Immobilien-Krise 2023: Das wahre Ausmaß wird alsbald sichtbar werden, wenn die Immobilien-Konzerne 2023 ihre ersten testierten Bilanzen für das zurückliegende Jahr offenlegen.

„Die Bewertungen in Q1 und Q2 2023, die für die Erstellung der Bilanzen 2022 erforderlich sind, werden deutlich geringer ausfallen als noch im selben Zeitraum im Vorjahr 2022“, hatte ein Insider gegenüber Business Leaders Anfang Dezember 2022 vorausgesagt. Andere Immobilienexperten wie der Immobilien-Wissenschaftler Professor Günter Vornholz oder der Büro-Immobilienhändler Thomas Olek geben ihm nun recht.

 

Immobilien-Krise 2023: Handelsimmobilien jetzt schon 10 Prozent unter Jahreshöchstwert 2022

 

Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School GmbH in Bochum (NRW) © EBZ Business School GmbH
Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School GmbH in Bochum (NRW) © EBZ Business School GmbH

Seit Monaten schon kennen die Preise für Gewerbeimmobilien nur noch eine Richtung: abwärts. „Ein Beispiel sind Handelsimmobilien. Die Preise liegen zehn Prozent unter dem Höchststand“, sagte Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School GmbH in Bochum (NRW), der WELT vom 30. Dezember 2022.

 

Professor Vornholz zur Immobilien-Krise 2023: „Die Party ist vorbei“

 

„Es kommt darauf an, wie die Firmen in der zurückliegenden Boomphase ihre Bestandsimmobilien bewertet haben. Wer auf den schnellen Euro spekuliert hat, hat auch seine Immobilien in den Büchern an die bessere Marktlage angepasst und muss jetzt, wo die Party vorbei ist, auch wieder nach unten korrigieren“, sagte Professor Günter Vornholz.

Wer nach dem Handelsgesetzbuch HGB bilanziere, sei dem Niedrigstwertprinzip bei der Bewertung verpflichtet. Bei kommunalen Wohnungsgesellschaften sei das etwa so. Dort dürften die Probleme überschaubar bleiben, erwartet Vornholz.

Aber er warnt: Wenn Firmen ihre Bücher nach den internationalen IFRS-Regeln führen, und das sind die börsennotierten, dann stehen die Immobilien zu Boompreisen in der Bilanz. Das können die Buchprüfer nicht ignorieren. Eine Korrektur sei dann sicher.

 

Thomas Olek: „Buchprüfer bestehen auf marktgerechte Buchwerte“

 

Thomas Olek (54) vor der Frankfurter Börse © publity AG
Thomas Olek (54) vor der Frankfurter Börse © publity AG

Marktteilnehmer Thomas Olek (54) pflichtet dem Immobilienökonomie-Professor bei und kam am 30. Dezember 2022 gegenüber WELT-Autor Stephan Maaß zu der Einschätzung:  „Die Gutachter, die die Jahresabschlüsse abnicken müssen, werden sich nicht darauf (auf die Boom-Immobilienbewertungen – Anmerkung der Redaktion) einlassen.

Olek: „Schließlich ist der Druck auf Wirtschaftsprüfer nach dem Wirecard-Skandal immens. Die werden darauf bestehen, dass marktgerechte Buchwerte bilanziert werden.“

Olek ist Gründer, Großaktionär (48 Prozent) und ab 5. Januar 2023 Aufsichtsrat der publity AG aus Frankfurt am Main. Seine börsennotierte publity AG (DE0006972508) verwaltet mehr als fünf Milliarden Euro an Immobilienvermögen und hat bereits mehr als 500 Gewerbeimmobilien verkauft. Sie gehört im Gegensatz zum allgemeinen Markttrend zu den Leuchttürmen im Scale.

 

Gerade erst eine Büro-Immobilie in Nieder-Olm bei Mainz verkauft

Soeben verkauft: die Büro-Immobilie mit Hauptsitz der deutschlandweit operierenden ARWA Personaldienstleistungen GmbH als Mieter Am Hahnenbusch 4 in Nieder-Olm in Rheinland-Pfalz © publity AG
Soeben verkauft: die Büro-Immobilie mit Hauptsitz der deutschlandweit operierenden ARWA Personaldienstleistungen GmbH als Mieter Am Hahnenbusch 4 in Nieder-Olm in Rheinland-Pfalz © publity AG

