Immobilien
Die Baukosten explodieren. Die Baufirmen wissen oft nicht, wie sie ihre Objekte zum einst vereinbarten Festpreis fertigstellen sollen.
Preisgleitungen waren bis vor kurzem überhaupt nicht nötig und waren daher auch nicht vereinbart worden.
Der Straßenbauermeister Rainer Bauer aus Kritzmow bei Rostock, stellvertretender Präsident des Bauverbands Mecklenburg-Vorpommern e.V., beklagte heute in der Ostsee-Zeitung:
„Es geht für die Firmen ums blanke Überleben.“
Die Baupreise seien innerhalb eines Jahres um durchschnittlich 14,5 Prozent gestiegen. „Wenn man von einer Gewinnmarge von 6,5 Prozent ausgeht, zahlen wir drauf.“ Material und Arbeit werden für die Unternehmen immer teurer.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. aus Berlin Schöneberg teilte dazu mit: „Seit Jahresbeginn 2021 sind deutliche Preissteigerungen bei Baumaterialien zu beobachten. Besonders betroffen sind hiervon Stahl, Bitumen, Holz, Kupfer und Bauchemie. Nachdem die Erzeugerpreise für Betonstahl in Stäben, Betonstahlmatten und Bitumen im Jahresdurchschnitt 2020 – aufgrund (Corona-bedingt) gesunkener Nachfrage in anderen Wirtschaftszweigen – zurückgegangen sind, haben diese seit Jahresbeginn 2021 wieder angezogen: Sie lagen (ohne MwSt.) im November 2021 um 40,4 %, 71,1 % bzw. 44,2 % über dem Niveau von Januar. Der Rückgang im November zum Vormonat bei Betonstahl von 0,9 % fällt dabei kaum ins Gewicht. Der Preis für Betonstahlmatten und insbesondere für Bitumen hat binnen Monatsfrist hingegen weiter zugelegt (+0,6 % bzw. 3,9 %).
Der Preisrückgang im Jahr 2020 wurde mittlerweile mehr als überkompensiert: Der Preis für Betonstahl in Stäben lag im November 2021 um 64,2 % über dem Niveau von November 2020, der Preis für Bitumen um 54,9 %, der für Kupfer um 29,7 %. Entsprechend werden steigende Energie- und Rohstoffpreise auch wieder stärker als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Unternehmens wahrgenommen: Im Rahmen der DIHK-Herbst-Umfrage gaben dies 74 % der befragten Bauunternehmen an, zu Jahresbeginn waren es nur 35 %.“
Noch mehr Baukosten: Auch die Bauleistungen steigen im Preis
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. prognostiziert: „Die Nach einem moderaten Preisanstieg für Bauleistungen 2020 von 1,8 %, beziehungsweise für Leistungen des Bauhauptgewerbes von 1,5 % erwartet die BAUINDUSTRIE aus oben genannten Gründen für 2021 – neben Verzögerungen bei Bauprojekten wegen Materialmangels – wieder stärkere Preissteigerungen bei Bauleistungen.
Die Prognosen der Forschungsinstitute liegen zwischen 5,3 % (Institut für Wirtschaftsforschung München vom 22.09.2021) und 7,1 % (DIW vom 16.09.2021).
Ob es sich bei der aktuellen Entwicklung um einen sogenannten Superzyklus oder nur um eine kurzfristige Rallye – aufgrund der verringerten Produktionskapazitäten, der stark gestiegenen Nachfrage und der gestörten Lieferketten – handelt, lässt sich jetzt noch nicht absehen.“
Die Gründe für die Preissteigerungen sind komplex
Gründe für den deutlichen Preisanstieg sind laut Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. begrenzte Lieferkapazitäten der Hersteller aber auch Transportkapazitäten wegen der wieder anziehenden Nachfrage in einzelnen Wirtschaftszweigen und Regionen wie Asien und den USA.
