Der digitale Euro ist in aller Munde: Seit dem Start der zweijährigen Untersuchungsphase zum digitalen Euro im Oktober 2021 sorgt die geplante Einführung im Jahr 2026 für kontroverse Debatten in der Finanzwelt. Im Oktober 2023 wird nun die endgültige Entscheidung getroffen werden. Während Befürworter den digitalen Euro als eine Chance für eine effiziente und sichere Zukunft im Zahlungsverkehr sehen, befürchten Kritiker die Einschränkung von Freiheit und Privatsphäre durch eine digitale Währung. Europa steht am Scheideweg: Digitaler Euro als Revolution oder Alptraum? In diesem Artikel erklären wir, was hinter der digitalen Währung steckt. Wir gehen den Vor- und Nachteilen des digitalen Euros auf den Grund und beleuchten die Perspektiven von Befürwortern und Kritikern.

Digitaler Euro
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Digitaler Euro: Was genau ist er und ab wann kommt er?

Der digitale Euro ist eine digitale Version der europäischen Währung Euro (€), die von der Europäischen Zentralbank (EZB) herausgegeben wird. Der Fachbegriff für ein solches Digitalgeld, herausgegeben durch die Regierung, lautet CDBC. Vielleicht sind Sie bereits auf den Begriff „digitaler Yuan“ gestoßen, insbesondere im Zusammenhang mit China. China hat derzeit eine der höchsten Implementierungen des digitalen Yuans über die Alles-App „WeChat“.

Exkurs: Was sind CBDCs eigentlich? 

CBDCs (Central Bank Digital Currencies) sind digitale Währungen, die von Zentralbanken herausgegeben und verwaltet werden. Im Gegensatz zu privaten Kryptowährungen wie etwa dem Bitcoin sind CBDCs Zahlungsmittel, die von Regierungen und Zentralbanken anerkannt sind und Regulierungen und Kontrollen unterliegen wie Fiat-Währungen. CBDCs können entweder in Form von Retail-CBDCs direkt an Endnutzer oder Wholesale-CBDCs, die nur zwischen Finanzinstituten gehandelt werden, ausgegeben werden. Der Entwicklungsstand von CDBDs auf der Welt kann unter cbdctracker.org getrackt werden.

Die geplante Einführung des digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB) soll keine neue Währung darstellen, sondern vielmehr als digitale Ergänzung zu Bargeld und Zentralbankeinlagen dienen. Damit sieht die EU im digitalen Euro ein Chance, der demnach eine neue Form des Euro darstellt, ohne dass sich seine Bewertung im Vergleich zum herkömmlichen Euro ändert. Ziel ist es, den Zahlungsverkehr schneller, sicherer und effizienter zu gestalten sowie Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen heißt es im Report zum digitalen Euro, herausgegeben durch die EZB. Der digitale Euro soll zudem eine Alternative zu privatem Geld wie etwa der Kryptowährung Bitcoin bieten.

Die zweijährige Untersuchungsphase, die Mitte 2021 startete, ist mittlerweile fast abgeschlossen. Die endgültige Entscheidung über die Einführung des Zentralbankgeldes 2026 wird nun im Oktober 2023 getroffen werden.

 

Pläne der EU: EZB plant Einführung des digitalen Euros in 2026

Die geplante Einführung des digitalen Euros als neue digitale Währung kann als Antwort auf private digitale Währungen wie Bitcoin oder die gescheiterte Facebook-Währung Libra (heute umbenannt in „Meta“) gesehen werden. Weitere große Konkurrenten sind die etablierten Zahlungsunternehmen Mastercard und Visa sowie die mobilen Bezahldienste Google Pay, Apple Pay und Paypal. Da diese Unternehmen ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben und einen großen Teil des elektronischen Geldverkehrs abwickeln, betont Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, die Bedeutung einer unabhängigen europäischen Lösung.