Gerade erst hat die publity AG als Asset-Manager am 29. Dezember 2022 den Verkauf einer Gewerbeimmobilie in Nieder-Olm bei Mainz in Rheinhessen bekannt gegeben. Die attraktive Immobilie weist eine Gesamtmietfläche von über 4.000 Quadratmetern auf und ist zu 100% an den Ankermieter ARWA Personaldienstleistungen GmbH von Detlef Georg Wahl (77) aus Wiesbaden und seinen Söhnen Sascha Wahl (51) und Nicolai Wahl (45), beide aus Wiesbaden, sowie Holger Arras (75) aus Mainz vermietet. Die durchschnittliche Mietdauer (WALT) im Objekt liegt bei knapp 9 Jahren.

Über den Käufer und den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Rechtsanwalt Frank Schneider (59) aus Leipzig, CEO der publity AG aus Frankfurt am Main © publity AG
Rechtsanwalt Frank Schneider (59) aus Leipzig, CEO der publity AG aus Frankfurt am Main © publity AG

Rechtsanwalt Frank Schneider (59) aus Leipzig in Sachsen, CEO der publity AG: „Es freut uns, dass wir noch kurz vor Jahresende die Gewerbeimmobilie in Nieder-Olm erfolgreich verkaufen konnten. Damit haben wir trotz des herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds unsere Stärke als Asset Manager bewiesen.“

 

publity AG möchte Asset Manager übernehmen

 

Im Rahmen ihrer internationalen Wachstumsstrategie hat die publity AG Weichs Management Consultants aus München mandatiert, den Markt zu sondieren, um Opportunitäten für weiteres Unternehmenswachstum wahrnehmen zu können, wie sie am 22. Dezember 2022 bekannt gab. Hierzu gehört unter anderem die Möglichkeit von Übernahmen von Asset Managern.

Frank Schneider: „Wir wollen unseren Wachstumskurs weiter beschleunigen und eine aktive Rolle bei der Konsolidierung des Asset-Management-Marktes in Deutschland spielen. Aktuell bieten sich attraktive Opportunitäten, mit deren Nutzung wir unsere starke Position weiter ausbauen können.“

 

Thomas Olek sieht für Handels-, Logistikimmobilien und Hotels schwarz

Thomas Olek (54) aus Frankfurt am Main, Gründer, Großaktionär und ab 5. Januar 2023 Aufsichtsrat der publity AG aus dem Frankfurter OpernTurm © publity AG
Thomas Olek (54) aus Frankfurt am Main, Gründer, Großaktionär und ab 5. Januar 2023 Aufsichtsrat der publity AG aus dem Frankfurter OpernTurm © publity AG

Der Immobilieninvestor erwartet eine schwere Krise für Immobilienaktien und Gewerbeimmobilien wie Handels- und Logistikimmobilien oder Hotels. „Milliarden an Immobilienwerten und Immobilienaktien werden verdampfen“, sagte der Thomas Olek, Vorstandsvorsitzender von NEON Equity, in der Sonderausgabe für WELT-Abonnenten zum Jahreswechsel 2022/2023.

Wie dramatisch die Lage noch werden kann, lässt sich an den Kursverlusten der großen Immobiliengesellschaften erkennen. Die Marktkapitalisierung der Branche sank von Januar bis Dezember 2022 um 57 Milliarden Euro auf 55 Milliarden Euro. Innerhalb eines Jahres haben sich die Aktien halbiert.

Drastische Verluste machten etwa die Hamburger TAG Immobilien AG (minus 2,6 Milliarden Euro auf jetzt 800 Millionen Euro) oder die Berliner Deutsche Wohnen SE (minus acht Milliarden Euro auf jetzt aktuell rund 7,7 Milliarden Euro) oder die Bochumer Vonovia SE (minus 22 Milliarden Euro auf nur noch 17 Milliarden Euro).

Olek: „Nur Traumtänzer glauben jetzt noch, dass es sich im nächsten Jahr wieder normalisiert.“

Auf einer Reise in die USA im Oktober 2022 hat Olek mit Investoren und Hedgefondsmanagern gesprochen.  Zu seinem Freundeskreis zählen internationale Hedgefondsmanager wie Paul Singer von der Elliot Management Corporation aus New York. Oder Manager aus dem Umfeld von Apollo, JPMorgan oder anderen Hedgefonds. Olek nennt es seine New-York-Connection. Dank ihrer und vieler anderer Mandate ist die Kriegskasse von Olek stets gut gefüllt. Er hat ein internationales Netzwerk, das seinesgleichen sucht.