Gleichzeitig wurden in Zeiten jahrelang stagnierender Preise Überkapazitäten abgebaut und Investitionen zurückgefahren. Des Weiteren wurden Lieferketten durch Hafensperrungen (z.B. in China) unterbrochen, zusätzlich herrschen Container- und Hafenpersonalmangel sowie ein Stau von Frachtschiffen und überfüllte Depots in einzelnen Häfen. Auch wird vermehrt über „Hamsterkäufe“ zur Vorbeugung gegen weitere Preissteigerungen berichtet, welche die Nachfrage und somit die Preise erhöhen.
Hinzu kommt ein wachsendes Interesse von Investoren an Rohstoffen, insbesondere an Öl und Industriemetallen, welche als Absicherung gegen Inflation dienen sollen. Der Ölpreis wurde zwischenzeitig durch die gestiegene Nachfrage in den USA aufgrund des sich dort wieder erholenden Flugverkehrs befeuert. Die zwischenzeitige Entscheidung der OPEC die Ölfördermenge nur marginal zu erhöhen sowie die steigenden Gaspreise, die zu einem Umstieg auf Öl für die Stromerzeugung geführt haben, hat zu weiteren Preissteigerungen beigetragen.
Die Bauunternehmen sind auch von Knappheiten und Preissteigerungen bei Holzprodukten (welche aufgrund gestiegener Nachfrage aus den USA vermehrt exportiert werden) und Dämmstoffen betroffen. So lag der durchschnittliche Preis für Bauhölzer im November 2021 um 83,3 % über dem Niveau von Januar. Hier scheint allerdings eine Preisberuhigung in Sicht zu sein: Der Preis lag im Oktober um 10,1 % und im November um 9,9 % unter dem jeweiligen Vormonat. Der Erzeugerpreis für Dämmplatten aus Polystyrol hat sich auch deutlich erhöht: Er lag im November um 29,1 % über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Vormonatsvergleich wurde ein leichter Rückgang von 1,0 % ausgewiesen.
Künftige Preistreiber sind das Bauprogramm in den USA und die Energiewende
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. warnt: „In naher Zukunft werden aber weitere Faktoren relevant: Zum einen das (zusätzliche) 550 Milliarden-Dollar-Paket für neue Infrastrukturprojekte in den kommenden zehn Jahren in den USA und zum anderen die Energiewende.
Beides dürften große Treiber der Rohstoffnachfrage und somit der Preise sein. Für die Energiewende werden unter anderem Stahl und Seltene Erden für Windräder und Elektromotoren und Kupfer und Aluminium für den Ausbau der Stromnetze und der IT-Infrastruktur benötigt.
Dies sind alles Produkte, die auch in der Bauwirtschaft gebraucht werden. Das Problem: Die steigende Nachfrage trifft in vielen Teilen des Marktes auf ein knappes Angebot. Weitere Preissteigerungen könnten die Folge sein.“
Baukosten: Was tun die Firmen in Not?