Die Wertkoppelung des digitalen Euro an den physischen Euro soll bei 1:1 liegen. Die EZB strebt an, dass der digitale Euro den höchsten Anforderungen der Zahlungstechnologien entspricht und für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich ist. Auch soll er so konzipiert sein, dass er nicht als Investitionsinstrument missbraucht wird, um massive Abflüsse von Bankeinlagen zu vermeiden. Geschäftsbanken sollen den digitalen Euro zugänglich machen.

 

Digitaler Euro als Fortschritt und Chance: Was sind die Perspektiven von Befürwortern?

Die Digitalisierung des Finanzbereichs ist ein klares Muss. Durch den digitalen Euro als Ergänzung zu Bargeld soll laut EZB eine neue, sichere und vertrauenswürdige Zahlungsmöglichkeit geschaffen werden, die für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich ist und eine größere Effizienz im Zahlungsverkehr ermöglicht. Der digitale Euro kommt außerdem der Verbreitung fremder Digitalwährungen zuvor, indem er den Europäern eine Alternative zu anderen digitalen Währungen bietet, die laut EZB nicht unbedingt denselben Sicherheits- und Regulierungsstandards entsprechen.

Ein weiterer Vorteil der Einführung des digitalen Euros ist die Schaffung von Synergien mit Zahlungsdienstleistern. Unternehmen wie Mastercard, Visa und PayPal würden in der Lage sein, digitale Euro-Zahlungen über ihre bestehenden Infrastrukturen abzuwickeln, was für alle Beteiligten ein Vorteil wäre. Darüber hinaus würde die Einführung des digitalen Euros dazu beitragen, Risiken unregulierter Zahlungslösungen zu verhindern, da der digitale Euro unter der Aufsicht und Regulierung der EZB steht.

Zuletzt ist anzuführen, dass in einer zunehmend digitalen Welt, in der immer mehr Menschen Online-Geschäfte tätigen, der digitale Euro eine sichere und vertrauenswürdige Zahlungsmöglichkeit darstellen könnte, die den europäischen Unternehmen dabei helfen soll, wettbewerbsfähig zu bleiben und den Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden. Darüber hinaus sichert der digitale Euro den Zugang zu Zentralbankgeld wie etwa ein Bürgergeld und soll so die Transparenz und Sicherheit im Finanzsystem erhöhen.

Aber: wer eine sachliche und neutrale Debatte seitens der EZB mit Vor- UND (!) Nachteilen des digitalen Euro sucht, wird enttäuscht. Während auf der offiziellen Website der EZB der digitale Euro als heiliges Mittel für Innovation und Fortschritt propagiert wird, regnet es in den sozialen Medien umso mehr Kritik. Diese Kritiker behaupten, dass gerade der digitale Euro die Vorteile einer digitalen Währung, die man gemeinhin annimmt, nicht aufweist.

Vorteile des digitalen Euros laut EZB zusammengefasst:

  • ergänzt Bargeld und Einlagen
  • kommt Verbreitung fremder Digitalwährungen zuvor
  • schafft Synergien mit Zahlungsdienstleistern
  • verhindert Risiken unregulierter Zahlungslösungen
  • unterstützt Digitalisierung der europäischen Wirtschaft
  • sichert Zugang zu Zentralbankgeld

 

Es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, die sich mit Kryptowährungen beschäftigen. Zunächst, um etwa durch Trading schnell reich zu werden. Doch je schneller die Inflation voranschreitet, desto mehr Menschen werden sich auch abseits der finanziellen Vorteile bewusst, die mit privatem Geld einhergehen. Während einige Kryptowährungen bereits einige der Vorteile von digitalen Währungen bieten, stellt sich die Frage, warum ein digitaler Euro eingeführt werden sollte, wenn bereits andere Kryptowährungen diese Funktion übernehmen können. Im nächsten Abschnitt werfen wir daher einen Blick auf die Argumente der Kritiker.