Mehr dazu erfahren Sie im Interview „Vom Autowäscher zum Millionär“ hier auf Business Leaders.

 

US-Hedgefonds positiv für Deutschland, aber erst nach Korrektur

 

Das Ergebnis seiner Reise: Dort in den USA sei man zwar positiv für Deutschland. Aber erst nach einer Korrektur. Dazu werde es kommen, wenn viele Immobilienunternehmen, vor allem die börsennotierten, 2023 ihre Geschäftsberichte veröffentlichen – und dann müssen die nach unten korrigierten Immobilienwerte offengelegt werden.

Olek hält für die Zukunft ein Szenario für möglich, in dem die Zinsen für die Immobilienfinanzierung bei fünf Prozent liegen dürften – so wie das zwischen den Jahren 1993 und 2005 überwiegend auch gewesen sei.

Die Folge, so Olek: „Und dann stimmt die Finanzmathematik nicht mehr, auf deren Basis alle Immobilienprojekte in den letzten Jahren zu deutlich niedrigeren Zinsen finanziert wurden.“

Für Olek ist eine Preissenkung um 25 Prozent plausibel, weil sich die Finanzierung zu höheren Preisen mit den gestiegenen Zinsen nicht mehr rechne.

 

Oleks Immobilien-Markt-Ausblick:

 

Liquidität trocknet aus.

Barkapitalerhöhungen sind Mangelware.

Bonds werden sündhaft teuer.

Renovierungen werden auf die lange Bank geschoben.

Vorstände beten sich gesund, aber die Mathematik bestimmt.

Recht bald würden die Immobiliengesellschaften gezwungen sein, Teile ihres Bestandes zu verkaufen. Häufig würden das auch die Banken verlangen, um nach den sinkenden Immobilienbewertungen wieder ein besseres Verhältnis zum Kreditvolumen zu haben.

„Dann wird zuerst das Tafelsilber aus dem Bestand verkauft“, sagte Olek der WELT. Denn nur für die richtig guten Objekte ließen sich noch akzeptable Preise erzielen. Und nur dann würden Abschreibungen nicht zu hoch ausfallen.

 

Ausverkauf angekündigt, aber Käufer warten ab

 

Nach Berechnungen von Bloomberg sind mindestens 23 Milliarden Euro an Immobilienvermögenswerten im Besitz der größten europäischen Vermieter zum Verkauf vorgesehen, um angesichts steigender Zinsen ihre Schulden abzubauen und ihre Bilanzen aufzubessern. Darunter die Bochumer Vonovia SE, die britische Land Securities Group oder das große französische Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco-Westfield.

Allein der private Wohnungsvermieter Vonovia SE hatte im Sommer 2022 angekündigt, Vermögenswerte in Höhe von 13 Milliarden Euro zu verkaufen. Zu sehen ist von dem Verkauf noch nichts.

Im Gegensatz zu den Boomjahren sind Käufer zurückhaltend, sich zu engagieren, wenn die Werte an der Schwelle zu einer zweistelligen Korrektur stehen könnten und die Volatilität Finanzierungen teuer und schwer erhältlich werden lässt.

Das Londoner Immobilienanalyseunternehmen Green Street Advisors schrieb seinen Kunden bezüglich Vonovia: „Bislang gibt es kaum Anzeichen dafür, dass größere Veräußerungen bevorstehen, nicht zuletzt, weil das Vonovia-Management an veralteten Buchwerten festhält.“

Ewig können die Konzerne an diesen Buchwerten aber nicht mehr festhalten, weiß auch Olek. 

Wie der Mechanismus funktioniert, hat die Deutsche Bundesbank in ihrem Stabilitätsbericht beschrieben: „Ein adverses Szenario, wie ein starker Wirtschaftseinbruch aufgrund einer verschärften Energiekriese, deutet darauf hin, dass das Finanzsystem in ungünstigen Fällen unter Druck geraten könnte. Banken könnten dann mit einer übermäßigen Einschränkung ihrer Kreditvergabe reagieren, um ihre Kaptalquote zu stabilisieren. Dies würde einen Schock weiter verstärken.“

Potenzielle Verluste für die Banken würden allerdings dadurch gemindert, dass sie die Immobilien bei Kreditausfall verwerten können, so die Bundesbank. „Für den Markt ist das aber kein entspannender Ausblick“, kommentiert WELT-Autor Stephan Maaß. (FM)