die neuerliche Verschärfung in den internationalen Handelsbeziehungen bekommt die EU mit ihrem Ziel, sich von China unabhängiger zu machen, neue Nahrung. Doch auch der schnell einsetzende Reflex – dann kaufen wir eben woanders – verkennt die aktuelle Situation auf dem Markt der Seltenen Erden und Technologiemetalle. Die Unabhängigkeitsbestrebungen stehen noch ganz am Anfang, kurzfristig ist keine Entspannung zu erwarten. „Nehmen sie Gallium als Beispiel. Gute Lieferanten sitzen in Russland, die in der Vergangenheit sehr gutes Gallium produziert haben und zuverlässig lieferten. Aber die fallen aus den bekannten Gründen aus“, so Kroll. „Dann haben wir noch Taiwan, wo man meist recyceltes Gallium beziehen kann.“ Es bleibt die große Frage, wie konsequent China die Ausfuhr der Metalle beschränkt und welche Mengen dann ausgeglichen werden müssen. „Große Mengen sind kurzfristig nicht ersetzbar“, sagt Andreas Kroll. „Neue Lieferketten zu etablieren, wird mehrere Jahre dauern“. Deshalb setzt Noble Elements auf direkte Minenbeteiligungen und versucht auf diesem Weg kurzfristig stabile Lieferketten aufzubauen. Kroll: „Wir arbeiten intensiv an einer Partnerschaft mit einer afrikanischen Mine, die bereits ab 2025 Seltene Erden nach Europa liefern könnte.

Große Mengen an Gallium und Germanium sind kurzfristig nicht ersetzbar

Damit Europa in Zukunft wieder über möglichst unabhängige, stabile Lieferketten für kritische Rohstoffe verfügt, müssen noch viele Schritte gegangen werden. Aktuell lassen sich wohl nur Löcher stopfen und extreme Engpässe vermeiden. Auch wenn die Erze aus anderen Teilen der Welt kommen könnten, steht am Ende immer noch die Raffinerie. Auch aus diesem Geschäft hat sich Europa verabschiedet und versucht nun wieder die ersten Schritte zu einer umweltfreundlicheren Weiterverarbeitung zu gehen. Beim Thema Recycling kann Europa inzwischen mit wichtigen Akteuren aufholen. „Dennoch, bei den kritischen Rohstoffen ist die Abhängigkeit von China gigantisch, da gibt es nichts schönzureden“, so Kroll. „Wir können aktuell nicht wirklich beurteilen, ob wir es mit einem kleinen Scharmützel zu tun haben oder ob uns China gerade die Gelbe Karte zeigt.“ Umso wichtiger ist es für den Rohstoff-Experten, dass die Politik diese Situation aktiv managt und versucht, weltweit neue Beschaffungswege aufzubauen.

„Wir brauchen eine Art Rohstoff-Taskforce, die mit einer Menge Geld ausgestattet ist und schnell handelt“, so Andreas Kroll, „denn genau das macht China auch.“ In einigen Jahren wird China seine Vorkommen an Seltenen Erden und Technologiemetallen selbst benötigen. Darauf bereitet man sich in Peking vor und ist längst auf weltweiter Shopping-Tour nach aussichtsreichen Erzvorkommen und lukrativen Minen. Europa darf dabei nicht ins Hintertreffen geraten, denn nur mit entschiedenem Vorgehen kann man die aktuellen Herausforderungen lösen und sich für zukünftige Überraschungen wappnen. Die für die Energiewende so wichtigen Seltenen Erden sind schließlich von den Ausfuhrkontrollen noch gar nicht betroffen. Andreas Kroll: „China kann der europäischen Industrie also noch jede Menge Schmerzen bereiten.“

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Info: Wofür werden Gallium, Germanium und Hafnium benötigt?

Weltweit werden rund 550 Tonnen des Technologiemetalls Gallium produziert. Zu seinen herausragenden Eigenschaften gehört sein niedriger Schmelzpunkt und gleichzeitig hoher Siedepunkt. Dadurch ist es für viele Einsatzbereiche unter anderem als Kühlmittel und für die Herstellung von grünem Wasserstoff unverzichtbar und kaum zu ersetzen. In der Natur kommt Gallium nur selten, meist in Verbindung mit anderen Erzen vor.

Die weltweite Produktion von Germanium fällt mit etwa 140 Tonnen etwas bescheidener aus. Das Metall wird gerne als kommender Superstar unter den Technologiemetallen behandelt, unter anderem weil es für moderne Glasfaserkabel und den Ausbau des Internets benötigt wird, aber auch im Wachstumsfeld autonome Fahrzeuge zum Einsatz kommt.

Vom unbekannteren Hafnium werden jährlich nur rund 36 Tonnen produziert. Hafnium ist sehr hitzebeständig und hat einen hohen Schmelzpunkt. Deshalb kommt es im Flugzeugbau zum Einsatz, in der Raumfahrt und der Kerntechnologie. Seite einigen Jahren stagniert die Produktion bzw. ist sogar leicht rückläufig. Das führt zu abnehmenden Lagerbeständen und bei weiterhin hohem Bedarf zu steigenden Preisen.

Lesen Sie auch das Interview mit Andreas Kroll und Lars Kruse: L. Kruse – A. Kroll – mit Noble BC in die Zukunft investieren (squarevest.ag)

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