 

Kritiker befürchten Gefahren: Digitaler Euro schränkt Freiheit und Privatsphäre ein

Heftig in der Diskussion stehen mögliche damit einhergehende Bedingungen, die an dieses Digitalgeld geknüpft sein können: So könnte dieses Geld beispielsweise auf eine bestimmte Höhe begrenzbar, nicht verzinsbar, oder mit Ablaufdatum programmierbar sein, um nur einige Konditionen zu nennen. So wird mit der Einführung des digitalen Euros eine orwellische Kontrolle der Bürger wie im Buch „1984“ und Freiheitsverlust gefürchtet. Viele flüchten sich daher momentan in den Kauf von GoldSilber und Agrar Aktien

Auch innerhalb der Regierung finden sich rebellische Stimmen wie etwa die des Abgeordneten Euroskeptikers Frank Schäffler (FDP), der davor warnt den digitalen Euro einzuführen. Auf der Crypto Assets Conference 2023, die erst kürzlich Ende März in Frankfurt am Main stattfand, äußerte der FDP-Politiker klare Bedenken gegenüber dem digitalen Euro und vergleicht die Einführung mit einer Operation am offenen Herzen. Er ist der Meinung, dass anonymes Zahlen mit Bargeld die „gedruckte Freiheit ist, die man erhalten muss“. Schäffler geht noch weiter und sieht den digitalen Euro als direkten Angriff auf die Freiheit, da das Bargeldzahlen durch eine Obergrenze dementsprechend eingeschränkt würde.

In einem Interview bei T3N kritisiert er außerdem das staatliche Geldsystem, da es überschuldet ist und Banken, Notenbanken und Staaten voneinander abhängig sind. Er plädiert für privates Geld, um das Oligopol der Macht aufzubrechen und den Wettbewerb zu fördern. Schäffler ist außerdem der Auffassung, dass der digitale Euro das bereits instabile Finanzsystem noch stärker gefährden könnte. Seine Besorgnis gründet sich auf die Möglichkeit, dass ein rascher Transfer von Giralgeld, das durch Kreditvergabe entsteht, auf die digitale Wallet des Verbrauchers zu ernsthaften Liquiditätsproblemen führen könnte. Sollten Banken in Schieflage geraten, könnte dies zu einem Bankrun führen und letztendlich sogar das Ende des aktuellen Systems beschleunigen.

Hierzu berichtet das Handelsblatt von einer Studie des Bundesverbands deutscher Volks- und Raiffeisenbanken, die 714 Genossenschaftsbanken untersucht haben und seine Bedenken bestätigen. Als Resultat der Studie fürchten die kleinen Banken einen erheblichen Liquiditätsabfluss, wodurch die Banken ins Schwanken geraten könnten. Konkret heißt es dazu:

„Bei einer Obergrenze von 3.000 Euro pro Kunde könnten demnach nur 56 der Institute noch die gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätspuffer vorhalten. Bei einer Obergrenze von 500 Euro bekämen hingegen nur 18 Genossenschaftsbanken Probleme.“ 

Der digitale Euro würde somit den erklärten Zweck verfehlen, nämlich Freiheitsgewinn und Innovation zu fördern.

Am 24. Mai wird ein Gesetzesentwurf veröffentlicht, in dem der digitale Euro vermutlich als gesetzliches Zahlungsmittel definiert wird. Wenn dies der Fall ist, gibt es einen Annahmezwang, was den Euro stärken würde und letztendlich Bitcoin, Ethereum und andere Stablecoins diskriminieren könnte. Daher müsste man den Annahmezwang umgehen, um den digitalen Zahlungsverkehr letztendlich voranzubringen und die Alternativen offen zu lassen, welche digitale Währung verwendet wird.

 

Welche Rolle spielen die Digital Euro Association und die European Digital Innovation Hubs?

Die Einführung des digitalen Euros würde die Finanzwelt auf mehrere Arten beeinflussen. Einerseits würde der digitale Euro als Alternative zu Bargeld und Kryptowährungen wie Bitcoin und Co. auftreten, was die Art und Weise verändern würde, wie wir unser Geld aufbewahren, ausgeben oder überweisen. Andererseits würde durch die Einführung des digitalen Euro auch die Frage der Geldanlage und der Investition in Kryptowährungen neu bewertet werden.