Die Ostsee-Zeitung schreibt heute: „Um das auszugleichen, versuchen die Firmen bei Auftraggebern einen Nachschlag zu fordern – selbst wenn zuvor ein Festpreis ausgemacht wurde.“
Ostsee-Zeitung: „Das grenzt an Erpressung“
Axel Büssem von der Ostsee-Zeitung kommentiert: „Das grenzt an Erpressung. Denn dahinter steckt die Aussage: ‚Wenn Du nicht bezahlst, wird Dein Haus erst am Sankt-Nimmerleins-Tag fertig.‘“
Bauunternehmer Rainer Bauer verteidigt sich:
50 Cent mehr pro Liter Sprit
Bauer: „Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir für einen Liter Sprit 50 Cent mehr bezahlen müssen?“ Für sein eigenes Unternehmen bedeute alleine der höhere Dieselpreis Mehrkosten in Höhe von 60.000 Euro. „Das Geld muss irgendwo herkommen, sonst kann ich zumachen.“
Auch die massiv gestiegenen Transportkosten der Baustoffe schlagen zu Buche: „Teilweise ist der Transport teurer als das Material“, so Bauer. Das führe etwa dazu, dass ein Granitblock heute 60 Euro koste. „Eingeplant habe ich einen Preis von 45 Euro.“
Überstunden abbummeln statt auszahlen lassen
Hinzu kämen gestiegene Löhne, klagt Bauer. Als Folge davon würden Mitarbeiter zudem Überstunden lieber abbummeln, als sie sich auszahlen zu lassen, weil sie auch ohne das zusätzliche Geld gut verdienten. „Wenn dann in Mecklenburg-Vorpommern auch noch der Frauentag als zusätzlicher Feiertag dazukommt, fehlen alleine in meinem Betrieb weitere 160 Arbeitsstunden.“
Büssem fragt dann in seinem Kommentar auch selbst: „Doch was bleibt den Baufirmen übrig? Dass die Kosten in dem Maße durch die Decke gehen würden, ließ sich kaum vorhersehen. Nachverhandlungen sind da das einzige Mittel. Sonst könnte den Unternehmen die Insolvenz drohen, und damit wäre auch niemandem geholfen.“
Sein Rat: „Das Vorgehen der Baufirmen ist daher grenzwertig, aber wohl der goldene Mittelweg, der beiden Seiten das Schlimmste erspart. Eine erträgliche Erpressung sozusagen.“
Dieses Problem gilt nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern, sondern für ganz Deutschland
Von den Knappheiten ist eine noch nie dagewesene Anzahl an Unternehmen betroffen: Im Rahmen des ifo Konjunkturtests gaben im März 2021 nur 4 % der befragten Bauunternehmen an, in ihrer Bautätigkeit durch Materialknappheit betroffen zu sein, im April 2021 waren es 19 % und im Juni 2021 schon 46 %. In den Folgemonaten kam es zur leichten Beruhigung: Der Anteil lag im Dezember 2021 aber immer noch bei 28 %.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.: „Für Bauunternehmen liegt das Problem von unerwartet starken Preissteigerungen darin, dass diese bei langlaufenden Projekten nicht an die Auftraggeber weitergegeben werden können – sofern keine Preisgleitung vereinbart wurde.“
So gaben in einer aktuellen Herbst-Umfrage der Creditreform nur 16 % der befragten Bauunternehmen an, dass sie die Preiserhöhungen vollständig an die Kunden weitergeben konnten. 70 % können diese nur zum Teil weitergeben, der Rest bleibt komplett auf den zusätzlichen Kosten sitzen, was zu Lasten der eigenen Marge geht.
Dieses Risiko kann entweder nur durch langfristige Lieferverträge, über Preisgleitklauseln oder über entsprechende Kostenpuffer im Angebot abgesichert werden
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. schätzt dazu ein: „Letzteres ist bei der ausgesprochen volatilen Preisentwicklung der vergangenen Jahre und bei steigendem Konkurrenzdruck und der Neigung öffentlicher Auftraggeber, regelmäßig das billigste Angebot anzunehmen, aber nicht immer möglich. Es besteht somit die Gefahr, dass die – in den vergangenen Jahren mühsam aufgebaute – Eigenkapitalausstattung bei sinkenden Margen wieder abschmilzt und das Insolvenzrisiko im Baugewerbe wieder steigt.“
Lieber kaufen statt bauen
Um das Bauherrenrisiko abzumildern, kaufen Investoren inzwischen lieber, als neu zu bauen. Diesen Trend können Sie hier auf Business Leaders nachlesen.
Wie Christian Lindner den Neubau steuerlich fördern will
Wie der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner (42, studierter Politikwissenschaftler, Ex-Internetunternehmer und Ex-Stromhändler, FDP) aus Berlin Schöneberg dennoch den Neubau von Wohnungen fördern will, Stichwort Immo-Abschreibung, berichtet Business Leaders. (FM)
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