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Nachhaltige Geldanlagen: Während in der Schweiz zum Stichtag 31. Dezember 2021 mehr als jeder zweite Franken und in Österreich knapp jeder dritte Euro nachhaltig (ESG) angelegt wurde, ist es in Deutschland nur rund jeder zehnte angelegte Euro.
► In Deutschland wuchs zwar der Marktanteil nachhaltiger Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds von 6,4 Prozent im Jahr 2020 um 3 Prozentpunkte auf 9,4 Prozent im Jahr 2021, aber im Verhältnis zum Gesamtmarkt in Deutschland bildet Deutschland im DACH-Raum das Schlusslicht.
► In Österreich machten die nachhaltigen Publikums- und Spezialfonds 2021 einen Anteil am Gesamtmarkt von 28,2 Prozent (im Jahr davor 20 Prozent) aus. Damit steckt fast jeder dritte in Österreich angelegte Euro in einem nachhaltigen Produkt. Die Schweiz ist aber noch besser.
► In der Schweiz stieg das Volumen der nachhaltigen Fonds im Jahr 2021 auf 799,5 Milliarden CHF (763,91 Milliarden Euro) und macht nun 53 % des gesamten Schweizer Fondsmarktes aus – wie bereits im Vorjahr also mehr als die Hälfte des Gesamtmarktes.
Das geht aus einer Umfrage unter 73 Finanzanlage-Produktgebern in Deutschland und 24 Produktgebern in Österreich hervor, die das Forum für Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG) aus Berlin Schöneberg im Februar 2022 durchführte und am 9. Juni 2022 als FNG Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2022 für Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichte.
In der Schweiz wurden 35 Anbieter vom SSF (Suisse Sustainable Finance) der Uni Zürich befragt.
Die Invest-Ausschlusskriterien für nachhaltige Geldanlagen variieren in den drei Ländern
Die Deutschen schlossen am meisten Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen aus.
Die Österreicher wie auch die Schweizer lehnten am stärksten Investments in Kohleförderung- und -Verstromung ab.
ESG-Präferenzabfrage ab August 2022 Pflicht in der EU
Für dieses Jahr erwartet das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. in den EU-Ländern Deutschland und Österreich einen massiven Zuwachs an nachhaltigen Anlagen, weil ab August 2022 jeder Berater in Deutschland und Österreich im Beratungsgespräch mit Anlegern eine ESG-Präferenzabfrage dokumentieren muss (Umsetzung von MiFID II) und dementsprechend ESG-Produkte auch anbieten muss.
Privatanleger sind in Deutschland und Österreich wegen der Regulierung die neuen Treiber
Im FNG-Marktbericht vom 9. Juni 2022 heißte es: „Lange wurden private Anleger:innen als Treiber Nachhaltiger Geldanlagen unterschätzt. Doch nun orientiert sich der Markt immer stärker an ihren Bedürfnissen. Die EU-Regulatorik wird in nächster Zeit für zusätzliche Dynamik sorgen. Bei privaten Anleger:innen ist insbesondere MiFID II zu nennen, denn die Richtlinie wird das Wachstum mit der verpflichtenden Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Kund:innen in der Anlageberatung vermutlich weiter beschleunigen.“
Simon Dittrich, Studienleiter des FNG Marktberichtes, unterstrich in seiner Presserklärung vom 9. Juni 2022 für den Markt Deutschland: „Während institutionelle Investoren schon lange in dem Bereich aktiv sind und damit eine Vorreiterrolle eingenommen haben, wurden private Anleger:innen, die 2021 ihr Anlagevolumen mehr als verdreifacht haben, lange Zeit unterschätzt. Triebfeder dabei war und ist in jedem Fall die Regulierung. Diese führte bereits dazu, dass nachhaltige Publikumsfonds viel breiter angeboten werden als früher.“
In Deutschland verdreifachte sich 2021 die Zahl der Investitionen in nachhaltige Publikumfonds durch Privatanleger
Im FNG-Marktbericht heißt es für Deutschland: „Das Anlagevolumen privater Anleger:innen verdreifachte sich 2021 auf 131,2 Milliarden Euro. Das entspricht einem Wachstum von 230 Prozent. Damit setzte sich der Trend, dass private Anleger:innen Wachstumstreiber Nachhaltiger Geldanlagen sind, nicht nur fort, sondern verstärkt sich deutlich, wie in Grafik 2.7 zu sehen ist. Die institutionellen Investoren legten nur um 26 Prozent zu. Dadurch verschiebt sich auch die Relation der in Fonds und Mandaten investierten Gelder von institutionellen und privaten Anleger:innen: Der Anteil institutioneller Investoren schrumpfte 2021 von 82 Prozent im Vorjahr auf 64 Prozent, während der Anteil privater Anleger:innen auf 36 Prozent zulegte. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 machten private Anleger:innen noch sieben Prozent aus.“
Auch in Österreich sind Privatanleger im ESG-Mainstream angekommen
„Mit einem Marktanteil von 28,2 Prozent sind nachnachhaltige Geldanlagen im Mainstream angekommen“, erklärte Magister Wolfgang Pinner, Leiter des FNG-Österreich. „Private Anlegerinnen und Anleger haben dabei eine zentrale Rolle gespielt. Triebfeder der Entwicklung war allerdings die Regulierung, welche dazu führte, dass heutzutage nachhaltige Fonds viel breiter angeboten werden.“
Das FNG-Österreich weiter: „Nach einem bereits in den Vorjahren spürbar gestiegenen Interesse haben private Anleger:innen im Jahr 2021 massiv in Nachhaltige Geldanlagen investiert. Das von ihnen gehaltene Anlagevolumen stieg um 164 Prozent von 12,00 Milliarden Euro auf den neuen Höchststand von 31,70 Milliarden Euro. In der Folge erhöhte sich der Anteil der von Privatanleger:innen gehaltenen nachhaltigen Kapitalanlage auf rund 56 Prozent. Im Gegenzug sank der Anteil der institutionellen Investoren am in Österreich unter Anwendung von umweltbezogenen, sozialen und auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung bezogenen Kriterien – kurz: ESG-Kriterien – verwalteten Kapital auf 44 Prozent, trotz eines nochmaligen Zuwachses von 2,07 Milliarden Euro auf insgesamt 25,39 Milliarden Euro. Damit wurde in Österreich erstmals mehr Geld von Privatanleger:innen nachhaltig angelegt als von institutionellen Investoren.“
In der Schweiz fehlen Regularien für nachhaltige Geldanlagen
Wegen fehlender Regularien in der Schweiz verschob sich das Verhältnis von Privaten gegenüber Institutionellen bei nachhaltigen Anlagen von 2020 auf 2021 nur leicht um ein Prozent. Der Anteil der Privaten kletterte von 28 auf 29 Prozent Anteil. Der Anteil der Institutionellen sank von 72 auf 71 Prozent.