Im Zuge der Planung und Umsetzung des digitalen Euros haben sich deshalb bereits Initiativen gebildet, die sich mit diesen Auswirkungen sowie der Entwicklung und Verbreitung digitaler Währungen beschäftigen. Es handelt sich hierbei um Thinktanks, die sich auf Zentralbank-Digitalwährungen (CBDCs), Stablecoins, Krypto-Assets und andere Formen digitalen Geldes spezialisieren, insbesondere auf den privaten und öffentlichen digitalen Euro. Sie vertreten als unabhängige Stimme der Gesellschaft Werte wie Freiheit, Privatsphäre und transparente Governance mit digitalem Geld. Die Digital Euro Association und die European Digital Innovation Hubs sind Beispiele für Organisationen, die sich aktiv an der Gestaltung und Implementierung des digitalen Euros beteiligen.

Ein bekannter Experte im Bereich der Blockchain-Technologie, Professor Dr. Phillip Sandner vom Frankfurter Blockchain Center, ist Mitglied der Digital Euro Association und hat gemeinsam mit seinem Team im Oktober des vergangenen Jahres ein Manifest zur zukünftigen Entwicklung von CBDCs veröffentlicht, in dem betont wird, der digitale Euro einen starken Mehrwert für die Bürger haben sollte und nur dann gewählt werden sollte, wenn er einen überzeugenden Vorteil im Vergleich zu den Alternativen bietet. Um die Akzeptanz zu fördern, müssen die Vorteile von CBDCs gegenüber anderen digitalen Zahlungsformen offensichtlich sein. Dazu gehören Datenschutz, Sicherheit und Unabhängigkeit der Zahlungsinfrastruktur. Zudem sollte der digitale Euro höchste Datenschutzstandards erfüllen, ohne auf das Vertrauen in die Zentralbank angewiesen zu sein. Die Nutzung sollte möglichst anonym erfolgen können. Es darf nicht zu Schäden für die Gesellschaft kommen, beispielsweise durch negative Zinssätze oder eine programmierte Einschränkung von Geldausgaben. Die Entwicklung von CBDCs sollte in enger Zusammenarbeit aller Stakeholder erfolgen und ein transparentes und öffentliches Design- und Entwicklungsverfahren haben. Eine Open-Source-Technologie wäre hierbei ideal, um die Transparenz zu erhöhen. Schließlich sollten CBDCs technische, regulatorische und Nutzungskompatibilität sowohl lokal als auch global gewährleisten, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. Gerne hier das Original Manifesto englischer Sprache nachlesen.

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Digitaler Euro: Unser Fazit

Politik sollte ein Umfeld mit Rahmenbedingungen schaffen, die Innovationen ermöglicht und nicht behindert. Gerade in Phasen, in denen Korrekturen stattfinden, entstehen neue Unternehmen und Entwicklungen. Solange der digitale Euro für den Verbraucher keine Vorteile bietet und das Bargeldzahlen eingeschränkt wird, sollten weiterhin alternative Geldsysteme wie der Bitcoin in Betracht gezogen werden. Der digitale Euro ist und bleibt ein umstrittenes Thema, das in der Finanzwelt sehr kontrovers diskutiert wird. Eine neutrale und differenzierte Betrachtung ist daher wichtig, um sich ein Bild von den Vor- und Nachteilen des digitalen Euros zu machen. Während Befürworter den digitalen Euro als eine Chance für eine effiziente und sichere Zukunft im Zahlungsverkehr sehen, befürchten Kritiker die Einschränkung von Freiheit und Privatsphäre durch eine digitale Währung. Europa steht am Scheideweg: Ist der digitale Euro nun eine Revolution oder ein Alptraum? Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidung im Oktober 2023 getroffen wird.

 

(PM).