Die SSF Schweiz schreibt in ihrer Studienzusammenfassung für den Marktplatz Schweiz: „Auch wenn es in der Schweiz keinen übergreifenden gesetzlichen Rahmen für nachhaltige Finanzen gibt, entwickeln sich viele Schweizer Finanzmarktakteure diesbezüglich laufend weiter und setzen marktorientierte Lösungen um.“
SSF weiter: „Der Gegenvorschlag zur Volksinitiative ‚Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft‘ und die entsprechenden Ausführungsverordnungen des Bundesrates werden jedoch zu neuen Pflichten für Unternehmen führen. Darüber hinaus hat der Bundesrat mit der Verabschiedung mehrerer Maßnahmen im Jahr 2021 wichtige neue Ankündigungen für Finanzmarktakteure gemacht und damit den Wandel beschleunigt. Die FINMA legte den Fokus auf den Verbraucherschutz und präzisierte die Transparenzpflichten in Bezug auf Klimarisiken. Auch die sich rasch weiterentwickelnde EU-Regulierungslandschaft ist für Schweizer Finanzinstitute, die in der EU tätig sind oder europäische Kunden haben, von großer Bedeutung.“
In Deutschland hartes Durchgreifen: Razzia bei DWS wegen Verdachts auf Greenwashing
In Deutschland steht die Deutsche Bank-Tochter DWS unter Greenwashing (Etikettenschwindel)-Verdacht, wie Business Leaders berichtete. Die Vorwürfe lauten, die DWS habe die Nachhaltigkeitskriterien zu hoch angesetzt, weshalb Dr. Asoka Wöhrmann (56) aus dem Heilklimakurort Königstein im Taunus, seit 2018 CEO der DWS GmbH & Co. KaAG aus Frankfurt, am 1. Juni 2022 zurücktrat. Am 31. Mai 2022 hatten 50 Einsatzkräfte der Frankfurter Staatsanwaltschaft, der Finanzaufsicht Bafin und des Bundeskriminalamtes (BKA) Büros der DWS Group GmbH & Co. KGaA und des Mutterkonzerns Deutsche Bank Aktiengesellschaft in Frankfurt am Main durchsucht.
Für die Schweiz kündigt AMAS Nulltoleranz gegenüber Greenwashing an
In der Schweiz hat der Branchenverband Swiss Asset Management Association (AMAS) derweil die Flucht nach vorne angetreten. Wie auch finews.ch berichtete, hat die Lobby vergangenen Mai 2022 auf Vorrat zugegeben, dass Greenwashing bei hiesigen Fondsfirmen vorkommt. Für die Zukunft hat AMAS aber Nulltoleranz ausgerufen. Derzeit arbeitet die AMAS an einer Selbstregulierung für nachhaltiges Asset Management, die für die Verbandsmitglieder bindend sein soll. Diese bindenden Prinzipien sollen bis im Herbst vorliegen.
Schweizer Wettlauf gegen die Zeit
Mit ihrer Selbstregulierung befinden sich die Schweizer Fondsanbieter aber in einem Wettlauf gegen die Zeit. So hat der Bundesrat das Finanzministerium beauftragt, bis Ende 2022 vorzuschlagen, wie das Finanzmarktrecht angepasst werden könnte, um Greenwashing zu vermeiden.
Über das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. aus Berlin Schöneberg
Das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG), der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, repräsentiert über 230 Mitglieder, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einsetzen und feierte 2021 sein 20jähriges Bestehen. Das FNG fördert den Dialog und Informationsaustausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und setzt sich für verbesserte rechtliche und politische Rahmenbedingungen für nachhaltige Investments ein. Es verleiht das Transparenzlogo für nachhaltige Investmentfonds, gibt die FNG-Nachhaltigkeitsprofile heraus und hat das FNG-Siegel für nachhaltige Investmentfonds entwickelt. Das FNG ist außerdem Gründungsmitglied des europäischen Dachverbands Eurosif. (FM)
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